Meine Finger streichen sanft über den Kragen seines Hemdes. Warum? Nicht, weil er nicht sitzt, denn das tut er perfekt, sondern weil ihn meine Berührungen ein bisschen beruhigen soll. Nach Außen hin merkt man ihm nicht an, dass er nervös ist, aber ich spüre es. Kann ich es verstehen? Voll und ganz. Selbst ich bin ein bisschen nervös, denn ich stelle den Mann, den ich von Herzen liebe meinen Eltern vor. Für mich ist das etwas sehr bedeutsames. Ich habe es nicht wirklich thematisiert, damit ihn das nicht nervös macht, aber es ist etwas besonderes, dass er nun mit mir hier ist. "Bereit?", flüstere ich ihm lächelnd zu. Wir stehen vor der Haustür meiner Eltern und ich halte den Schlüssel zum Aufschließen bereits in meiner Hand - natürlich in der Hand, die ihn gerade nicht berührt. "Komm. Zusammen.", flüstere ich weiter. "Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen." Kaum habe ich meine Worte ausgesprochen, machen wir es zusammen und dann lächle ich wieder. "Sie werden dich lieben. Nicht so sehr wie ich dich liebe, aber das ist halt auch einfach unmöglich." Ich zucke mit meinen Schultern und lache ganz leise. Noch ein letzter Blick in seine Augen und ich drehe mich zur Haustür, denn bisher stand ich ihm zugewandt da mit der Tür in meinem Rücken. Ich habe diese Tür bereits unzählige Male aufgeschlossen und so hakt auch heute nichts. Ich trete zuerst ein, nicht weil ich unhöflich bin, sondern weil Tristan das Haus und die Bewohner nicht kennt. "Willkom..." Ich komme gar nicht dazu auszusprechen nachdem ich zwei Schritte hineingegangen bin und er mir gefolgt ist, denn wir laufen direkt in meinen Vater hinein. Ich bleibe abrupt stehen und muss leise lachen. "Dad! Hast du hier auf uns gewartet?" Doch er antwortet mir nicht, sondern ruft. Susanne? Die Kinder sind da. Wieder muss ich leise lachen. Das habe ich natürlich nicht, Mia. Ich bin mir da nicht so sicher, trete dann aber erstmal zur Seite, damit ich Tristan nicht mehr hinter mir verberge und auch er eintreten kann. Was? Aber sie kommt nie pünktlich. Sie nicht, aber er vielleicht. "Könntet ihr bitte..." Ich schüttle amüsiert meinen Kopf und natürlich kommt meine Mutter just in der Sekunde aus der Küche in den Flur und sieht es. Bitte entschuldigt. Sie... Er... Wie unhöflich. Sie meint gewiss, dass nur Pronomen benutzt wurden und nicht unsere Namen, obwohl sie auch den von Tristan natürlich schon kennen - auch wenn sie sich noch nicht persönlich kennengelernt haben. Das holen wir jetzt nach.
Eventuell habe ich die letzten Nächte nicht so besonders gut geschlafen. Eventuell bin ich seit Tagen ein Nervenbündel, auch wenn ich versuche es zu überspielen. Allerdings kennt Mia mich so gut, dass ich das eigentlich gar nicht versuchen brauche. Eventuell habe ich mich heute mehrmals umgezogen, nur um dann doch wieder das erste Outfit anzuziehen, das auch Mia am besten gefallen hatte. Es ist ewig her, dass ich die Eltern von meiner Partnerin kennengelernt habe. Tatsächlich muss das in meinen Teenager-Jahren zuletzt gewesen sein. Die Eltern meiner Ex kannte ich schon bevor wir zusammen waren. Außerdem sind das hier nicht irgendwelche Eltern von irgendwelchen Freundinnen - das sind Mias Eltern. Die Eltern der Frau, mit der ich ein Haus gekauft habe, mit der ich zusammenziehen will, mit der ich zusammenbleiben will. Am liebsten für immer. Ich liebe sie so sehr, dass es manchmal weh tut. Schon auf dem Weg hierher hat sie mich immer wieder beruhigt, meine Hand gehalten und sie wieder losgelassen, wenn ich sie mal ausschütteln musste, damit sie nicht mehr so zittern. Heute hat sie sogar relativ schnell aufgegeben mich zum Essen zu bewegen. Ich habe nichts herunterbekommen. Tatsächlich habe ich nicht mal wirklich Angst. Mia wird mich nicht verlassen, nur weil ihre Eltern mich nicht mögen. Eigentlich freue ich mich sogar sehr darauf ihre Eltern kennenzulernen. Das ist etwas besonderes. Unsere Blicke treffen sich und ich nicke leicht, nur um dann mit ihr gemeinsam zu atmen. Das hilft. Sehr. "Ich bin bereit." Die Blumen für Mias Mutter und der Lieblingsscotch von ihrem Vater - der natürlich in einer Tüte ist - wandern von meiner rechten Hand in meine linke. Ich gehe nicht auf ihre gerade gesprochenen Worte ein, sondern beantworte die Frage von zuvor. Jetzt oder nie! Mia schließt die Tür auf und betritt zuerst das Haus. Ich folge ihr und wir laufen direkt in ihren Vater. Ich erkenne ihn von den Bildern, die ich bei Mia gesehen habe. Am liebsten würde ich mich gerade wirklich an ihr festkrallen, doch ich atme lautlos durch und bleibe ruhig. Lächeln, Tristan. Tatsächlich muss ich wirklich etwas lachen, als angemerkt wird, dass Mia nie pünktlich ist. Das stand heute gar nicht zur Debatte. Sie weiß, dass ich durchgedreht wäre, wenn wir heute zu spät gekommen wären. Das hätte sie mir niemals angetan. Mein Blick geht kurz zu Mia und wir sehen uns ganz kurz an, bevor sie mich dann ihren Eltern vorstellt.
"Tristan? Das sind meine Eltern. Susanne und Kenneth Pierce." Ich schaue erst ihn, dann meine Eltern und dann wieder ihn an. "Mom, Dad? Darf ich euch Tristan vorstellen?" Ein rein rhetorische Frage, wie man sie in solchen Moment oft stellt, denn ich bin schließlich schon dabei. Zuerst reicht meine Mom ihm ihre Hand und dann mein Dad. Es freut uns sehr dich kennen zu lernen, Tristan. Hätte ich mir vorab Gedanken darüber gemacht, ob meine Eltern ihn duzen oder siezen werden, wäre ich mir sicher gewesen, dass sie direkt die persönlichere Anrede wählen werden, also bin ich nun nicht überrascht. Ich halte noch immer die Geschenktüte für einen Vater in der Hand, weil ich diese Tristan gerade wie selbstverständlich abgenommen habe, damit sie sich begrüßen können. Es sind solche vermeintlichen Kleinigkeiten, die mir immer wieder vor Augen führen, wie gut wir harmonieren. Er musste mich nicht fragen, ob ich kurz die Tüte halten kann, weil ich sie ihm abgenommen habe. Andersherum wäre es genauso gewesen. Doch nun gebe ich sie ihm wieder nachdem er meiner Mutter den Strauß Blumen übergeben hat. Das sie sich sehr darüber freut, hat man ihr sofort angemerkt. Meine Mutter ist eine Frau, die aus ihren Gefühlen keinen Hehl macht. Man sieht ihr alles an. Sie spricht alles aus. Mein Vater hingegen ist eher ruhig, doch wenn man ihn erst einmal kennt, dann weiß man auch seine Mimik und Gestik zu deuten.
"Es freut mich auch sehr Sie kennenzulernen." Ich schüttle zuerst die Hand von Mias Mutter und dann die ihres Vaters und versuche ganz normal zu sein. Das hat Mia mir in den letzten Tagen immer wieder gesagt: Sei einfach du. "Oh, ich wollte nicht mit leeren Händen kommen..." Ich überreiche Mias Mom die Blumen, die sich sichtlich freut, was mich wiederum freut - sehr! Es sind nur Aufmerksamkeiten, weil die beiden mich in ihr Haus eingeladen haben. Ich muss mich nicht einmal zu Mia drehen, da reicht sie mir auch schon die Tüte mit dem Scotch für ihren Vater und ich schenke ihr ein kleines dankbares Lächeln, bevor ich auch dieses Mitbringsel überreiche. "Ich hoffe es ist der richtige Whisky." Natürlich habe ich Mia gefragt welche Sorte ihr Vater bevorzugt. Ich wollte nicht irgendwas kaufen. Ich hatte auch wegen Wein überlegt, doch irgendwie gefällt es mir so besser. Es ist ein bisschen amüsant. Natürlich versuche ich ihre Eltern genauer zu mustern, mitzubekommen wie sie reagieren, sich bewegen. Andersherum scheint das ebenso und so lächeln Mias Mutter und ich uns kurz zu. Kommt erst einmal rein. Tatsächlich stehen wir immer noch direkt hinter der Haustür und wir lassen Mias Eltern vorgehen. Da ist wieder eine kleine Berührung, die mich direkt beruhigt. Denn die Aufregung ist noch nicht verflogen. Heute Nacht werde ich sicher schlafen wie ein Stein.
Meine Hand berührt im Gehen die seine. Meine Finger streifen die seinen nur hauchzart und flüchtig, doch als ich zu ihm sehe, treffen sich unsere Blicke und wir lächeln uns an. Das hast du gut gemacht. versuche ich ihm mit meinem Blick zu sagen bevor meine Mutter es ist, die mich ab- und meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Seid doch so lieb und nehmt noch im Wohnzimmer Platz bis das Essen fertig ist. Mein Vater ist vorgegangen und bereits dort als wir eintreten - nur zwei, drei, vier Sekunden nach ihm. Nehmt Platz. Da ich den Raum natürlich kenne, führe ich Tristan zu dem Sofa, das ich am liebsten habe, weil man den ganzen Raum überblicken und aus dem großen Fenster schauen kann. Mein Vater nimmt auf dem großen, gepolsterten Stuhl Platz und wäre meine Mutter bereits bei uns, dann würde sie sich wohl in den Sessel setzen. Wie ich vermute, ist sie jedoch in die Küche gegangen, um die Blumen in eine Vase zu stellen. Kaum sitze ich, schlage ich auch schon die Beine übereinander und streiche den Stoff meines Kleides auf meinem Oberschenkel glatt. Ich sehe nicht zu Tristan als ich wahrnehme, dass er neben mir Platz nimmt, weil ich zu meinem Vater schaue. "Wie geht's euch? Habt ihr den Urlaub gebucht? Mom erzählte vor ein paar Tagen, dass ihr das machen wolltet." Ich beginne absichtlich das Gespräch. Zum einen soll natürlich erst einmal eines in Gang kommen. Ich kenne meinen Vater - er hätte uns auch einfach nur freundlich angeschaut und wäre damit sehr zufrieden gewesen. Zum anderen möchte ich Tristan einen Moment geben um anzukommen, zu atmen, sich umzusehen und in der Situation zurecht zu finden. Das haben wir. Mein Vater unterstreicht seine Worte mit einem Nicken, doch das war es dann auch schon. Ich rolle meine Lippen einmal übereinander, doch das kann auch nicht verhindern, dass man mein Schmunzeln sieht. "Das freut mich. Wann geht es los? Wann seid ihr wieder da?" Brenda hat mal zu mir gesagt, was noch gar nicht allzu lange her ist, dass ich früher mehr wie meine Mutter war und jetzt mehr wie mein Vater sei. Ich bin gesprächiger als er, oder? Auf jeden Fall bin ich es, wenn ich Menschen kenne. Wir fliegen in zwei Wochen. Beginnt mein Vater zu erzählen und wie von mir erhofft, bindet er Tristan nun in das Gespräch mit ein indem er ihm erstmal erzählt wohin es geht und alles.
Das Sofa ist bequem. Mit diesem Gedanken sitze ich nun neben Mia und blicke mich etwas im Raum um. Nicht zu viel, denn es soll nicht so wirken, dass ich abwesend bin. Ich bekomme sehr wohl mit, was Mia ihren Vater fragt und was dieser antwortet. Doch ich war noch nie hier und daher ist es sicher in Ordnung, dass mein Blick zweimal durch den Raum geht, bevor er zwischen Mia und ihrem Vater wechselt - je nachdem wer gerade spricht. Ich sitze wahrscheinlich etwas zu aufrecht und etwas zu steif auf dem Sofa. Doch ich denke, dass mir das verziehen wird. Ob ihre Eltern auch etwas nervös sind? Allerdings sind sie auch in ihrem Zuhause. Den Gedanken kann ich gar nicht weiter verfolgen, denn Mias Vater schaut nun mich an und erzählt wo es hingeht. Wenn auch sehr kurz und knapp, aber tatsächlich bekomme ich alle relevanten Informationen. "Also eine Mischung aus Erkundung und Entspannung? Das klingt sehr gut." Ich nicke leicht um meine Worte noch zu unterstreichen, denn es klingt tatsächlich sehr spannend, was ihr Vater mir erzählt. Sie haben wohl schon ein paar Ausflüge geplant und den Beschreibungen lausche ich. Mia hakt an der einen oder anderen Stelle mal nach. Ihr Vater geht weiter drauf ein und ich kann dann etwas dazu sagen. Tatsächlich merke ich, dass die Anspannung etwas weniger wird, denn das Gespräch läuft, wirkt überhaupt nicht gezwungen und wir drei unterhalten uns einfach. Worüber sprecht ihr? Mias Mutter ist wieder ins Wohnzimmer gekommen und mein Blick geht zu der Frau, deren Blicke zwischen uns drei wandert. Über euren Urlaub. Dad hat erzählt, was ihr geplant habt. "Es klingt nach einem sehr guten Urlaub!", ergänze ich. Einbringen! Ich neige gern dazu eher zuzuhören, wenn ich irgendwo fremd bin. Doch ich möchte heute wirklich etwas offener sein und hatte mit meinem Psychiater sogar ein bisschen geübt. Bisher klappt es doch ganz gut.
Meine Mutter nimmt in dem Sessel Platz und so kommt es, dass wir alle auf unseren Lieblingsplätzen sitzen - außer Tristan. Er hatte noch keine Zeit dazu sich Gedanken über die Sitzgelegenheiten zu machen. Was denkst du überhaupt darüber nach? Ich verdrehe innerlich die Augen und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Mutter, die Tristan sehr freundlich noch mehr über die Urlaubspläne meiner Eltern erzählt. Ich bin so froh darüber, und auch dankbar dafür, dass meine Eltern solch eine warme, freundliche Art haben und mit Tristan sofort so reden als würden sie sich bereits seit langer Zeit kennen und als hätten sie ihn schon ins Herz geschlossen. Ich hoffe, dass ich auch so auf andere Menschen wirke. Früher habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, aber irgendwann wurde alles anders. Aber genug von uns. Ihr wart zusammen in Frankreich? Natürlich weiß meine Mutter das wir dort fragen. Wieder so eine Frage, die eigentlich nur das Gespräch im Gange halten soll. Du hast dort Familie, richtig? Da meine Mutter Tristan anlächelt und ihre Fragen ganz offensichtlich an ihn richtet, bleibe ich still. Zumindest meine Lippen bewegen sich nicht, dafür jedoch meine Hand. Ich bette sie behutsam auf dem Schulterblatt von Tristan, um ihn zu berühren - sowohl für ihn als auch für mich. Da er sich nicht anlehnt, sondern sehr gerade sitzt, kann ich ein kleines bisschen meine Finger über sein Hemd streicheln lassen. "Genau. Erst in Paris und dann waren wir noch seine Großmutter besuchen.", sage ich kurz und mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich möchte mich natürlich ein wenig zurückhalten und meinen Eltern und Tristan die Möglichkeit geben sich kennenzulernen, aber ich möchte ihn auch nicht alleine lassen beziehungsweise ihm das Gefühl geben, dass er das Gespräch alleine bestreiten muss. Es fühlt sich für ihn hoffentlich so natürlich an, wie für mich - also das Gespräch.
Mias Berührung beruhigt in der zweiten Sekunden. In der ersten Sekunde ist da dieser Gedanke: Wir können uns doch nicht vor deinen Eltern berühren! Doch natürlich sind wir keine Teenager mehr. Ich habe sie auch berührt, als sie meinen Vater oder meine Großmutter kennengelernt hat. Es ist ganz normal. Daher lasse ich mich lieber davon beruhigen. "Meine Großmutter ist vor ein paar Jahren wieder zurück nach Frankreich gezogen. Mein Vater ist schon in den USA gebohren, aber meine Großeltern haben erst ihn und er dann seine Kinder dazu erzogen ihre Wurzeln nicht zu vergessen." Ich muss etwas schmunzeln. "Wir haben dort oft Urlaub gemacht und ich versuche mindestens einmal im Jahr dort zu sein. Ich wollte Mia Frankreich gern zeigen und da sie eh gern mal nach Paris wollte..." Mein Blick geht kurz zu Mia und dann wieder zu ihrer Mutter. "Es war wirklich schön und es tat gut einfach mal zwei Wochen aus dem Alltag rauszukommen - weit weg von allem." Natürlich tat das vor allem Mia gut, doch das betone ich nicht. Ihre Eltern werden das sicherlich selbst wissen. "Und ich glaube, dass ich zukünftig nicht mehr alleine dorthin reisen werde." Mia hat es sehr geliebt in Frankreich. "Außerdem ist Mias Französisch sehr gut geworden." Wissen ihre Eltern, dass sie die Sprache lernt?
Jedes Mal, wenn ich sie darum bitte ein paar französische Worte zu sprechen, verstehe ich zwar kein Wort, aber es klingt wunderschön. erzählte meine Mutter voller Begeisterung und begleitet von einem warmen Lachen. Spanisch wäre kein Problem, aber Französisch verstehe ich leider nicht. "Wenn du findest, dass diese Sprache aus meinem Mund wunderschön klingt, musst du mal Tristan oder seine Familie sprechen hören." Nun lache auch ich, wenn auch leise. Der Blick meiner Mutter wandert zu Tristan, doch sie bittet ihn nicht darum. Vermutlich möchte sie nicht zu aufdringlich sein. Doch auch ihm scheint ihr Blick nicht zu entgehen und als er von sich aus ein, zwei Sätze spricht, wird das Lächeln auf den Lippen meiner Mutter noch deutlicher. Es klingt wirklich sehr schön! Nachdem wir uns noch einen Moment über Sprachen ausgetauscht haben und meine Mutter Tristan erzählt hat warum sie Spanisch sprechen kann - sie hat es in der Schule gelernt - bitte uns meine Mutter irgendwann alle ins Esszimmer und wir folgen ihrer Einladung natürlich nur allzu gerne. Ich bemerke auf den ersten Blick, wie viel Mühe sie sich beim arrangieren des Tisches gegeben hat und kann nicht anders als zu lächeln. Wiederum mein Vater bemerkt, dass Tristan mir den Stuhl zurecht rückt und wartet bis ich mich gesetzt habe. Er sagt es nicht, aber mir ist sein Blick nicht entgangen. Ich helfe deiner Mutter mit den Tellern. "Warum darfst du ihr helfen und ich nicht?" Das hatte mir meine Mutter nämlich gerade recht resolut untersagt. Weil ihr Gäste seid. "Dafür, dass ich hier ein Gast bin, habe ich hganz schön lange in dem Haus gelebt.", flüstere ich leise lachend Tristan zu, der sich neben auf den Stuhl zu meiner rechten Seite gesetzt hat. Ich musterer lächelnd sein Gesicht. "Wie geht's dir? Alles gut? Du machst das auf jeden Fall sehr gut.", flüstere ich weiter. Aber natürlich! Deshalb wollte meine Mutter, dass ich ihr nicht helfe und deshalb ist mein Vater in die Küche gegangen - sie wollten uns gewiss kurz Zeit für uns geben. Das würde ihnen sehr ähnlich sehen.
Tatsächlich bin ich erleichtert, als Mias Mutter ablehnt sich von ihrer Tochter helfen zu lassen. Wahrscheinlich hätten ihr Vater und ich uns angeschwiegen. Aber vielleicht wäre das auch gar nicht so unangenehm gewesen? Vielleicht finde ich das irgendwann noch raus. Mia und ich sitzen nun am Tisch, während ihr Vater das Esszimmer verlässt um zu helfen. Meine Hand legt sich auf Mias Oberschenkel und ich lächle sie an. "Alles gut. Mein Kopf dreht durch, aber es ist im Rahmen. Deine Eltern sind sehr nett." Das macht es gut. Ihre Eltern bemühen sich und das erleichtert es mir mich zu bemühen. Natürlich ist es irgendwie ein bisschen steif - ohne dass es negativ ist. Wir kennen uns nicht, doch wir wissen, dass wir uns kennen werden. Mia ist ihre Tochter, ich bin ihr Partner. Ich werde sicherlich nicht das letzte Mal hier gewesen sein. Es ist eigentlich eine total seltsame Situation. "Und das Haus ist toll. Es ist schön und gemütlich und vor allem einladend." Ich konnte dies noch gar nicht so richtig genießen. Sanft streiche ich mit meiner Hand über ihren Oberschenkel und lächle sie an. "Ich gebe hier alles." Da das mehr ein Scherz war, lache ich leise. Ich mache das, was sie mir empfohlen hat - ich selbst sein. Mias Mutter kommt als erstes zurück und wir bekommen auch unsere Teller zuerst. "Das sieht wirklich gut aus. Vielen Dank!" Es riecht auch unglaublich gut. Meine Hand habe ich natürlich wieder von Mias Oberschenkel genommen. Doch jetzt brauche ich die Hand eh zum Essen.
Es gibt auch noch Nachtisch. Ich sage es lieber bevor ihr nachher keinen Hunger mehr habt. Obwohl wir schon einige Bissen gegessen haben, sehen unsere Teller noch recht voll aus. Natürlich entgeht meiner Mutter nicht, dass ich erst meinen Teller, dann sie und dann wieder meinen Teller angesehen habe. Ich habe bereits Dosen herausgestellt, um euch etwas einzupacken. Nun mutetet mein Blick ganz sicher amüsiert an. "Danke dir." Auch wenn ich amüsiert dreinblicke sind meine Worte liebevoll gemeint. "Wir nehmen gerne etwas mit. Es ist köstlich." Ja? Ich habe mich zum ersten Mal daran versucht. Meine Mutter wollte unbedingt etwas kochen, dass Tristan ganz sicher mag und hat vorab keine Ruhe gegeben bevor ich ihr nicht eine Liste von Gerichten genannt hatte. "Es ist dir super gelungen. Danke, dass du dir solche Mühe gegeben hast." Sie winkt ab, aber ich sehe ihr Lächeln als sie ihren Blick senkt, um auf ihren Teller zu schauen, während sie ihre Gabel mit noch einem Bissen befüllt. Es freut mich sehr, dass ihr nach Lächeln zumute ist. Mir ist nicht entgangen, dass auch meine Eltern ein wenig aufgeregt waren und sind - ganz besonders mein Vater. Ich kann es ihm nicht verdenken. Ich kann es ihnen beiden nicht verdenken. Aber sie scheinen sich wohl in der Gesellschaft von Tristan zu fühlen, denn von ihrer Aufregung ist nichts mehr zu spüren. Wie sollte es auch anders sein? Tristan ist ein wundervoller Mensch.
Habe ich bei Nachtisch kurz aufgeblickt? Allerdings sprechen Mia und ihre Mutter miteinander und so entgeht ihnen das Leuchten in meinen Augen. Ich steh echt auf Nachtisch und ohne Mia würde ich mich wohl Hauptsächlich von Dingen ernähren, die andere als Nachtisch bezeichnen. "Vielen Dank. Es ist wirklich sehr lecker." Dieses Gericht gehört mit zu meinen liebsten überhaupt und ich bin mir sehr sicher, dass dies kein Zufall ist. Was mich sehr berührt. Wirklich. Es bedeutet mir etwas, dass Mias Mutter eines meiner liebsten Gerichte heute gekocht hat. Und wir bekommen sogar die Reste mit. Tatsächlich muss ich mich etwas zusammenreißen nicht zu schnell zu essen. Ich habe wirklich Hunger und das merke ich jetzt, als ich wieder fähig bin etwas zu essen. Ich bin trotzdem als erster fertig. Allerdings wird ihr Vater auch gleich aufgegessen haben. Möchtest du noch etwas, Tristan? "Nein, danke. Es war wirklich sehr lecker. Aber ich brauche noch Platz für den Nachtisch!" Ich bin wirklich gut gesättigt. Wahrscheinlich hätte auch etwas weniger auf dem Teller es getan. "Sie haben ein tolles Haus. Wirklich. Es wirkt total einladend und... belebt?!" Ich muss etwas lachen. "Ich hoffe sie wissen was ich meine." Das sage ich tatsächlich nicht nur um die Stille zu durchbrechen, die beim Essen entstanden ist. Sie war nicht unangenehm. Ganz im Gegenteil. Wir haben eben gut gegessen. Ich sage das auch nicht um mich einzuschleimen. Ich empfinde das wirklich so. Tatsächlich lehne ich mich jetzt auch etwas zurück und trinke einen Schluck von meinem Wasser. Ich spüre wirklich etwas Entspannung. Vielleicht weil ich mich wirklich willkommen fühle? Ich hätte es verstanden, wenn Mias Eltern sehr vorsichtig gewesen wären. Doch das sind sie überhaupt nicht. Zumindest nicht offensichtlich. Sie sind mir offen gegenüber und sehr nett. Ich fühle mich wohl - von Sekunde zu Sekunde mehr.
Wie wäre es, wenn du ihm das ganze Haus zeigst, Mia? Ich blicke von meinem Teller auf und hin zu meiner Mutter. "Natürlich. Gerne." Gut. Wenn ihr wiederkommt, steht dann schon der Nachtisch bereit. Es freut mich sehr zu sehen, dass meine Mutter lächelt. Das hat sie die ganze Zeit getan, aber es wirkt auf mich mehr und mehr erleichtert. Jemandem, der sie nicht so gut kennt, wird kein Unterschied auffallen, aber ich kenne sie nun mal sehr gut. Sie hat sich sehr viel Mühe mit dem heutigen Essen gegeben. Sie wollte etwas besonderes für Tristan machen und ich bin mir recht sicher, dass sie das tun wollte, weil ich ihr gesagt habe, dass er etwas besonderes ist - für mich. Sie scheint nun mehr und mehr selbst zu merken, dass es stimmt. Dass Tristan ein wundervoller Mensch ist. Selbstverständlich kann man das nicht ausschließlich nach ein paar Stunden gemeinsamer Zeit festmachen, aber man kann einen ersten Eindruck gewinnen. Mir ist entgangen, dass meine Eltern uns hin und wieder beobachtet haben, wenn wir miteinander gesprochen haben und zur Kenntnis genommen haben, wie wir miteinander umgehen und vor allem, weil das für sie interessant ist, wie er mit mir umgeht. Auch die Blicke, die sie hin und wieder ausgetauscht haben, sind mir aufgefallen. Sie wünschen sich jemand besonderes für mich, das weiß ich. Das wünschen sich alle Eltern für ihre Kinder, oder? Jemanden, der das eigene Kind gut behandelt. Jemanden, das die eigene Tochter liebt. Und obwohl es nicht mehr als ein erster Eindruck ist, kann man eines ganz gewiss sagen - man sieht, dass wir einander lieben. Ich lege zufrieden mein Besteck weg nachdem ich aufgegessen habe und lehne mich kurz zurück. "Das war köstlich, Mom. Vielen lieben Dank, dass du dir solch eine Mühe für uns gemacht hast." Das war doch keine Mühe. wiegelt sie lächelnd ab und ich tausche einen wissenden Blick mit meinem Vater - beide dabei ebenfalls lächelnd. "Komm." Sag ich dann zu Tristan. "Ich zeige dir mein Zimmer." Ich muss lachen. "Diesen Satz habe ich wirklich lange nicht gesagt."
Mein Blick geht kurz zu Mia und ich nicke leicht. "Danke." Es ist nicht selbstverständlich, dass man jemanden sein Heim zeigt - oder zeigen lässt - den man nicht kennt. Natürlich haben wir uns in den letzten Stunden etwas kennengelernt, doch von Kennen ist das noch etwas entfernt. Aber das wird kommen. Es läuft gut, oder? Das muss ich gleich einmal Mia fragen, wenn wir allein sind. Worauf ich mich auch freue. Dann kann ich einmal durchatmen. Ich entspanne mich zwar immer mehr und mehr, doch es ist weit weg von entspannt. Aber das bringt sie Situation mit sich. Das sind ihre Eltern, ihre Familie. Ich möchte ich selbst sein und mich von meiner besten Seite zeigen. Mias Vater und ich sprechen kurz darüber, dass ich Fußball spiele, auch wenn er nicht viel mit diesem Sport anfangen kann. Ich versichere ihm, dass das nicht schlimm ist. Den meisten Amerikanern geht das so. Fußball ist nicht ihr Sport. Trotzdem fragt er hier und da interessiert nach, bis Mia aufgegessen hat. Ich stehe auf und stimme in ihr Lachen mit ein. "Ich bin sehr gespannt auf dein Zimmer." Aber lasst die Tür einen Spalt offen! Wieder muss ich lachen. Als wüsste es Mia... nein, sie weiß es ganz sicher, bleiben wir kurz stehen, nachdem wir den Raum verlassen haben und ich atme tief und hörbar durch. Ich spüre, dass meine Schultern leicht schmerzen, jetzt wo ich sie entspanne. Doch ich lächle Mia an. Es geht mir gut. Es ist einfach eine aufregende Situation. "Dann führe mich mal herum."