Es ist nur ein leises Klimpern, welches mein Schlüssel erzeugt als ich ihn auf dem Holz des Esstisches ablege, doch es ist in meiner gesamten Wohnung zu hören, weil es so leise ist. Gesamte Wohnung? Diese besteht aus einem einzigen großen Wohnbereich. Es gibt nur ein weiteres Zimmer und das ist das Badezimmer. Da die Tür dazu aufstand und immer noch steht als wir meine Wohnung betreten haben, bedarf es wohl keiner Führung und er weiß auch so wo es ist. Es ist wirklich still. Die Fenster sind geschlossen. Es tickt nicht einmal irgendwo eine Uhr. Und weder Tristan noch ich haben bisher ein Wort gesprochen. Das haben wir auch schon auf dem zweiminütigen Weg nicht. Doch das soll nicht so bleiben. Ich habe ihn nicht mit zu mir genommen, damit wir hier gemeinsam still sein können. "Wenn du magst, setz dich. Couch..." Ich deute darauf. "Stühle..." Ich deute auch auf diese. "Sessel... oder..." Ich habe auf den Sessel gedeutet und wollte gerade noch das Bett erwähnen, doch ich entscheide mich kurzentschlossen um. Das könnte nun wirklich komisch anmuten, auch wenn ich mir nichts dabei gedacht habe. Ich lasse meine Hand wieder sinken und lege meine Tasche dann neben meinen Schlüssel auf den Tisch. Ich schaue auf diese hinab, rolle meine Lippen übereinander und versuche einen Anfang für das zu finden, was ich ihm sagen möchte. Ich hätte es ihm auch auf der Straße sagen können. Ich hätte ihm dort auf all seine Worte antworten können, doch das hat mir widerstrebt. Man redet über so etwas nicht in der Öffentlichkeit. Ich tue das zumindest nicht! "Möchtest du etwas trinken?" Ich drehe mich in seine Richtung und schaue ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Wasser? Zitronenwasser? Kaffee?"
Wir haben kein Wort miteinander gesprochen, nachdem ich meine Sachen geholt habe und wieder zu ihr gegangen bin. Wir sind auch nicht sehr lange zu ihr gegangen. Vielleicht zwei Minuten, drei? Ich habe nicht darauf geachtet, es ist eher ein Gefühl. Sie hat vor einem Haus Halt gemacht, ihren Schlüssel herausgeholt und aufgeschlossen. Nun stehen wir in ihrer Wohnung. Bezeihungsweise ich stehe und sie bewegt sich durch das große Zimmer, um ihren Schlüssel und ihre Tasche abzulegen. Mein Blick wandert durch den hellen Raum und ich schaue mir flüchtig an wie sie wohnt. Wieso flüchtig? Weil ich nicht aufdringlich sein will, denn mir ist bewusst, dass das Zuhause etwas sehr persönliches ist. Sie hat mich mit hierher genommen - damit habe ich tatsächlich nicht gerechnet. Doch nun stehe ich hier und nicke bei ihren Worten. Ich gehe zunächst zu dem Esstisch, doch nur um meine Tasche auf diesem abzulegen. Dann entscheide ich mich für die Couch. Sie hatte mir mehrere Möglichkeiten gegeben wo ich mich hinsetzen kann, doch ich habe gar nicht groß darüber nachgedacht und mich einfach auf die Couch gesetzt. Ganz leicht streicht meine Hand über das braune Leder, dass trotz der warmen Temperaturen draußen kalt ist. "Zitronenwasser klingt gut." Tatsächlich fühlt sich mein Mund etwas trocken, was allerdings nicht daran liegt, dass ich Durst habe. Ich kann die Situation gerade nur sehr schlecht einschätzen und das macht mich etwas nervös. Ich kann meine Gefühle nur bedingt gut verstecken und wahrscheinlich hat sie meine Unsicherheit schon bemerkt, denn immerhin weiche ich ihrem Blick doch immer mal wieder aus. Das habe ich sonst nicht getan und mir ist bewusst, dass ich das auch jetzt nicht tun sollte. Wieso? Sie wird mir nichts tun. Doch ich weiß immer noch nicht wieso ich hier bin, wieso ich auf ihrer Couch setze und sie beobachte, während sie etwas zum Trinken holt.
"Bitte." sage ich schlicht, aber während ich ihm das Glas hinhalte und darauf warte, dass er es mir abnimmt, schmunzel ich ein wenig. Ist er unsicher? Aber warum? Hat er Angst, dass ich ihm etwas tue? Ich bin es nicht gewohnt, dass er mir nicht in die Augen blickt. Sonst tut er das eigentlich immer und dessen bin ich mir sehr sicher, denn ich fand das bisher sehr sexy. Er ist jung beziehungsweise einige Jahre jünger als ich, aber wenn er mich angeschaut hat, wie er mich angeschaut hat, hätte man aufgrund der Sicherheit, der Entschlossenheit mit der er mir in die Augen blickte nie vermutet. Also was ist los? Ich gehe ein, zwei Schritte nachdem er mir das Glas abgenommen hat und greife nach einem der Stühle vom Esstisch. Sie sind alle weiß, aber unterschiedlich. Ich ziehe ihn hervor, drehe ihn und positioniere ihn auf diese Weise so, dass ich ihm gegenüber sitze. Nicht nah genug, dass wir uns berühren, aber nah genug das wir es könnten, wenn wir uns ein kleines bisschen strecken würden. Ich setze mich, schrage meine Beine übereinander und trinke dann einen Schluck aus meinem eigenen Glas. "Danke, dass du mitgekommen bist." Es braucht nur ein bisschen Bewegung meinerseits, nur ein sachtes nach vorne beugen und ich kann mein Glas auf dem Tisch abstellen. "Ich mag es nicht besonders private Dinge in der Öffentlichkeit zu besprechen." Aus Gründen! Ich erkläre diese Gründe jetzt nicht, aber sie sind da. "Also du meintest, dass du am Wochenende Sachen falsch gedeutet hast. Ich bin mir nicht ganz sicher, was du falsch gedeutet haben könntest, aber wir haben den Abend auf jeden Fall unterschiedlich gedeutet." Ich lache leise, aber es ist kein vergnügtes Lachen. "Was dachtest du denn, was als nächstes passieren wird, hm?"
"Danke dir." Ich trinke einen Schluck aus dem Glas und behalte es in der Hand. Ich habe mich nicht zurückgelehnt, sondern sitze aufrecht auf der Couch und sehe sie an. Sie nimmt sich einen der Stühle und setzt sich mir gegenüber. Kurz überlege ich, ob sie sich bewusst nicht neben mich setzt. Sie will nicht zu viel Nähe aufbauen. Obwohl sie dafür eigentlich nicht weit genug wegsitzt. Ich sollte wirklich aufhören darüber nachzudenken. Sie wiederholt noch einmal, dass sie solche Gespräche nicht gern in der Öffentlichkeit führt und ich nicke leicht. Ich bin nicht mehr wütend. Als sie beginnt mit mir zu sprechen, halte ich den Augenkontakt wieder. Es ist nicht so, dass ich mich viel sicherer fühle, doch ihre Augen nehmen mich wieder einmal gefangen. "Wird nicht wieder vorkommen. Entschuldige bitte." Ich wollte sie nicht bloßstellen und mir ist auch bewusst, dass es sicherlich seltsam gewirkt haben muss, dass sie mit dem Neuen auf der spricht. Immerhin hatte ich auch Donna etwas anderes erzählt, damit sich diese nicht wundert wieso ich ihrer Chefin hinterlaufe. Ganz leicht bewege ich die Hand, in der ich das Glas festhalte. Ich halte es am oberen Rand mit meinen Fingerspitzen fest und sehe sie weiterhin an. Sie bestätigt noch einmal, dass wir den Abend wohl unterschiedlich gedeutet haben und ich nicke nur leicht, um ihr zuzustimmen. Ihr Lachen gefällt mir nicht, doch ich sage nichts dazu. Viel mehr denke ich über ihre Frage nach. Leicht runzel ich meine Stirn während ich das tue, sehe sie aber weiterhin. "Ganz ehrlich? Keine Ahnung." Nun stelle ich das Glas doch auf dem Tisch vor der Couch ab. "Ich hatte gehofft, dass du bleibst." Ganz leicht neige ich meinen Kopf etwas zur Seite. "Ich fand den Abend und die Nacht sehr schön und hatte gehofft, dass es noch länger geht. Das wolltest du anscheinend nicht." Ganz leicht zucke ich mit meinen Schultern. "Ehrlich gesagt habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, was als nächstes passiert. Aber ich habe mich nicht unbewusst dazu entschlossen heute in dein Café zu gehen. Im Nachhinein war es vielleicht ein bisschen dumm, denn dein Verhalten hat mich wirklich sehr verwirrt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass du es für eine gute Idee gehalten hast, dass ins Café gekommen bin."
Vielleicht haben wir den Abend doch nicht so unterschiedlich gedeutet? "Ich fand den Abend und die Nacht auch sehr schön." Wie konnte er nur denken, dass dem nicht so gewesen sein könnte? Weil ich gegangen bin? "Tristan. Ich bin nur gegangen, weil es der richtge Zeitpunkt war. Natürlich hätte ich bleiben können, aber was dann? Wir hätten uns weiter geküsst, hätten vielleicht miteinander geschlafen, wären irgendwann schlafen gegangen, ich hätte mich im Hellen aus deiner Wohnung stehlen müssen und wäre Gefahr gelaufen von irgendjemand gesehen zu werden." Ich sehe ihn verständnislos an. "Tristan! Ich lebe hier. Schon mein ganzes Leben. Man kennt mich. Ich bestreite mit meinem Cafè meinen Lebensunterhalt. Ich will nicht, dass irgendjemand denkt ich verführe den jungen Studenten, der gerade frisch hergezogen ist. Ich will nicht, dass jemand sieht, wie ich mich in den Sachen vom Vorabend und mit zerzausten Haaren aus deiner Wohnung schleiche. Entschuldige." Ich schnalze mit meiner Zunge. "Aber das bin nicht ich. Das ist nicht das Bild, welches ich selbst von mir habe und das andere von mir haben sollen." Ich lache von neuem freudlos und schüttle nur meinen Kopf. "Als du heute im Cafè warst als ich kam, habe ich mich gefreut. Ich wollte nicht direkt zu dir gehen aus exakt denselben Gründen, die ich dir gerade schon dafür genannt habe, warum ich im Dunkeln aus deiner Wohnung bin und nicht im Hellen. Wäre ich noch zu dir an den Tisch gekommen? Ja. Natürlich wäre ich das." Für einen kurzen Moment wende ich meinen Blick von ihm ab und sehe in die Richtung meiner Fenster. Das Licht von draußen scheint hell durch das Glas und lässt die vielen weißen Elemente meiner Wohnung strahlen. Genauso hatte ich es mir vorgestellt bevor ich mich an die Einrichtung gemacht habe. "Ist jetzt aber auch nicht weiter wichtig." Ich zucke resignierend die Schultern und blicke wieder zu ihm. "Alles was vielleicht hätte sein können, wird nicht mehr passieren." Als er mich fragend ansieht, blicke ich ihn mehr oder wohl eher weniger amüsiert an. "Du bist mit Donna verabredet. Ihr geht heute Abend aus. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass es jetzt noch zu irgendetwas zwischen uns kommt oder?"
Ich muss zugeben, dass ich das so nie gesehen habe. Dass sie deswegen gegangen ist. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was jemand über mich sagen würde. Aber ich bin auch nicht so aufgewachsen wie hier. Es gab keine nachbarschaftliche Nähe in meiner Nachbarschaft und ich musste nicht darauf achten, dass man irgendwie über mich reden würde. Klar gab es Regeln, an die ich mich halten musste, damit bestimmte Dinge nicht auf meinen Vater zurückfallen - doch das war für mich nie ein Problem. Ich habe meinen Eltern nur geringfügig Probleme bereitet und nie einen großen Skandal verursacht - danach stand mir gar nicht der Sinn. Doch ich konnte jetzt auf jeden Fall etwas besser verstehen, wieso sie in der Nacht gegangen ist. Trotzdem hätte ich es schöner gefunden, wenn sie geblieben wäre - so ehrlich muss ich zu mir sein. Als ich ihr das gerade sagen will und auch, dass ich ihr gern andere Klamotten und einen Kamm gegeben hätte, spricht sie aber weiter und ich möchte sie nicht unterbrechen. Sie schaut weg und ich sehe ihr Profil und spüre wie mein Atem sich minimal beschleunigt. Sie ist wunderschön und ich könnte auch einfach hier sitzen und sie ansehen. Dann sieht sie aber wieder zu mir und ihre Worte versetzen mir einen kleinen Stich. Wieso wird das nicht mehr passieren? Was ist passiert im Café oder war es, weil ich eine Grenze überschritten habe, als ich erst in ihr Büro und dann hinter ihr her bin? Doch ihre Begründung ist eine, mit der ich nicht gerechnet hatte. "Bitte was?" Ich hätte so einiges zu Worten sagen können - zu allen. Doch gerade habe ich nur noch ihre letzten Worte im Kopf. Du bist mit Donna verabredet. Ihr geht heute Abend aus. "Ich gehe nicht mit Donna aus." Nun ist es Mia, die mich irritiert ansieht. "Sie meinte, dass sie sich heute Abend mit Freunden in einer Bar trifft und gefragt ob ich mitkommen möchte." Leicht zucke ich mit meinen Schultern. "Ich kenne hier so gut wie niemanden und fand es sehr nett, dass sie mich gefragt hat. Ich habe das nicht als ausgehen verstanden." Ich überlege wie Donnas genaue Worte waren, doch ich kann mich nicht zu 100% daran erinnern. Doch ich weiß, dass nie die Rede davon war, dass ich mit ihr ausgehe. "Das würde ich nicht tun, Mia. Es drei Tage her, dass du mitten in der Nacht in meiner Wohnung warst und wir uns geküsst haben. Da gehe ich doch nicht mit deiner Angestellten aus. Das wäre mehr als unangemessen." Hatte sie deswegen so reagiert? Weil sie dachte, dass ich mit Donna ausgehe? "Warst du deswegen so komisch zu mir?" Ich beuge mich etwas weiter und stütze mich auf meinen Knien ab. "Ich habe nicht vor mit Donna auszugehen. Weder heute noch in Zukunft." Das wollte er nochmal klarstellen.
Wieder wende ich meinen Blick ab und schaue in die Richtung der Fenster, während in meinem Kopf meine Gedanken wild herumkreisen. Vielleicht wäre es nicht bei dieser einen Nacht geblieben. Vielleicht hätte man sich des Öfteren getroffen, hätte gemerkt, dass da mehr ist als dieses Knistern. Vielleicht hätte man sich immer mal wieder in der Öffentlichkeit blicken lassen. Man hätte im Cafè miteinander geredet, sodass es alle hätten sehen können. Vielleicht wäre man mal etwas essen gegangen, sodass es alle hätten sehen können. Vielleicht wäre man feiern gegangen, so wie letztes Wochenende. Man hätte sich kennengelernt und die Menschen in ihrer Nachbarschaft hätten sich irgendwie an ihrer beider Anblick zusammen gewöhnt, sodass es irgendwann ganz normal gewesen wäre, dass die beiden nicht nur Menschen sind, die hier zufällig in derselben Gegend wohnen, sondern dass sie zusammen sind. Vielleicht hätte dann niemand gedacht, dass es komisch wäre und das wäre es auch nicht gewesen. Es sind extrem viele vielleicht und es ist nur ein einziges mögliches Szenario von unendlich vielen, die eigentlich alle auf dem einen Grundgedanken aufbauen, dass es überhaupt komisch ist, wenn eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann zusammen ist. So engstirnig bin ich eigentlich nicht. Eigentlich denke ich nicht in solchen Kategorien. Ist es mir wichtig, was andere über mich denken? Ja, wenn es Einfluss auf mein Cafè nehmen könnte. Ansonsten? Nein, eigentlich nicht. Mir hat es gefallen mit ihm im Café zu reden. Mir hat es gefallen im Grunge mit ihm zu tanzen. Es hat mir gefallen ihn zu küssen. Mein Blick wandert wieder zurück zu ihm. Er gefällt mir. Natürlich. Ich hätte sonst vor fünf Jahren nicht mit ihm geschlafen und ich hätte mich in den letzten Tagen auch sonst nicht mit ihm umgeben. Er strahlt, abgesehen von heute, eine gewisse Selbstsicherheit aus. Er weiß sich zu geben. Er weiß sich zu unterhalten. Er wollte mich küssen und hat es gemacht - dabei aber sehr darauf achtend, was ich wollte. Er weiß also was er will. So etwas wirkt anziehend. Die Art und Weise, dieses leise "Es tut mir leid." bevor er mich geküsst hat. Ich habe keine Ahnung, wie ich das benennen soll, aber es wirkt sexy. Meine Gedanken wirbeln umher und vermischen sich von Neuem mit Erinnerungsfetzen an diese eine Nacht vor fünf Jahren. "Ich habe keine Ahnung." Es ist keine Antwort auf die Worte, die er mir gerade gesagt hat, aber es ist das was mir gerade als Antwort in den Sinn gekommen ist. Vielleicht mache ich mir einfach zu viele Gedanken. Vielleicht interpretiere ich in alles viel zu viel hinein. Es ist nur ein Knistern. Es waren nur Küsse. Ich zucke leicht mit meinen Schultern. "Es ist mir jetzt schon zu kompliziert."
"Da stimme ich dir zu." Es ist auf jeden Fall kompliziert. Warum auch immer. Wir haben uns verstanden, wir fühlen uns zueinander hingezogen und sind dem ein Stück weit nachgegangen. Wir haben uns geküsst und das war wirklich sehr schön. Es war sehr anders als vor fünf Jahren, doch ich wollte auch keine Wiederholung von dieser Nacht. Mir gefällt die Spannung zwischen uns. Sie lässt mein Herz schneller schlagen und meinen Atem sich beschleunigen. Ihre Küsse schmecken unglaublich gut. Und ich habe keine Ahnung, wann es kompliziert geworden ist. Vielleicht hätte ich sie nicht fragen sollen, ob sie bleiben möchte. Aber wieso nicht? Ich wollte, dass sie bei mir bleibt und darum habe ich sie gefragt. Es war auch vollkommen in Ordnung, dass sie gegangen ist, auch wenn ich mir gewünscht hatte, dass sie blieb. Doch das hat es nicht kompliziert gemacht und trotzdem ist es das jetzt. "Ich weiß nur nicht wieso es kompliziert ist." Nun lehne ich mich doch zurück und sehe sie an. Sie schaut aus dem Fenster und für einen kleinen Moment nehme ich die Ruhe dieses Bildes wahr und genieße sie. "Ich weiß aber, dass ich diese Spannung zwischen uns mag. Die Luft ist elektrisiert, wenn du bei mir bist und das gefällt mir. Und ich hatte wirklich gehofft, dass ich dich nochmal küssen darf. Ich hoffe es immer noch." Und dabei habe ich mir nicht mal wirklich Gedanken gemacht wohin das führt. Vielleicht tut es das, vielleicht auch nicht. Ich bin doch noch nicht einmal richtig hier angekommen und bin jetzt schon verwirrt. "Es tut mir wirklich leid, wenn ich dich in Situationen gebracht habe, die dir irgendwie schaden oder hätten schaden können. Das habe ich nie beabsichtigt. Ich muss mich hier erst noch eingewöhnen und die Spielregeln lernen." Sie soll wissen, dass ich ihr oder ihrem Café wirklich nicht schaden möchte - ganz im Gegenteil. Und wenn das eben bedeutet, dass sie sich nachts aus meiner Wohnung schleichen muss, dann ist das eben so. Ich sehe sie immernoch an. Wäre jetzt ein guter Zeitpunkt zu gehen? Ich weiß es nicht. Mein Kopf brummt von diesem verwirrenden Tag. Und dabei ist gerade einmal Vormittag.
"Es ist alles gut. Mach dir keine Gedanken." Ich beuge mich vor, um mein Glas wieder in die Hand zu nehmen und noch einen Schluck daraus zu trinken. Zum Glück hat das Zitronenwasser noch nicht die Zimmertemperatur angenommen. Es herrschen zwar keine tropischen Temperaturen, aber ich kann es nicht ausstehen, wenn mein Wasser oder auch andere Getränke, die nicht von vornherein heiß serviert werden, nicht eiskalt sind. Deswegen habe ich auch immer Crusheis im Gefrierfach. Kaum rinnt das kühle Nass meinen Hals herunter, stelle ich das Glas auch schon wieder weg. Natürlich war mir auch nach einem Schluck zu trinken, aber in erster Linie, dass wird mir gerade bewusst, habe ich nun etwas getrunken, um die Zeit zu überbrücken. Warum? Weil mir nicht recht etwas einfällt, was ich noch sagen soll. Irgendwie ist das gerade alles zu wirr und kompliziert für mich. Oder ich denke nur zu kompliziert, was auch sehr gut sein kann. "Also..." Ich kann ihn doch jetzt nicht fragen, wie ihm die Gegend bisher gefällt, ob er sich schon mehr eingelebt hat oder ob er sich auf heute Abend freut. Das wäre vollkommen absurd. Wo habe ich mich da nur reinmanövriert?
Mia scheint genauso verwirrt zu sein wie ich gerade. Beziehungsweise nicht mehr zu wissen, was sie noch sagen soll. Zu meinen Worten hat sie auch nicht wirklich viel gesagt, nur dass ich mir keinen Kopf machen soll. Leichter gesagt als getan. Wir sitzen hier und irgendwie ist es gerade eine unangenehme Stille. Wenn wir vorher geschwiegen haben war es nie unangenehm. Auch ich greife nach meinen Glas und trinke einen Schluck. Seltsamer Weise will ich trotzdem nicht gehen. Sie strahlt eine Ruhe aus, selbst wenn sie nicht ruhig ist. "Deine Wohnung ist wirklich schön. Ich mag es, dass sie so hell ist." Es ist totaler Blödsinn über ihre Wohnung zu sprechen, obwohl ein ganz anderer Elefant im Raum steht. Aber das macht meine Worte nicht weniger wahr. "Soweit ich es einschätzen kann, passt sie sehr gut zu dir." Ich schenke ihr ein Lächeln. Es ist nur ein kleines, aber dafür ein sehr ehrliches Lächeln.
Mit einem Mal muss ich lachen. Es überkommt mich von jetzt auf gleich und hat vielleicht ein wenig mit seinen Worten über meine Wohnung zu tun. Für einen Moment sind alle Gedanken vergessen und ich blicke ihn amüsiert an, während ich versuche es nicht mehr zu tun - also zu lachen. "Bitte entschuldige." Ich hebe meine beiden Hände vor mein Gesicht, lache noch ein, zwei, drei Sekunden und lasse sie dann wieder sinken. Ich atme tief durch, doch so richtig helfen tut es nicht. "Oh Gott. Bitte entschuldige wirklich." Ich lache ihn nicht aus wohlgemerkt. Wirklich nicht! Es ist: Wir sitzen hier und machen uns viel zu viele Gedanken. Alles erscheint kompliziert, obwohl es das gewiss gar nicht ist. Wir verfallen in unangenehmes Schweigen. Und dann sagt er so etwas vollkommen normales. Etwas freundliches. Ein Kompliment über meine helle Wohnung. "Danke.", gebe ich, immer noch leise lachend, von mir. Es schwingt ein Hauch Erleichterung in diesem einen Wort und meinem Lachen mit. Ich stehe kurzentschlossen auf, gehe diesen einen Schritt, der uns mehr oder weniger trennt, und beuge mich zu ihm hinunter. Mein Blick streift den seinen und er scheint verwirrt, doch das hindert mich nicht daran ihm einen kleinen, sanften Kuss auf seine Wange zu hauchen.
Im ersten Moment sehe ich Mia sehr verwundert an, als sie beginnt zu lachen. Doch dann stimme ich mit ein - nicht so sehr wie sie, doch es tut gut so lachen. Auf ihre Entschuldigung hin, bekommt sie nur ein Lächeln. Sie muss sich nicht entschuldigen, denn diese Situation ist wirklich amüsant und ich bin froh, dass wir gelacht haben. Es scheint ein bisschen so, als hätte das nun etwas gelöst. Diese extreme und unangenehme Anspannung ist nicht mehr vorhanden und so kann ich gar nicht wirklich aufhören zu Lächeln. Sie hat ein sehr schönes Lachen. Wir haben auch damals in Miami gelacht, doch in bei unseren letzten Treffen ist das nicht vorkommen - nicht so. Das macht sie nur noch attraktiver als ich sie eh schon finde. Und ich merke, dass es ein echtes Lachen ist und vor allem, dass sie mich nicht auslacht. Sie lacht über diese ganze komische Situation, in die wir uns irgendwie hineinmanövriert haben. Wie auch immer das passieren konnte. Mit einem Mal steht sie auf und kommt zu mir. Eigentlich will mein Oberkörper sich aufrichten und ihr entgegenkommen, doch ich bewege mich nicht. Nur meine Augen schließen sich, als sie meine Wange küsst. Ganz leicht bewege ich meinen Kopf ihren entgegen. "Mia." Ich flüstere ihre Namen nur. Es ist kein Vorwurf oder irgendeine Gefühlslage daraus zu hören, wie ich ihren Namen ausspreche. Ich wollte ihn einfach sagen. Nur hauchzart streichen meine Finger durch ihr Haar, das ihr Gesicht umspielt, da sie sich vorgebeugt hat, um mir diesen Kuss zu geben.
Eigentlich hatte ich vor mich direkt wieder aufzurichten und dann Was dann? Wollte ich mich wieder hinsetzen? Wollte ich durch die Wohnung laufen? Was wollte ich? Es ist unerheblich, was ich tun wollte oder um ehrlich sein, dass ich gar nicht wusste, was ich als nächstes tun wollte, denn kaum habe ich seine Wange geküsst, dreht er auch schon seinen Kopf. Mit einem Mal ist mein Gesicht nicht mehr seinem Profil zu gewandt, wie es nur ganz natürlich war, weil ich seine Wange geküsst habe, sondern seine Augen sind vor den meinen. Wir blicken uns an und er spricht meinen Namen aus, was mich lächeln lässt. "Hm?" Ich habe so das Gefühl, dass er gar keine Absicht damit verfolgt hat meinen Namen auszusprechen. Es war nur ein Flüstern. Vielleicht hat er es nur aus einem Gefühl heraus gemacht. Dennoch ruht mein Blick aufmerksam, denn wachsam wäre zu viel gesagt, auf ihm. Seine Hand bewegt sich. Erst sehe ich es nur im Augenwinkel, doch dann spüre ich, wie seine Finger durch mein Haar streichen. Von jetzt auf gleich finde ich mich in einer anderen Situation wieder. Gerade habe ich noch gelacht, habe mich für sein Kompliment bedankt und ihm einen Kuss auf die Wange gegeben - auch als Dank, allerdings dafür, dass er die Situation, diesen merkwürdigen Moment aufgelöst hat. Doch nun stehe ich vor ihm, blicke ihm in die Augen, er flüstert meinen Namen streicht durch mein Haar und ich spüre diese Hitze wieder. Ich muss es noch einmal betonen: Er blickt mir in die Augen und da ist wieder diese bestimmte Art und Weise in seinem Blick. Sexy. Ist er sich dessen bewusst? Da ich vornüber gebeugt stehe, strecke ich nun meine rechte Hand aus und bette sie auf seinem Oberschenkel, um mich ganz leicht abzustützen. Natürlich könnte ich mich einfach wieder aufrichten, doch nach meinem Empfinden ist dieser Augenblick noch nicht vorüber. Ich neige meinen Kopf ein Stückchen mehr zur Seite - nur ein, zwei, drei Zentimeter. Ich spüre, dass seine Hände nun beide in mein Haar greifen, vermutlich um dieses zurückzuhalten? Damit es weder mir, noch ihm ins Gesicht fällt? Meine Lippen teilen sich einen winzigen, kaum nennenswerten Spalt. Ich nähere mich auch noch die letzten Zentimeter mit meinem Gesicht den seinen und bevor ich meine Lippen auf den seinen bette, ist es sein Atem, der meine Lippen streift und mich willkommen heißt. Meine Augen schließen sich wie von selbst und ich küsse ihn.
Ich habe wirklich keine Ahnung woher diese Spannung zwischen uns kommt. Eben war sie nicht da - ganz und gar nicht. Doch jetzt, kaum sind wir uns wieder näher gekommen und kaum sehen wir uns wieder an - auf diese bestimmte Art und Weise - ist sie wieder da. Sie scheint uns zu umgeben und uns von der ganzen Welt abzuschotten. So hatte es sich zumindest in dem Club angefühlt: erst bei den Toiletten und dann auch später auf der Tanzfläche. Selbst im Plattenladen war diese Spannung da. Doch es war auch so, als sie bei mir war und es ist jetzt wieder so. Ich nehme nur noch sie wahr und wir schauen uns sehr aufmerksam an, als würden jeder von uns abwarten, was der andere als nächstes tut. Sie steht nicht gerade bequem da und das versucht sie, zumindest etwas, damit auszugleichen dass sie sich auf meinem Oberschenkel abstützt. Meine Finger sind eben noch leicht durch ihr Haar gestrichen, doch nun greifen sie hinein und schieben es etwas zurück. Beide Hände tun dies. So kann ich ihr schönes Gesicht sogar noch besser sehen und muss etwas schmunzeln. Als sie ihren Kopf zur Seite bewegt, tue ich dies auch und wir kommen uns immer näher. Besser gesagt kommt sie mir immer näher, denn ich kann mich nicht wirklich bewegen. Ich könnte schon, doch dann müsste sie sich auch etwas weiter nach hinten bewegen. Als sich ihre Augen schließen tun meine es ihr gleich und dann spüre ich wieder ihre Lippen auf den meinen. Hatte ich nicht eben noch gesagt, dass ich hoffe, dass sie mich noch einmal küsst. Als sie es jetzt tut, kann ich ein Seufzten nicht unterdrücken und nun bewegt sich mein Oberkörper doch und richtet sich auf, um ihr näher zu kommen. Mein Griff in ihrem Haar wird fester und ich erwidere den Kuss von der ersten Sekunden an. Mit einem Mal ist da nichts mehr: keine komische Stimmung, kein Elefant im Raum, keine Aufgaben für die Uni, die ich eigentlich machen müsste - da ist nur noch sie und dieser Kuss, der mein Herz wieder einmal schneller schlagen lässt.