Ich war sehr still. Zumindest nach außen hin. Mein Kopf war kurz davor zu explodieren. Mia ist gestern stundenlang mit mir durch die Stadt gelaufen, weil ich sonst wohl durchgedreht wäre. Sie hat mich nicht allein gelassen - nicht zu einer Sekunde. Sie war immer da, sie war einfühlsam, sie hat sich normal verhalten, sie hat meine Hände genommen, wenn ich sie zu Fäusten geballt hatte. Sie war großartig gewesen. Auch wenn sie es nicht wollte, war ich froh, dass sie heue Nacht doch irgendwann eingeschlafen war. Ich lag einfach im Bett und habe sie angesehen bis der Wecker geklingelt hat. Wir sind aufgestanden, haben eine Kleinigkeit gegessen - zwei Löffel Joghurt habe ich herunterbekommen - dann haben wir uns fertig gemacht. Zu Mias Missfallen habe ich mir tatsächlich die Haare etwas kürzer schneiden lassen, damit sie ordentlicher aussehen. Jetzt trage ich ein dunkles Hemd und eine dunkle Jeans, zu schwarzen Boots. Es ist dafür viel zu warm, doch ich würde in etwa einer Stunde vor Gericht stehen und da war es egal, ob es zu warm für diese Kleidung war. Brenda und Billy hatten uns abgeholt. Was gut war. Brenda hat zu keiner Sekunde zugelassen, dass schlechte Stimmung aufkommt. Jetzt stehen wir zu fünft vor dem Gerichtsgebäude - meine Anwältin ist noch dabei. Sie meinte, dass es nicht gut wäre schon reinzugehen. Das würde der Anspannung nicht helfen und ich glaube sie hat Recht. So kann ich mich wenigstens etwas bewegen. Sie macht mir Mut. Sie macht uns Mut. Die Chancen stehen sehr gut, dass ich freigesprochen werde. Wenn nicht würde es wohl eher auf einen Vergleich abzielen. Doch das will ich eigentlich nicht. Ich will diesem Schwein kein Geld zahlen, damit er die Anzeige zurückzieht. Um uns herum betreten Menschen das Gebäude und verlassen es wieder. Ich nehme sie am Rande war, manchmal schaue ich genauer hin, um mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Mia hält meine Hand und ihr Daumen streicht ohne Unterbrechung über meinen Handrücken. Da sie heute dabei ist, wird Steven nicht im Gerichtssaal sein, denn die einstweilige Verfügung wurde durchgesetzt und er darf sich ihr nicht mehr nähern. Für seine Aussage wird er per Videoschalte zugeschaltet, hat meine Anwältin erklärt. Zum Glück. Ah, Mister Dupont. Irritiert sehe ich zu meiner Anwältin und dann zu dem Mann, auf den sie zugeht. "Was zum...?" Mein Vater begrüßt kurz meine Anwältin und kommt dann zu Brenda, Billy, Mia und mir. Sein Blick geht kurz zu mir, doch er stellt sich zuerst Brenda und Billy vor. Und das ist dann wohl Mia? Ich bin sichtlich schockiert und mein Vater muss etwas lachen. Ich hoffe du - wir dutzen uns doch, oder? Also ich hoffe du entschuldigst die Unhöflichkeit meines Sohnes. Er streckt Mia seine Hand entgegen. Baptiste. Es freut mich wirklich sehr dich zu treffen. Mein Vater und ich sind uns sehr ähnlich - zumindest äußerlich. Er ist etwas stämmiger und dazu passend hat er eine sehr warme Stimme. "Papa... was tust du hier?" Mein Vater wendet sich nun endlich mir zu. Denkst du ich lasse dich hier allein? Ich muss schlucken und wir umarmen uns kurz. Mein Blick geht zu Mia, die aber woanders hinschaut. Natürlich bin ich nicht allein gekommen. Keine Ahnung wie sie es geschafft hatte so lange auf Abstand zu bleiben, doch dieses Mal werde ich zuerst begrüßt. Lizzy kommt zu mir und umarmt mich. Ich lege meinen freien Arm um sie und drücke meine beste Freundin an mich. Dann spüre ich wie Mia meine Hand loslässt, damit ich Liz richtig umarmen kann. "Du bist wirklich hier." Natürlich! Hallo? Sie löst sich von mir und dann umarmt sie erst Mia, dann Brenda und dann sogar Billy, der ziemlich irritiert drein blickt. Was mich wirklich amüsiert. Mein Vater spricht mit meiner Anwältin und ich schaue zwischen ihm und Lizzy hin und her. Es bedeutet mir wirklich viel, dass die beiden extra hergekommen sind. Meine Hand hält wieder Mias und mein Blick geht zu ihr. Wir müssen so langsam. Ich nicke leicht. Ich würde hier nach wirklich gern mit euch essen gehen. Wenn ihr das wollt. Dabei sieht er zu Mia und lächelt leicht. Oh, sie sind natürlich auch eingeladen. Und mit den Worten wendet er sich an Billy und Brenda. "Eins nach dem anderen Dad, okay?" Wir müssen wirklich. Ich nicke leicht und sanft drücke ich Mias Hand, bevor wir dann ins Gebäude gehen.
Es ist Brenda die meine Hand sanft drückt, um für mich da zu sein. Unserer beider Hände ruhen auf meinem Oberschenkel seitdem wir uns hingesetzt haben - direkt hinter Tristan. Ich würde lieber an seiner Seite sitzen, aber das wäre natürlich unangebracht. Brenda scheint die Unruhe, die das in mir auslöst, trotz meiner Fassade bemerkt zu haben. Ich habe mir bisher zu keiner Sekunde gestattet auch nur einen Hauch von Unsicherheit, Unbehagen, Unruhe oder anderes zu zeigen und so werde ich es auch beibehalten. Wusstest du, dass sie sich so ähnlch sehen? flüstert mir meine Freundin von der Seite zu. "Was?", flüstere ich irritiert zurück. "Wer?" Baptiste. Meine Stirn legt sich in Falten und ich löse, wenn auch nur widerwillig für einen kurzen Moment meinen Blick von dem Mann vor mir, um zu dem Mann zu schauen, der zwei Plätze weiter sitzt - Lizzy hat zwischen uns Platz genommen. "Er sieht nicht aus wie Tristan oder Tristan wie er.", flüstere ich nachdem ich meinen Blick wieder nach vorne gerichtet habe. Die Verhandlung hat noch nicht begonnen, aber es ist jede Sekunde soweit. Der einzige Grund, warum ich nicht immer noch stehe und mit Tristan spreche und ihn berühre um ihn abzulenken, ist, dass seine Anwältin und er noch ein, zwei, drei Sätze miteinander sprechen wollten. So habe ich mich auch hingesetzt und lausche nun den Worten meiner Freundin. Bist du blind! Sie sehen sich total ähnlich. "Brenda." Ich habe gerade keinen Nerv dafür, möchte aber auch nicht unhöflich sein. Ich versuche mich deshalb an einem kleinen Lächeln, was sie meinem Profil entnehmen kann. "Bitte." Bist du eigentlich näher an Tristan oder näher an seinem Vater dran? Also was dein Alter betrifft. Mein Kopf ruckt zu meiner Freundin und meine Mimik scheint ihr alles mitzuteilen, was sie wissen muss. Bitte entschuldige. Ich wollte dich nur ablenken. "Danke, Süße. Ich weiß das auch wirklich zu schätzen. Aber es ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt. Und schon gar nicht so!" Wir haben die ganze Zeit so leise gesprochen, dass uns niemand anderes zuhören könnte - dessen bin ich mir sehr sicher. Ich drehe meinen Kopf wieder nach vorne und das in genau dem richtigen Moment - Tristan schaut über seine Schulter hinweg kurz zu mir und dann zu den anderen. Ich lächle ihm kurz zu bevor er seinen Blick wieder nach vorne richtet - aufmunternd, wie ich hoffe. Es tut ihm gut, dass sein Vater und seine beste Freundin hier sind. Es war eine große Überraschung, die gelungen ist. Es schenkt ihm Kraft, dass hat man sofort gespürt und alles was ihm gut tut, finde ich sehr, sehr gut. Das ich seinen Vater gerade zum ersten Mal persönlich kennengelernt habe, ist noch gar nicht richtig zu mir durchgedrungen, obwohl wir uns freundlich begrüßt und auf dem Weg hinein sogar einige Worte gewechselt haben.
Ich habe gerade noch einmal zu Mia gesehen, als meine Anwältin mich am Bein antippt und dann kommt auch schon die Aufforderung sich zu erheben. Wir habe eine gewisse Richterin May bekommen. Meine Anwältin war damit sehr zufrieden. Ich hoffe es so sehr. Ich will nicht vorbestraft sein. In all den Jahren habe ich es geschafft mich nicht von der Polizei erwischen zu lassen und ich bin mir durchaus bewusst, dass das daran lag, dass die Partys, die ich besuchte, nicht von der Polizei kontrolliert wurden. Ich habe nichts falsch gemacht. Ich habe die Frau, die ich liebe, beschützt. Wir setzen uns wieder und ich streiche mir einmal mit meinen Händen durch mein Haar und verfolge dann das Geschehen. Die Richterin spricht, Stevens Anwalt spricht, meine Anwältin spricht. Würde es nicht um mich gehen, würde ich es sicherlich als ziemlich langweilig empfinden. Das ist nicht wie im Fernsehen. Für meine Aussage muss ich nicht einmal aufstehen und mich neben die Richterin setzen. Ich erläutere meine Sicht der Geschehnisse. Mias Aussage wird verlesen, womit die Richterin zufrieden ist. Steven wird per Video zugeschaltet und ich höre ihm gar nicht zu, sondern atme nur. Das habe ich geübt. Meine Anwältin meinte, dass ich ruhig bleiben muss, wenn er dort ist oder zugeschaltet wird. Es werden Fotos gezeigt - von Mias Verletzungen, von Stevens und von meinen. Als meine Anwältin mir das erste Mal die Bilder von Steven gezeigt hatte, habe ich einen Riesenschreck bekommen. Er sah schlimm aus. Ich hatte ihn übel zugerichtet. Natürlich bringt Stevens Anwalt meine Drogensucht ins Spiel und versucht mich darzustellen, als könnte ich mich nicht kontrollieren. Meine Anwältin ist aber wirklich gut. Sie kann jedes Argument aushebeln. Ich habe vollkommen das Zeitgefühl verloren und blicke erst auf die Uhr, als die Richterin meint, dass sie jetzt eine halbe Stunde Pause machen und sie dann das Urteil verkünden wird. 1 1/2 Stunden sind vergangen seit Beginn der Verhandlung. Das lief sehr gut. "Ja?" Ich kann es nicht einschätzen, doch meine Anwältin scheint sehr sehr zufrieden zu sein, was mich beruhigt. Mia und ich gehen nebeneinander, auch wenn die Absperrung der Sitzreihen uns voneinander trennt. Ich sehe sie an, die ganze Zeit und kaum bin ich bei ihr, umarme ich sie. "Sie meinte es lief gut." Ich lächle etwas und küsse sanft ihre Stirn, bevor wir den Gerichtssaal verlassen. Brenda, Billy, mein Vater und Lizzy haben sich vor dem Saal auf eine Bank gesetzt. Ich bleibe stehen und somit tut Mia das auch. Meine Anwältin hat uns noch einmal versichert, dass es sehr gut lief und muss jetzt kurz telefonieren. Wer hätte gedacht, dass du vor mir vor Gericht stehst. Mein Blick geht zu Lizzy und ich muss wirklich etwas schmunzeln. Elisabeth. "Komm, du hättest auch auf sie gesetzt." Mein Vaters Blick sagt alles, doch dann ist er ruhig. Ich muss mich ein bisschen bewegen und Mia weicht nicht von meiner Seite. Wir gehen den Gang hinunter und ich sehe zu ihr. "Alles gut, Baby?" Ich hoffe so sehr, dass sie das nicht zu viel mitnimmt. Sie hätte nicht mitkommen müssen. Das habe ich ihr mehrmals gesagt. Doch natürlich ist sie es. Ich wäre es an ihrer Stelle auch. "Gleich ist es geschafft." Ich bin optimistisch - für sie.
"Alles ist gut.", sage ich ehrlich. Sein Blick und seine folgenden Worte lassen mich vermuten, dass er meinen Worten keinen Glauben schenkt oder zumindest an ihnen zweifelt. Warum? Weil in diesem Gerichtssaal gerade ausführlich auf etwas eingegangen wurde bei dem ich anwesend war? Weil ich meine eigene Aussage gehört und meine Verletzungen noch einmal vor Augen geführt bekommen habe? Weil ich Steven und seine Verletzungen noch einmal hören und sehen musste? Was mich mitgenommen hat, ist zu sehen wozu Tristan getrieben wurde - in Form der Verletzungen von Steven -, weil er Angst um mich hatte und die Verletzungen von Tristan selbst. Ich spüre Wut, auch wenn man mir das nicht ansieht oder anmerkt. Ansonsten geht es mir wirklich gut. Ich lasse es ganz bewusst nicht zu, dass sich noch andere Gefühle in mir breitmachen, die das wirklich gerne würden. Das spüre ich. Aber es soll hier nicht um mich gehen. Es darf hier nicht um mich gehen. Ich habe Tristan überhaupt erst in diese Situation gebracht. Das und die Tatsache, dass ich ihn liebe und nicht möchte das es ihm schlecht geht, sorgen dafür, dass ich mich vollends auf ihn fokussieren möchte. "Deine Anwältin ist sehr optimistisch." Man hört meiner Stimme an, dass mich das hoffen lässt und mir zumindest einen Hauch Erleichterung verschafft. "Dein Vater hat sie gut ausgesucht. Sie macht wirklich einen tollen Job." Wir drehen um, weil wir am Ende des Flurs angekommen sind und ansonsten gegen eine Wand gelaufen wären. "Es ist toll, dass er hier ist. Das freut mich so für dich." Meine Finger drücken sanft seinen Arm. Ich hatte mich als wir losgegangen sind bei ihm untergehakt. "Wie fühlst du dich? Tut es dir gut, dass er und Lizzy hier sind? Dass die Anwältin optimistisch ist?"
Glaube ich ihr ihre Worte? Nur bedingt. Mittlerweile kenne ich sie ganz gut und ich weiß, dass sie andere Menschen immer vor sich stellt - vor allem mich. Wahrscheinlich geht es ihr gerade wirklich nicht schlecht. Aber sicherlich nur, weil sie ihrem Kopf zwingt Ruhe zu geben. Ich kenne das nur zu gut. Bei uns hat das unterschiedliche Gründe, doch mit manchen Dingen gehen wir sehr gleich um. Kann ich es ihr also vorwerfen? Nein. Dennoch würde ich ihr am liebsten sämtliche Lasten von ihren Schultern nehmen, damit sie vollkommen frei atmen kann. Meine wundervolle Mia. Wir gehen wieder zurück und bei ihrer Frage hebe ich kurz meinen Blick und sehe zu meinem Vater und Lizzy, die sich mit Brenda und Billy unterhalten. Ich muss etwas lächlen und nicke dann. "Ja, es tut sehr gut. Bei Lizzy war ich echt irrtiert, dass sie nicht angekündigt hatte zu kommen. Bei meinem Dad bin ich wirklich sehr überrascht. Ich will nicht wissen wie viele Termine er verschieben musste." Mein Blick geht wieder zu Mia. "Es ist ein gutes Gefühl, dass sie mich nicht allein lassen. Und dass sie es auch nicht wollen." Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater, aber ich habe es ihm auch nicht leicht gemacht. Er hat mich nie fallen lassen, wofür ich ihm wirklich dankbar bin. Jetzt ist er sogar hier. "Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass ihr euch anders kennenlernt." Liebevoll stupse ich sie mit meinem Arm an. "Und ich mag auch optimistisch sein. Ich will das endlich hinter mir lassen und mit dir in den Urlaub fliegen." Die Verhandlung gegen Steven stand erst im Herbst an. Danach können wir das Kapitel hoffentlich wirklich beenden. "Alles wird gut." Ich gebe ihr noch einen kleinen Kuss auf ihre Schläfe und dann kommen wir wieder bei den anderen an. Wir sollten wieder rein, Mr. Dupont. Dieses Mal meinte meine Anwältin mich und ich nicke leicht. Tatsächlich werde ich jetzt doch nervös. Ich gebe Mia noch einen kleinen Kuss und flüstere ihr zu, dass ich sie liebe - bevor wir uns wieder voneinander trennen müssen. Nur ein paar Minuten. Alle nehmen wieder ihre Plätze ein, alle stehen wieder auf und setzen sich dann wieder. Es ist wie vorhin. In meinem Kopf rauscht es nur noch und ich versuche den Ausführungen der Richterin zu folgen. Dann die Erleichterung. Notwehr, Freispruch. Ich bleibe noch einen Moment sitzen und atme erst einmal durch. Es ist gerade ein Gebirge von meinen Schultern gefallen. Dann fange ich mich wieder und schüttel meiner Anwältin die Hand, während ich ihr danke. Irgendwie kommt es mir gerade wuselig vor und ich gehe einfach - bis ich wieder neben den Zuschauerbänken stehe. Mein Vater legt kurz seine Hand auf meine Schulter, Lizzy umarmt mich und dann ist da Mia. Wir sehen uns an und dann schließe ich sie einfach in meine Arme. Brenda und Billy gehen einfach vorbei, doch das nehme ich gar nicht wahr. "Ich hatte solche Angst." Ich weiß. Wir flüstern nur, niemand hört uns. Nur sie und ich. Kommt. Wir müssen gehen. Ich löse mich von Mia, doch meine Hand greift direkt nach ihrer und wir folgen meinen Vater raus aus dem Gerichtsgebäude. Du bist frei! Ich bekomme wirklich Konfetti ab und Brenda ist direkt dabei. Ich muss lachen. "Ihr seid bescheuert. Beide!" Dann atme ich durch. So richtig und mein Blick geht zu Mia und ich lächle sie an - auch endlich wieder richtig.
In meinen Gedanken hallt so viel wider: Das Geräusch all der Menschen, die gleichzeitig aufgestanden sind. Die Kleidung, die Schuhe auf dem Boden, das Knarzen der Bänke. Ein Räuspern irgendwo schräg hinter uns. Die Worte der Richterin, die in meinen Gedanken immer wieder verkündet das es Notweh war. Brenda, die sich neben mir leise freut. Der Atem von Tristan als wir voreinander stehen und uns in die Augen blicken. All die Geräusche der Menschen um uns herum. Rascheln. Flüstern. Das Klimpern von Schlüsseln. Seine Stimme, die mir mitteilte was ich bereits wusste. Erst als wir Hand in Hand vor das Gerichtsgebäude treten und ein Auto hupt, atme ich einmal tief durch und bin wieder im Hier und Jetzt. Schon ist da auf einmal Konfetti und ich muss lachen. Von jetzt auf gleich fühle ich mich losgelöster, erleichteter, glücklicher. Ihr seid bescheuert. Ich blicke zu Tristan hinüber und kann nicht anders als ebenfalls zu lächeln. "Komm her." Ich wende mich ihm mehr zu und benutze meine freie Hand dazu Konfetti aus seinen Haare zu zupfen, was nicht viel bringt, weil nur noch mehr Konfetti auf ihn niederrasselt. Meine Hand hält inne, ich schließe meine Augen ganz kurz - gerade mal doppelt so lang wie ein normales Blinzeln dauert - und lache wieder leise. "Fühlst du das?", frage ich leise. Sein Blick ruht auf dem meinen und er lächelt noch immer. "Fühlt sich gut an oder?" Zum ersten Mal in den letzten Tagen und Wochen bröckelt zumindest für einen kurzen Augenblick meine Fassade und meine Angst, die nun Erleichterung gewichen ist, blitzt auf.
Auch sie hat nun Konfetti in den Haaren, doch ich sehe nur ihre Augen. Bei ihrer Frage muss ich noch mehr lächeln und nicke. "Das fühlt sich sehr gut an." Dann muss ich meine Augen schließen, denn es kommt noch einmal eine große Ladung Konfetti auf uns niedergerasselt. Haben wir jetzt nichts mehr? Wir haben nichts mehr. Ich muss wieder lachen und beginne dann, wieder lächelnd, das Konfetti aus Mias Haaren zu zupfen. Sie tut dasselbe bei mir. Vielleicht solltest du...? "Ja." Ich löse mich von ihr und senke meinen Kopf, um das meiste Konfetti aus meinen Haaren zu schütteln. Dann wird noch ein bisschen gezupft und als wir beide der Meinung sind, alles zu haben, drehe ich mich zu Lizzy und kann nur lachend meinen Kopf schütteln. "Du bist wahnsinnig." Dann drücke ich sie so fest ich kann. Jetzt kann ich es erst richtig genießen, dass sie hier ist. Sie hat mir so gefehlt. Es ist schwer ohne sie. Noch viel schwerer als ich es befürchtet hatte. "Danke." Ich mag sie gar nicht wieder loslassen, doch irgendwann räuspert mein Vater sich. Er hatte gerade telefoniert. Da möchte dich noch jemand sehen. Ich hielt es aber für besser bis nach der Verhandlung zu warten. Noch bevor in meinem Kopf sich eine Vermutung bilden kann, höre ich auf einmal meinen Namen. Wir stehen in der Nähe des Parkplatzes und aus einem Wagen ist eine ältere Frau ausgestiegen. Oh, ich kenne diese Frau sehr gut. Sie hat mich großgezogen und ich spreche nicht von meiner Mutter. Doch es war nicht ihre Stimme. Da ist auf einmal dieses fünfjährige Mädchen mit den langen blonden Locken. Mein Blick geht kurz zu meinem Vater und dann direkt wieder zu meiner Schwester. Ich gehe auf die Knie, als sie bei mir ist und drücke sie fest an mich. "Ma petite fleur. Ma belle petite fleur." Seit Lilly mich gefunden hat, beschützt mein Vater sie sehr. Was ich verstehen kann. Ich hätte es verstanden, wenn ich sie nie wieder hätte sehen dürfen. Bevor ich sie sehen darf, muss ich immer einen Drogentest machen. Ich darf nicht allein mit ihr sein. Jetzt hat er sie wirklich hergebracht. Ich küsse ihre rechte Wange, ihre linke und wieder die rechte. Tu m'as manqué. "Tu m'as manqué aussi." Ich hebe sie hoch, denn ich mag mich noch nicht von ihr lösen. "Ich möchte dir jemanden vorstellen." Sie nickt und ich drehe mich etwas mit ihr, sodass wir uns wieder zu Mia gewendet haben. "Das ist Mia. Erinnerst du dich? Ich habe dir von ihr erzählt?" Die Kleine nickt und streckt ihre Hand aus. Hallo Mia. Ich bin Lilly. Mein Blick geht kurz zu meinem Dad, der nur nickt. "Oh verdammt." Ich lasse Lilly wieder runter, um auch die Frau zu begrüßen - meine alte und Lillys jetztige Nanny. "Hallo Magda. Es tut mir so leid." Du hättest nicht gleich fluchen müssen. Sie drückt mich fest. Gut. Mehr sagt sie nicht. Sie ist rau und streng. Hat das Herz aber am rechten Fleck. Ich stelle Lilly natürlich noch Brenda und Billy vor. Oh, das sind heute wieder viele Gefühle. Wir können zum Restaurant gehen. Es sind nur ein paar Minuten. Komm her, Spatz. Lilly geht zu Lizzy und nimmt deren Hand, während meine wieder nach Mias greift. "Das fühlt sich gerade alles nicht sehr echt an, wenn ich ehrlich bin." Ich muss etwas lachen und drücke ihre Hand. Lilly hält Lizzy auf, bis sie neben uns gehen und dann fängt die kleine an zu erzählen - alles was sie in den letzten Tagen erlebt hat. Sie ist diejenige, die spricht in unserer Familie und ich lausche jedem einzelnen Wort mit vollem Interesse.
"Hallo Lilly." Ich nehme ihre kleine Hand in meine und schüttle sie sanft, während ich lächle. "Es freut mich sehr deine Bekanntschaft zu machen." Einfach alles an diesem Mädchen ist entzückend. Ihre Augen, die strahlen, weil sie sich ganz offensichtlich darüber freut ihren Bruder wiederzusehen. Ihr Lächeln. Ihre Haare - sie hat ebenfalls Locken, auch wenn sie bei ihr eher wie Löckchen aussehen. Ich verstehe auf den ersten Blick, warum Tristan so vernarrt in sie ist und es gibt gewiss noch viel bessere Gründe als diese oberflächlichen. Sie ist gewiss unglaublich lieb, auch wenn ich mir denken kann, dass sie bestimmt auch ihre frechen Momente hat - so wie es sein sollte. Natürlich begrüßt sie nicht nur mich, sondern auch die anderen, die sie noch nicht kennt. Brenda ist sofort hin und weg - das sehe ich direkt an. Doch nicht nur sie beobachtet Lilly lächelnd, während wir uns auf den Weg zum Restaurant machen, sondern auch Tristan. Mein Blick wandert immer mal wieder im Gehen von der Seite zu ihm, wenn er nicht gerade auf seine Schwester gerichtet ist, die sofort alle in ihren Bann gezogen zu haben scheint, und man sieht ihm an wie glücklich er gerade ist. Der Anblick rührt mich. Es rührt mich und macht mich selbst glücklich. Tatsächlich ist es nicht weit, so wie es sein Vater gesagt hat, und wir kommen schon nach einigen Minuten an dem Restaurant an. Es dauert einen Moment bis wir uns an dem reservierten Tisch alle verteilt und hingesetzt haben. Selbstverständlich sitzt Tristan neben seiner Schwester. Ich wollte auf der anderen Seite Platz für seinen Vater lassen, doch nun sitze ich neben ihm und sein Vater neben mir. "Danke.", flüstere ich ihm in einem Moment zu in welchem Tristan mit Lilly lacht. "Sie hätten ihn mit nichts glücklicher machen können als mit ihrem Besuch."
Ich dachte mir, dass er nach diesem Tag etwas braucht, das ihn ablenkt. Baptiste lächelt Mia an. Außerdem hat sie ihn auch sehr vermisst. Mein Blick geht von meiner Schwester in die Runde und ich kann nicht anders als zu lächeln. Nicht nur, dass mein Vater und Mia sich zu unterhalten scheinen. Diese Menschen sind alle wegen mir gerade hier. Sie sitzen hier zusammen, weil sie mir zur Seite standen. Früher habe ich so etwas wahrgenommen. Ich hätte das nicht zu schätzen gewusst, dass sich einige hier am Tisch durchs ganze Land geflogen sind, sie sich frei genommen haben - für mich. Damit ich da nicht allein durch muss. Lizzy sitzt neben Lilly und spricht gerade mit der Kleinen. Die beiden kennen sich auch schon Lillys ganzen Leben. Lizzy ist nicht nur für mich wie eine Schwester. Meine Hand findet ihren Weg zu Mias Oberschenkel und sogleich trifft ihr Blick meinen. "Ich wollte euch nicht unterbrechen." Mein Blick geht von Mia zu meinem Vater. Ich hatte ihm erst von Mia erzählt, nachdem das im Vanilla passiert ist. Danach habe ich ihm auch mehr über Mia erzählt und er wollte sie wirklich gern kennenlernen. Sicherlich nicht so. Aber wenigstens ist es entspannt und meine Mutter ist nicht dabei. Was möchten Sie trinken? Der Kellner ist da und reicht uns die Speisekarten. "Ein Wasser.", sage ich, als ich an der Reihe bin. Dann schaue ich mit Lilly in die Karte und lese ihr vor, was für Kindergerichte gibt. Erst nachdem Sie sich entschieden hat, schaue ich was ich essen kann. Ich hoffe Sie entschuldigen mir, dass ich zunächst erst einmal etwas mehr über Mia erfahren möchte. Ich grinse in die Karte. Dies hat er sicherlich zu Brenda und Billy gesagt. Tristan hat erzählt, dass du ein eigenes Café hast. Das ist großartig. Er stellt keine Frage, doch man hört ihm an, dass er mehr wissen möchte. Die Sache mit dem Café hat ihm sehr gefallen. Mia ist eine Geschäftsfrau, das findet er schon einmal gut.
"Das ist korrekt." Auch wenn er mir keine Frage gestellt hat, stimme ich ihm zu und lächle dabei freundlich. In meinen Händen halte ich die Speisekarte, doch mein Blick ist auf den Mann neben mir gerichtet und nicht auf die Auflistung etwaiger Köstlichkeiten. "Es heißt Vanilla." Es liegt in dieser belebten Straße von der mir Tristan erzählt hat. Ich lächle wieder beziehungsweise immer noch, aber nun noch etwas mehr. "Auch das ist korrekt." Eine so junge Frau besitzt ein Cafè. Interessant. "Sehr charmant, aber zum einen bin ich nicht mehr so jung und zum anderen kann sich jeder Mensch, unabhängig von ihrem oder seinem Alter, etwas aufbauen, wenn sie oder er das möchte. Man muss es nur wirklich möchten." Natürlich mit Ausnahme von minderjährigen Menschen, aber das dürfte klar sein. Ein leises Lachen folgt meinen Worten und er nickt langsam. Hast du vor dir noch mehr aufzubauen oder? Es klingt so. Die erste Frage. Kurz wandert mein Blick hinab auf meine Karte, doch dann sofort zurück zu dem Mann, der ganz offensichtlich versucht die Partnerin seines Sohnes kennenzulernen - was ich wohlgemerkt sehr liebenswert finde. Er interessiert sich für seinen Sohn und schon allein dafür finde ich ihn gut. "Das habe ich." Hat Tristan ihm vielleicht schon davon erzählt und deshalb fragt er nach? "Wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen gerne bei Gelegenheit mehr darüber." Ich zwinkere ihm zu und lehne mich dann ein Stückchen zurück, denn wie ich aus dem Augenwinkel gesehen habe, kommt die Bedienung mit unseren Getränken. Sie stellt vor mir und Tristan die bestellten Wasser ab und mir entgeht nicht, dass Baptiste, auch wenn er es wirklich nicht auffällig tut, einen Blick auf das Glas von Tristan wirft. Sehe ich da ein kleines Lächeln? Ich selbst muss lächeln und setze mich wieder richtig hin. "Weißt du schon, was du essen möchtest, Lilly?" frage ich lächelnd nach. Ich habe es nur am Rande mitbekommen, dass Tristan sich mit ihr gemeinsam die Gerichte für Kinder angeschaut hat.
Tatsächlich spüre ich mit einem Mal ein bisschen Aufregung, als mein Dad sich mit Mia unterhält. Er will sie kennenlernen. Und das Gespräch scheint auch gut zu laufen. Mia ist umwerfend - wie immer. Ich hoffe er mag sie. Ich habe nicht viele Frauen mit zu meinen Eltern gebracht. Eigentlich kann ich diese an einer Hand abzählen. Seitdem ich studiere war es auch erst eine und es hat mich eigentlich nie interessiert wie meine Eltern meine Freundinnen gefunden haben. Es war mir einfach egal. Ich wusste, dass mein Dad meine Ex nicht mochte. Er hatte es mir gesagt. Er hatte mir gesagt, dass sie nicht gut für mich ist. Doch es hat mich nicht interessiert. Jetzt möchte irgendwie, dass Mia und er sich verstehen. Mein Vater und ich sind uns in den letzten Monaten näher gekommen. Beziehungsweise habe ich mehr Nähe zugelassen. Darum ist es mir wichtig. "Es wird dir gefallen. Vielleicht gehen wir ja irgendwann mal dort einen Kaffee trinken." Nicht heute, aber vielleicht irgendwann. Das würde ich sehr gut finden. Mein Dad grinst etwas und schaut dann in seine Karte. Nun lehne ich mich etwas zurück, damit Mia sich mit Lilly unterhalten kann. Mein Vater scheint derweilen mit Billy ein Gespräch anzufangen. Nudeln mit Tomatensoße. Ich muss etwas grinsen. "Sie liebt Nudeln." Was isst du? Und du? Ihre erste Frage ging an Mia, die zweite an mich. "Ich werde das Gemüse mit dem Kartoffelauflauf essen." Mia hatte noch keine Zeit in die Karte zu sehen, doch auch sie gibt Lilly zügig ihre Antwort. Das fühlt sich irgendwie alles noch nicht real an. Brenda und Lizzy unterhalten sich sehr angeregt. Eine gefährliche Mischung - finde ich zumindest. Magda spricht mit niemanden. Sie beobachtet nur und als sich unsere Blicke treffen, hebt sie nur die Schultern und ich muss grinsen. Die Kellnerin kommt und wir bestellen unsere Speisen. Und ihr wollt also nach Paris? Natürlich hatte ich meinen Vater davon erzählt, immerhin werden wir in der Wohnung wohnen, die über seiner Firma ist. Daher lasse ich Mia die Frage bejahen. Weiß deine Großmutter davon? Ich sehe zu meinem Vater und schüttel meinen Kopf. "Nein. Ich wollte Mia Paris zeigen. Ich denke sie kann sie später kennenlernen." Magda hustet, von Lizzy kommt ein Raunen und mein Vater trinkt einen Schluck von seinem Wein. Mutig. Dann müssen wir alle lachen - also zumindest meine Familie. Ich werde sie nicht anlügen, wenn sie mich fragt. Nur damit du es weißt. Ich seufzte und nicke. "Ich rede mit ihr, okay?" Mach das mal. Das amüsiert meinen Vater zutiefst. Er muss mit dir unbedingt in das La Fleur gehen. Es ist eines der besten Restaurants der Stadt, direkt an der Seine. Man sieht den Eifelturm. Das Essen ist exzellent. Mia und ich haben bisher noch nichts geplant. Das wollten wir erst machen, wenn die Verhandlung vorbei ist. Und du zeigst ihr doch das Haus, in dem wir gewohnt haben? Eine schöne Ecke von Paris. Etwas außerhalb. Und... "Dad!" Meine Ermahnung ist spaßig gemeint, denn anscheinend war mein Vater gerade dabei unseren Urlaub zu planen. Er nickt leicht. Tristan? "Hm?" Ich habe mich gefragt, ob du nicht vielleicht doch deinen Flügel hierhaben möchtest. Ich könnte den Transport veranlassen. Ich verschlucke mich fast an meinem Wasser und sehe zu meinem Vater. Den Flügel hat er mir zu meinem Bachelor geschenkt. Er hat ihn handfertigen lassen, aus Deutschland hierher geschifft und nun steht er in meiner Wohnung in New York. Ich wollte ihn nicht hierher mitnehmen, weil ich Angst hatte, dass er beschädigt werden könnte - und ich wollte ja nach zwei Jahren wieder zurück nach New York. Ich weiß genau was die Frage meines Vaters impliziert. Doch ich muss gar nicht lange darüber nachdenken und nicke. "Ja,, das wäre toll. Ich hätte ihn gern hier." Der Blick meines Vaters geht zu Mia und dann wieder zu mir. Doch da Lilly an meinem Hemd zieht, drehe ich mich wieder zu ihr und lasse mir erzählen wie sie sich mit ihrer Freundin im Kindergarten gezankt hat.
Was? Warum? Mein Blick ist zwischen Tristan und seinem Vater hin und her gewandert, während ich ihr Gespräch verfolgt habe und so ist mir nicht entgangen, dass er scheinbar im Besitz eines Flügels ist. Hat er mir schon mal davon erzählt? Doch, doch. Ich erinnere mich. Der Flügel war auch auf Fotos von seiner Wohnung zu sehen. Dieser Flügel soll nun nach San Francisco? In seine Wohnung? Ich würde ihn gerne sofort fragen, aber er schenkt seine Aufmerksamkeit seiner Schwester. Hast du Tristan schon einmal spielen gehört? Augenblicklich formen sich meine Lippen zu einem Lächeln und meine Augen verraten ihm meine Antwort wohl schon bevor ich sie ihm mit Worten geben kann. "Bereits mehrere Male. Er spielt traumhaft." Sein Vater nickt zufrieden und sehr stolz. Ich neige meinen Kopf ein Stückchen zur Seite - ihn noch immer anlächelnd. "Vor kurzem hat er mit anderen Studierenden ein Konzert gespielt. Mehrere Stücke sowohl allein als auch gemeinsam mit einer Partnerin." Ich schnalze mit meiner Zunge. "Also wenn Sie mich fragen, war er der Beste." Wir lachen beide, denn sowohl er als auch ich wissen, dass ich bei der Beurteilung wohl nicht ganz neutral bin. "Aber ernsthaft... Tristan war umwerfend. Sie haben einen sehr talentierten Sohn." Mia? Die Stimme erkenne ich sofort, doch ich war so vertieft in das Gespräch mit dem Vater von Tristan, dass ich erst einmal am Tisch entlang schauen muss, bevor ich das Gesicht meiner Freundin finde. "Ja?" Und schon werde ich in das nächste Gespräch verwickelt.
Es ist wirklich super angenehm, wie sich alle miteinander unterhalten. Lizzy, Magda und ich diskutieren etwas sehr wichtiges aus. Tatsächlich habe ich gar keine Ahnung mehr, wie das angefangen hat. Aber wir lachen - sogar Magda. Es ist ein sehr angenehmes Miteinander. Selbst als das Essen kommt, hören die Gespräche nicht auf. Mein Vater und ich unterhalten uns über die Uni. Brenda macht ihre Scherze, Lizzy hält alle auf Trapp und Lilly bezaubert alle. Es ist wirklich ein guter Nachmittag. Wir lachen viel. Ich lache viel. Mias und meine Blicke treffen sich immer wieder und ich sehe ihr an, wie gut es ihr tut, dass es mir so gut geht. Sie war die letzten Tage sehr stark für mich. Das weiß ich. Es war nicht das erste Mal und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Ich bin ihr so unendlich dankbar. Sobald wir bei mir sind, werde ich mich um sie kümmern. Ich werde sie verwöhnen, damit auch sie die Last der letzten Tage von sich fallen lassen kann. Meine Hand liegt die meiste Zeit auf ihrem Oberschenkel - wenn ich nicht gerade esse. Meine Finger streichen immer wieder leicht über die Stelle, an der sie - mittlerweile - überlicherweise ein Mahl von mir trägt. Es hat angefangen, als ich in die Klinik gegangen bin und seitdem nicht mehr aufgehört. Ich weiß, dass das Mahl mittlerweile fast verblasst ist, da wir uns in den letzten Tagen nicht so nah gekommen sind. Es tut mir immer sehr leid, dass ich mich so abschotte, sobald mich irgendetwas belastet. Ich unterhalte mich gerade mit Mia und meinem Vater, als ich die Stimme meiner Schwester höre. Nimmt Tristan wieder Drogen, Lizzy? Sie denkt wohl, dass sie meiner Freundin die Worte zugeflüstert hat, doch das hat sie nicht. Mit einem Mal ist es still am Tisch. Mein Blick geht zu Lilly, doch die schaut sich nur irritiert um. Nein, Spatz. Wie kommst du darauf? Mir ist das Blut in meinen Adern gefroren. Er ist so gut drauf. Lizzys Blick geht zu mir. Es bricht mir das Herz, dass meine Schwester meine gute Laune damit in Zusammenhang bringt, dass ich was genommen habe. Ich weiß, dass mein Vater ihr alles erklärt hat. Ich weiß auch, dass ich anders war nach dem Entzug. Ich bin ruhiger, stiller. Ich war wirklich nicht glücklich. Nun sieht Lilly mich an und ich lächle ich sie an. "Ich bin einfach glücklich, ma petite fleur." Sie nickt und blickt drein, als hätte sie etwas falsch gemacht. "Entschuldigt mich kurz." Ich nehme meine Hand von Mias Oberschenkel und stehe dann auf. Meine Hand streicht durch Lillys Haar und dann verlasse ich das Restaurant. Ich muss mich kurz bewegen. Ist Tristan böse auf mich. Nein Spatz. Er ist niemals böse auf dich. Es ist alles gut.
"Niemand könnte jemals böse auf dich sein, Lilly.", füge ich den Worten von Lizzy noch sanft hinzu und unsere Blicke treffen sich. Ich lächle sie aufmunternd an und sie lächelt auch zurück, aber man merkt ihr an, dass sie geknickt ist. Ich verstehe warum sie gefragt hat nach allem was mir Tristan erzählt hat. Sie setzt gute Laune bei ihm mit Drogen gleich. So wie sie schlechte Laune bei ihm gewiss damit in Zusammenhang bringt das er keine Drogen genommen hat und es ihm dann schlecht geht. In der Vergangenheit war das gewiss auch das ein oder andere Mal so. Es wird noch einige Jahre brauchen bis sie all das wirklich verstehen kann und das ist vollkommen in Ordnung. "Was hältest du davon? Du isst jetzt auf und ich gehe Tristan holen, damit wir uns danach alle noch einen Nachtisch gönnen? Ist das eine gute Idee." Sie nickt und Lizzy greift das direkt auf, um sie zu einem Wettessen zu überreden und das hebt zum Glück die Stimmung der Kleinen wieder etwas. "Bitte entschuldigt mich kurz.", sage ich die Worte - noch immer lächelnd - in die Runde, während ich aufstehe. Ich orientiere mich kurz und gehe dann auf direktem Wege zum Ausgang. Kaum drücke ich die Tür auf, lasse ich auch schon meinen Blick schweifen bevor ich überhaupt ganz hinausgetreten bin. Ich entdecke Tristan sofort einige Schritte entfernt stehen - angelehnt an die Hauswand neben dem Restaurant. Ich lasse die Tür los, kaum das ich draußen bin und gehe zu ihm hinüber. Schon nach meinen ersten Schritten, bewegt er seinen Kopf in meine Richtung und ich forme meine Lippen zu einem kleinen Lächeln. Hat er mich kommen hören? Konnte er den Klang meiner Schritte mir zu ordnen? Ich stelle mich direkt vor ihn, lehne mich sachte an ihn und schaue zu ihm hinauf. "Tristan?" Ich strecke meine rechte Hand aus und streiche ihm liebevoll eine Locke zurück, die ihm in die Schläfe gefallen ist - gewiss als er runter auf den Bode gesehen hat. Er trägt sein Haar kürzer als sonst, weil er für heute ordentlich aussehen wollte. Als würde er nicht ohnehin immer perfekt aussehen. "Alles gut?"