Seine Lippen bewegen sich samtig weich auf den meinen und ich koste dies, diesen Kuss und die damit einhergehenden Glücksgefühle, sehr genüsslich aus. Es ist kein wilder, kein leidenschaftlicher Kuss. Er hätte es werden können, wenn ich ihn nicht nach einigen Sekunden, Minuten, Stunden langsam aber sicher lösen würde. Sehr langsam. Wirklich extrem langsam. Und ich tue es nicht ohne kleine, gehauchte Küsse, die dafür sorgen, dass es sich nicht so abrupt anfühlt. Ich halte meine Augen noch für die Dauer eines tiefen, zufriedenen Atemzuges geschlossen und öffne sie erst dann als ich das Gefühl habe auch er hätte seine Augen wieder geöffnet und würde mich anschauen. Es ist tatsächlich so und meine Lippen formen sich zu einem Schmunzeln.
Ich erwidere jeden ihrer kleinen gehauchten Kuss und das Lächeln auf meinen Lippen wird mit jedem Kuss ausgeprägter. Erst als ihre Lippen den letzten Kuss auf die meinen gehaucht haben, öffne ich meine Augen wieder. Ihre sind noch geschlossen, doch als würde sie spüren dass ich sie ansehe, öffnen sich auch ihre Augen. Der Griff in ihrem Haar lockert sich und meine Finger gleiten langsam und sanft aus diesem heraus. Meine linke Hand beginnt ganz leicht über den Arm zu streichen, mit dem sie sich immer noch auf meinem Oberschenkel abstützt. Kurz geht mein Blick zu ihren Lippen und ich rolle meine leicht übereinander, bevor ich sie wieder ansehe. "Sagst du mir wie es für dich in Ordnung wäre mich wiederzusehen?" Ich hatte einen Moment darüber nachgedacht sie zu fragen, ob sie heute Abend zu mir kommen möchte. Doch zum Glück fiel mir vorher wieder ein, dass das keine gute Idee ist. "Ich würde dich nämlich gern wiedersehen. Ohne komische Vorkommnisse." Klar kann man diese nicht immer vorhersehen, aber man kann wenigstens versuchen sie zu vermeiden.
Er fragt nicht, ob ich ihn wiedersehen möchte, sondern wie ich ihn wiedersehen möchte. Es ist nur ein winziges Detail, doch es entgeht mir nicht und es lässt mich schmunzeln. Nein, eigentlich sind es drei Dinge, die mich schmunzeln lassen: 1. Er will mich wiedersehen. 2. Er fragt nicht, ob ich es auch möchte, sondern wie ich es möchte. Als wäre es ganz selbstverständlich, dass ich ihn auch wiedersehen möchte. 3. Er ist so aufmerksam zu bedenken, dass dieses wie wichtig für mich ist. Sehr wohl wissend, dass die Vase mittig genug steht und sein Glas ein Stückchen weiter rechts, setze ich mich kurzentschlossen auf die Kante meines Tisches vor ihm - wohl wissend, dass er mich tragen kann. So stehe ich nicht mehr unbequem, bin ihm aber noch nahe. Meine Hand ruht immer noch auf seinem Oberschenkel und beginnt nun sogar ganz leicht darüber zu streicheln. Ebenso, wie seine Finger auch immer noch meinen Arm streifen. "Heute kannst du nicht." Was kein grundsätzliches nein meinerseits zu einem Wiedersehen ist. Ich erwähne es lediglich. Ich neige meinen Kopf zur Seite und beginne seine Finger auf meinem Arm zu beobachten. Ein kleiner, garstiger Teil meiner selbst möchte nicht, dass er heute Abend mit Donna ausgeht oder sie trifft oder wie auch immer er das genannt hat, aber der zum Glück größere und wesentlich nettere Teil meiner selbst, möchte zum einen nicht, dass Donna traurig ist und wünscht sich zum anderen, dass er hier Anschluss findet. Er könnte - nein, das schlage ich gar nicht erst vor. "Morgen ist ein Bauernmarkt. Nur einige Ecken von hier im Park. Wenn du zufällig auch da bist, könnte ich dir den Stand zeigen an dem es wirklich köstliche Smoothies gibt." Ich muss leise lachen und blicke ihm nun wieder in die Augen. "Magst du überhaupt Smoothies?"
Für einen Moment dachte ich, dass sie wieder Abstand zwischen uns bringen möchte - doch das tut sie nicht. Sie setzt sich auf die Kante des Tisches und ihre Hand ist immer noch auf meinem Oberschenkel. Sie streicht sogar leicht darüber. Und so kann ich sie auch weiter streicheln. Als sie erwähnt, dass ich heute Abend nicht kann, muss ich etwas schmunzeln. Sie hatte vorhin gemeint, dass sie nicht weiß, ob es sie gestört hatte, dass sie dachte, dass ich mit Donna ausgehe. Doch da sie jetzt den Blick zu meinen Finger richtet und nicht mehr mich ansieht, bestätigt meine Vermutung etwas mehr, dass dies der ausschlaggebende Punkt war. In dem Moment frage ich mich, ob es mich stören würde, wenn sie sich mit jemanden treffen würde. Doch diese Frage schiebe ich erst einmal zur Seite, doch sie spricht weiter. Ich weiß wo der Park ist und daher werde ich auch sicherlich den Bauernmarkt finden. Bei ihrer Frage muss ich etwas lachen. "Ich mag Smoothies." Wahrscheinlich würde ich mir nie selbst einen machen, aber manchmal kaufe ich mir einen. Selten, aber es gibt so Tage, da hat man da einfach Appetit drauf. Morgen ist sicher so ein Tag. "Wann soll ich denn zufällig vorbeischauen?" Ich muss wieder etwas lachen und neige leicht meinen Kopf. "Ich werde das heute absagen." Da sie anscheinend etwas dazu sagen will, spreche ich weiter bevor sie das kann. "Wenn Donna wirklich denkt, dass das ein Date ist, dann sollte ich das nicht machen. Ich werde nochmal ins Café gehen und ihr sagen." Wer weiß ob überhaupt Freunde von ihr dasein werden und das wäre dann für Donna sicher noch unangenehmer. "Ich werde ihr einfach sagen, dass ich dich zufällig im Supermarkt getroffen habe und du mir viel Spaß beim Date gewünscht hast." Damit wäre auch geklärt woher er das weiß. "Wenn das für dich in Ordnung ist." Was er hofft, denn sonst wird dieser Abend wirklich unangenehm, denn dann müsste er dorthin gehen und ihr dann sagen, dass es kein Date ist. Jetzt tut Donna ihm wirklich leid. Er mag sie eigentlich - sie ist immer sehr nett zu ihm gewesen.
"Ich habe ein schlechtes Gewissen.", gestehe ich gerade heraus. "Würdest du dich mit ihr treffen, wenn wir uns nicht kennen würden?" Das ist vielleicht eine seltsame Frage, aber ich stelle sie trotzem. Donna ist mir wirklich wichtig. Sie ist nicht nur eine tolle Angestellte, sondern auch ein toller Mensch. Sie hat sich vorhin so darüber gefreut, dass sie mutig genug war ihn anzusprechen. Vielleicht hat sie sich über ihren Mut sogar noch mehr gefreut als über die Verabredung an sich. Meine Finger verharren für einen Moment auf seinem Oberschenkel, während ich darüber nachdenke, wie ich dafür sorgen könnte, dass meine Angestellte nicht traurig ist.
Ich schlucke einmal und sehe Mia einen Moment an. "Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung." Leicht zucke ich mit meinen Schultern. "Ich denke eher nicht." Ich muss etwas lachen. "Das ist wirklich keine leichte Frage. Wahrscheinlich wäre es mir zu früh. Ich bin gerade erst hergekommen, mein Sommerkurs ist gerade gestartet. Da wäre ich nicht auf ein Date gegangen. Zu viel Ablenkung." Er ist ehrlich und sieht sie einen Moment an. "Dich möchte aber sehen." Seine kleine Erklärung klang sicher so, dass er eigentlich niemanden treffen will. Sie will er aber treffen. Unbedingt. "Ich werde nett zu ihr sein. Versprochen." Ganz sanft drücke ich ihren Arm, bevor ich sie weiter streichen.
Es ist für ihn absolut nicht die richtige Zeit in seinem Leben, um sich mit einer Frau einzulassen oder? Mit einer Frau, mit der es kompliziert sein wird. Aber lässt er sich überhaupt auf mich ein? Lasse ich mich denn überhaupt auf ihn ein? Denke ich da nicht schon wieder zehn Schritte zu weit? Das liegt wohl in meiner Natur. Früher war ich nicht so, aber inzwischen muss ich immer alles bis ins kleinste Detail zerdenken. So auch, dass er gerade erst in eine neue Stadt gezogen ist, um hier zu studieren. Er ist noch gar nicht richtig angekommen und sitzt hier trotzdem bei mir anstatt sich einzuleben, zu studieren, neue Menschen in seinem Alter kennenzulernen. Ich sollte das ganze beenden bevor es überhaupt angefangen hat. Wenn schon nicht um meinetwillen, dann doch um seinetwillen. Ich bin die Ältere von uns beiden. Ich muss auch die vernünftigere von uns sein. Dich möchte ich aber sehen. Meine Lippen formen sich zu einem Schmunzeln und ich blicke ihn nun doch ein wenig amüsiert an. Er scheint selbst darauf gekommen zu sein, wie seine Worte gerade geklungen haben. An seinen Worten war nichts verkehrt wohlgemerkt. Sie zeugen vielmehr davon, dass er ein vernünftiger junger Mann ist. Nur nicht vernünftig genug, um aufzustehen, seine Sachen zu nehmen und sich von mir fernzuhalten - wie es scheint. Teile ich meine Gedanken mit ihm? Nein. Ich muss mir erst über so einiges im Klaren werden. "Danke." Ich glaube ihm, dass er nett zu ihr sein wird. Er scheint mir nicht wie ein Mann, der absichtlich gemein zu Frauen ist. Hast du nicht vorhin noch gedacht, er sei ein Mann, der von Frau zu Frau wechselt? Den Gedanken schüttel ich ab. Das war eine andere Situation. Ich ziehe langsam meine Hand von seinem Oberschenkel, drehe mich ein kleines Stückchen und nehme mir mein Glas, um einen Schluck von dem Zitronenwasser zu trinken. "Du sahst vorhin so aus als hättest du eigentlich etwas zu tun." Im Cafè saß er vor seinem Laptop und um ihn herum lagen Bücher verteilt. "Ich will dich nicht aufhalten." Mein Blick findet wieder den seinen nachdem ich das Glas neben mir abgestellt habe. "Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich will dich nicht rauswerfen. Ich möchte dich nur auch nicht von etwas wichtigem abhalten."
Sie hat ihre Hand von meinem Oberschenkel genommen und mir dann gesagt, dass sie mich nicht von etwas Wichtigem abhalten möchte. Leicht neige ich meinen Kopf und grinse sie an. "Wieso kommt es mir aber so vor, als würdest du mich loswerden wollen?" Man merkt, dass ich dies nicht böse meine und auch von ihr nicht böse aufgenommen habe. Meine Hand streichelt auch nicht mehr ihren Arm, denn diesen hatte sie ja zurückgezogen. Dann geht mein Blick zu meiner Tasche und wieder zu ihr. "Tatsächlich muss ich noch einiges erledigen. Vor allem, weil ich morgen auf diesen Markt gehen will. Er ist im Park, soll tolle Smoothies geben." Ich zwinkere ihr zu und greife nach meinem Glas um den letzten Schluck zu trinken. "Außerdem muss ich noch eine Verabredung absagen." Das ist wirklich etwas, worauf ich keine Lust habe. "Und einen neuen Platz mit WLan finden. Ich denke es ist nicht so gut, wenn ich mich ins Café setze, nachdem ich mit Donna gesprochen habe." Sie sitzt immer noch auf dem Tisch und ich lege streiche sanft ihre Haare etwas aus dem Gesicht, bevor ich meine Hand an ihre Wange lege. "Hast du einen guten Tipp für mich?" Dann löse ich mich von ihr und gehe zu meiner Tasche, ich krame ein bisschen, man hört Papier reißen und ich schreibe etwas auf. Mittlerweile ist sie auch aufgestanden und ich hänge den Riemen meiner Tasche über meine Schulter und sehe sie an. "Bis morgen, Mia." Ich grinse leicht und gebe ihr einen Kuss auf ihre Wange. "Ich freue mich drauf." Dann verlasse ich ihre Wohnung - vorsichtig und darauf bedacht, dass mich niemand sieht. Erstmal zum Café und den unangenehmen Teil hinter mich bringen. Auf ihrem Tisch wird Mia den abgerissenen Zettel finden, auf dem seine Nummer steht.
Für einen kurzen Moment stehe ich noch da und schaue ihm hinterher, obwohl er bereits meine Wohnung verlassen hat. Wie kann es sein, dass dieser Tag bisher so ganz anders verlaufen ist als ich es eigentlich geplant hatte? Ich habe absolut keine Ahnung. Ich weiß natürlich, wie es dazu gekommen ist, aber dass es alles so kommen würde, habe ich nicht kommen sehen. Ich kann nur mit dem Kopf schüttelt bevor ich mir dann anschaue, was auf dem Zettel steht, den er mir auf den Tisch gelegt hat. Seine Nummer. Ein leises Lachen entschlüpft meinen Lippen, auch wenn gar niemand da ist, der es hören könnte. Ich gehe einen Schritt, hole mein Handy aus meiner Tasche und schicke ihm eine Nachricht:
Geh ins Fell from Space. Dort gibt es den zweitbesten Kaffee und WLAN.
"Wie geht's dir?" frage ich ohne ihn anzusehen. Ich bin damit beschäftigt die Einkäufe wegzuräumen, die er mir dankenswerter Weise nach Hause getragen hat. Erst kommen die Sachen, die kühl gelagert werden müssen, in den Kühlschrank und dann der Rest in meinen Vorratsschrank. Obgleich ich ihn nicht ansehe, weiß ich wo er gerade steht. Ich hatte ihm angeboten sich zu setzen, aber er scheint genauso unruhig zu sein wie ich, auch wenn wir wohl beide mehr oder weniger erfolgreich versuchen das nicht zu offensichtlich zur Schau zu stellen. Ich räume deshalb die Einkäufe weg. Er steht deshalb an meinen Esstisch gelehnt. Es fiel mir schon immer leichter innere Anspannung dadurch zu kaschieren, dass ich in Bewegung bleibe. "Oder willst du lieber über etwas anderes reden als über dich?" Das könnte ich auch nachvollziehen. Da ich fertig damit bin alles wegzuräumen, mache ich mich nun daran einige Dinger hervorzuholen. Erst zwei Kochtöpfe, Kochbesteck und allerlei, dann Nudeln und einige frische Zutaten, wie Frühlingszwiebeln und Tomaten, die ich gerade gekauft habe.
"Es geht mir gut." Ihr Blick verrät mir, dass sie ganz genau weiß, dass ich lüge. Ich bin mir auch durchaus bewusst, dass man es mir ansieht. Ich habe mich an den Esstisch gelehnt, meine Sonnenbrille auf diesen gelegt und die Arme vor meiner Brust verschränkt. Und ich beobachte sie. Erst wie sie ihre Einkäufe weggeräumt hat und nun wie sie wohl beginnt zu kochen. Etwas nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen, auch wenn ich gar nicht richtig stehe. "Kennst du das, wenn du tausend Dinge zu sagen hast und irgendwie auch nichts?" So geht es mir gerade. Natürlich würde ich gern wissen, was vor ein paar Tagen passiert ist. Doch irgendwie auch nicht. Zumindest bin ich nicht mehr kurz davor eine Panikattacke zu bekommen, was ich als Erfolg verbuche. Es gibt immer wieder Momente, in denen ich mich unsicher fühle - vor allem, wenn ich mich nicht so gut fühle. Gerade ist so ein Moment. Ich weiß nicht so recht wohin mit mir und ich weiß auch nicht was ich sagen soll. "Kann ich dir helfen?" Ich habe keine Ahnung was sie vorhat, aber wenn ich ihr irgendwie helfen kann, dann wird sie mir schon sagen, was ich tun soll. Auch wenn ich echt nicht talentiert bin ich in der Küche.
Ich drehe mich zu ihm um und sehe ihn einen Moment an. "Das kenn ich nur allzu gut." Ich versuche mich an einem kleinen Lächeln, denn vielleicht muntert es ihn auf - nein, dass wird es nicht, aber vielleicht hilft es anders -, dass ich nachempfinden kann was er meint. Dass er damit nicht alleine ist. Ich drehe mich wieder um und mache weiter. Er hat gesagt, dass er unterwegs war um sich etwas zu Essen zu holen und deshalb bereite ich ihm jetzt etwas zu. Der Gedanke kam mir, kaum das wir hier waren und ich werde mich davon auch nicht abbringen lassen. Vorsichtshalber habe ich es aber noch nicht erwähnt, damit er es mir nicht ausreden kann, um mir keine Umstände zu machen oder was auch immer ihm als Begründung einfällt. "Wenn du möchtest?" Es klingt wie eine Frage, damit er weiß, dass er noch einen Rückzieher machen kann, falls das nur eine Frage der Höflichkeit war. Ich schiebe ein Schneidebrett an meine Seite, hole ein zweites Messer aus der Schublade und lege es ihm dazu. Dann schiebe ich die Cocktailtomaten rüber. "Erst abwaschen, dann halbieren." Ich kümmere mich derweil um die Frühlingszwiebeln. "Als du hier aufgetaucht bist...", beginne ich leise. "...ich meine im Vanilla, war ich total schockiert. Ich habe mich richtig erschrocken. Dann warst du im Plattenladen, dann waren wir im Grunge. Dann haben wir uns geküsst. All das hat mich total aus der Bahn geworfen." Ich spüre mit einem Mal seine unmittelbare Nähe, weil er sich neben mich gestellt hat, um sich wohl um die Tomaten zu kümmern. "Ich bin die ganze Zeit hin und her gewankt zwischen diesem Schreck vom Anfang und einer gewissen Freude, weil du dich als derart toller Mann herausgestellt hast. So freundlich. So zuvorkommend. So... ich kann es gar nicht beschreiben. Es ist die Art wie du mich ansiehst. Die Art wie du mich berührst. Als wäre ich etwas besonderes." Ein leises Lachen kommt aus meinem Mund und ich blicke von der Seite zu ihm hin - meine Hände halten kurz inne. "Du bist wirklich ein toller Mann, Tristan!" Ich richte meinen Blick wieder auf die Frühlingszwiebeln vor mir. "Ich habe gemerkt, wie es mir mit jedem Mal das wir uns gesehen haben wichtiger wurde dich wieder zu sehen. Gleichzeitig hatte ich solch eine Angst davor, dass herauskommen würde das wir vor fünf Jahren miteinander geschlafen haben." Ich schließe meine Augen. "Fuck! Da warst du 21. Noch so jung." Ich schlucke und öffne meine Augen wieder. "Und du bist immer noch jung oder zumindest jünger als ich. Wir führen zwei vollkommen unterschiedliche Leben. Ich stehe mit beiden Beinen fest in meinem und du bist dabei deines zu finden. Und jetzt widersprich mir nicht. Vielleicht siehst du es nicht, aber es ist so." In ein paar Jahren, wenn er an diese Zeit in seinem Leben zurückdenkt, wird er mir zustimmen. Ganz sicher. "Ich weiß nicht recht, wie ich meine Gedanken zum Ausdruck bringen soll..." Aber ich versuche es. "Ich habe Angst davor mich auf dich einzulassen, weil ich nicht will das du irgendwelchen Spaß, irgendwelche Erlebnisse mit einer gleichaltrigen Frau verpasst. Ich will, dass du deinen Weg findest. Ich will niemanden, in diesem Fall dich, negativ beeinflussen, reinreden oder sonst etwas. Gleichzeitg habe ich es aber auch nicht hinbekommen mich von dir fernzuhalten." Ich lasse das Messer fallen oder werfe es wohl eher vor mir auf das Brettchen, um mich dann mit meinen Händen an der Anrichte festzuhalten. "Fuck! Wir stehen hier doch schon wieder zusammen. Warum kriege ich das nicht hin?" Ich atmet ein, zwei, dreimal tief durch und lasse die Anrichte wieder los. "Wir haben uns in letzter Zeit oft gesehen, haben begonnen uns kennenzulernen, haben gelacht, haben uns gestreichelt und geküsst. Wir haben nicht miteinander geschlafen. Auf der einen Seite hat mir das gefallen, weil da dieses Knistern war und ich mir sogar noch einreden konnte, dass es total vernünftig ist es nicht zu tun..." Ich sage es jetzt einfach wie es ist. "...aber auf der anderen Seite hat es mich verunsichert. Meine Beziehungen in der Vergangenheit waren geprägt von... sie waren anders. Ich sagte dir ja, ich bin ein sehr impulsiver und temperamentvoller Mensch. Meine Partner waren das auch. Sex war ein Ausdruck von Leidenschaft und hat mir gezeigt, dass der andere mich will. Aber du wolltest nicht mit mir schlafen und ich dachte immer wieder Warum will er mich nicht? Das klingt vielleicht absurd, aber viel besser kriege ich es gerade nicht hin zu erklären. Es war also einfach die gesamte Zeit so, dass ich hin und her gerissen war zwischen: Ich will ihn! Ich darf ihn nicht wollen! Er will mich nicht!" Ich rede und rede und normalerweise tue ich das nicht. Das hier ist gerade eine Premiere für mich und ich hoffe, dass irgendetwas von dem was ich hier von mir gebe, Sinn ergibt. Ich atme noch einmal tief durch und drehe mich dann, um seitlich vor ihm zu stehen. Ich hoffe so sehr, dass er mich ansieht und lasse meinen Blick deshalb seine Seite entlang zu ihm hinauf wandern. "Du... hast... nichts... falsch... gemacht, Tristan!" Ich betone es extra noch einmal, wie schon die Nacht vor einigen Tagen. "Du bist ein unfassbar toller Mann! Ich kann es nur immer wieder betonen und werde es auch noch unzählige Male. So, wie ich dich bisher kennengelernt habe, bist du großartig und jede Frau, der du irgendwann in ihrem Leben deine Aufmerksamkeit schenkst, kann sich glücklich schätzen und ist hoffentlich nicht so kaputt wie ich... zu kaputt, um das rechtzeitig zu erkennen."
Ich bin zu ihr in die Küche gegangen gegangen und habe zunächst die Tomaten abgewaschen und dann begonnen sie zu halbieren. Das bekomme selbst ich ohne einen von uns zu töten. Dann fängt sie auf einmal an zu sprechen. Ich höre ihr sehr aufmerksam zu und das Schneiden der Tomaten ist zu einer ganz automatischen Bewegung geworden. Ich unterbreche sie nicht, auch wenn ich das gern an der einen oder anderen Stelle getan hätte. Als sie das Messer auf das Brettchen wirft, höhe ich auf die Tomaten zu schneiden und sehe sie an. Was sie dann sagt schockiert mich ein Stück weit. Sie denkt wirklich, dass ich nicht mit ihr schlafen wollte? Dass ich das nicht will? Ich schlucke leicht und atme tief durch. Als sie fertig ist mit dem Reden, sehe ich sie noch einen Moment an, bevor ich mich wieder an die Tomaten mache. Zwei Stück schneide ich noch durch, bevor ich auch zu reden beginne. "Ich werde versuchen dir irgendwie strukturiert zu antworten, doch ich warne dich vor: das wird sicherlich nichts." Ich muss über meine eigenen Worte kurz lachen und sehe kurz zu ihr. Ich hole tief Luft. "Ich war auch erschrocken, als wir aufeinander getroffen sind. Sehr. Ich hatte nicht damit gerechnet dich je wieder zu sehen. Doch irgendwie habe ich mich gefreut. Wir hatten eine tolle Nacht damals." Ich höre auf zu schneiden und sehe zu ihr. "Und ich bin keine 21 mehr, Mia. Ich bin jünger als du, ja. Aber ich bin trotzdem nicht mehr 21. In meinem Alter ist es sogar normal schon Kinder zu haben." Ich widme mich den letzten drei Tomaten und erst als ich diese fertig geschnitten habe und mich umgedreht und gegen die Anrichte gelehnt habe fahre ich fort. "Als ich 14 war habe ich mein gesamtes Leben durchgeplant. Die High School, mein Studium, was wann wo. Ich habe sogar Puffer für eine Familiengründung zwischen 30 und 33 eingebaut." Ich lache nicht, denn es ist nicht so, dass ich das mittlerweile niedlich finde oder ähnliches. "Ich habe bis vor einem dreiviertel Jahr exakt nach diesem Plan gelebt. Ich habe alles genauso gemacht wie ich es damals geplant habe." Mein Blick geht zu ihr und ich lächle ganz leicht. "Was sich geändert hat würde ich jetzt gerade ungern thematisieren und es hat auch nichts mit all dem zu tun. Ein anderes Mal, okay?" Mir ist bewusst, dass diese Bitte impliziert, dass wir irgendwann ein Gespräch darüber führen müssen. "Ja, ich bin dabei mein Leben zu finden. Da hast du vollkommen Recht. Und das ist verdammt schwierig für mich. Wie gesagt, es ist eigentlich alles geplant. Und auch wenn ich diesen Plan symbolisch verbrannt habe ist er in meinem Kopf und ich gleiche immernoch fast alles damit ab." Ich atme einmal tief durch und sehe auf meine Hände, die ineinander gegriffen sind. "Ich habe professionelle Hilfe. Natürlich ist mein Psychiater in New York, doch ich habe bereits einen Termin bei einem Kollegen von ihm." Das wollte ich nur klarstellen. "Ich arbeite daran mir keine Zwänge mehr aufzubürgen. Manchmal klappt es, manchmal nicht." Wieder sehe ich zu ihr. "Letztes Mal im Vanilla, als ich an dem anderen Tisch sitzen musste, hat es nicht so gut geklappt." Ich grinse etwas. "Also... ich versuche mein Leben also gerade offener zu leben und nicht im Zwang meiner Ausbildung." Ich muss etwas lachen. "So viel ganz grob zu meinem Leben und wie ich es mir vorstelle." Meine Hände lösen sich auseinander und ich beginne mich etwas in der Küche zu bewegen. "Denkst du wirklich, dass du mich davon abhältst Spaß mit Gleichaltrigen zu haben? Mia... Ich habe meine Freunde. Du hast deine. Das wäre auch so, wenn wir im selben Alter wären, oder? Und mit einer gleichaltrigen Frau?" Wieder muss ich etwas lachen. "Ich erzähle dir von meiner letzter längeren Beziehung. Wir waren etwa ein Jahr zusammen. Nach knapp zwei Monaten meinte sie zu mir, dass Monogamie nichts für sie ist. Ich war total verliebt in sie und dachte: hey, wir sind jung. Das ändert ja nichts an unseren Gefühlen." Wieder sehe ich sie an. "Anfangs habe ich mich nicht mit anderen Frauen getroffen. Sie aber mit anderen Männern und es hat mich wahnsinnig gemacht. Irgendwann dachte ich: Okay, sie wird schon merken wie mies das ist, wenn ich es auch mache." Ich hebe leicht meine Schultern. "Es hat sie nicht gestört, dass ich mit anderen Frauen geschlafen habe. Überhaupt nicht. Aber es mich verrückt gemacht, dass sie andere Männer getroffen hat. Ich habe die Beziehung dann beendet, weil ich nicht mehr konnte." Ich würde sie gerade wirklich gern berühren. "Bei dir war es so, dass der Sex nicht im Vordergrund stand und das hat mir gefallen. Außerdem haben wir uns erst ein paar Mal getroffen. Wir hatten nur wenige Stunden allein miteinander und haben uns auch dort erst kennengelernt. Und ich habe einiges falsch gemacht, wenn du wirklich auch nur eine Sekunde daran gedacht hast, dass ich nicht mit dir schlafen will." Wieder muss ich lachen. "Ich will es aber nicht machen, weil es so sein sollte. Ich habe es so genossen dich zu küssen, dir nah zu sein... und irgendwann wäre es dazu gekommen. Aber ich war einfach noch nicht bereit dafür. Ich wollte vielleicht auch nicht, dass es zu einem zweiten One Nights Stand zwischen uns wird. Ich habe keine Ahnung." Wieder hole ich tief Luft und atme ein und aus. "Ich hatte gedacht, dass ich dir gezeigt habe, dass ich dich will. Ich dachte da wäre Leidenschaft gewesen. Nur eben anders. Nur eben nicht durch Sex. Eben, dass es nicht nur Sex ist macht dich zu einer besonderen Frau, Mia. Du bist etwas Besonderes und darum berühre ich dich so. Ich... ich hoffe du verstehst wie ich das meine. Ich kann es mir selbst nicht erklären. Aber bei dir hat es mir gefallen, dass wir uns Zeit genommen haben. Und ich will nicht, dass du dich von mir fernhältst, denn die Tage mit dir, sind die die mich aus meinem geplanten Leben rausreißen und mir zeigen wie cool es sein kann einfach mal im Park etwas zu essen." Ich hoffe so sehr, dass sie mich versteht. Oder dass sie zumindest nachfragt, wenn sie etwas nicht verstanden hat.
Ich habe gar nicht erst wieder damit angefangen mich um die Frühlingszwiebeln oder den Rest des Essens zu kümmern, weil ich ihm von der ersten Sekunde an ganz genau zugehört habe. Hätte ich beides gleichzeitig hinbekommen? Ganz bestimmt. Aber das wollte ich gar nicht. Ich wollte ihm zuhören und ihm die Aufmerksamkeit schenken, die ihm und seinen Worten gebührt. Nicht nur seine Worte, auch seine Haltung, Mimik und Gestik haben mir verraten, dass er mir gerade sehr wichtiges, für ihn bedeutsames und sogar intimes erzählt. Wie können zwei Menschen nur zwei derart unterschiedliche Leben geführt haben? Sie hätten tatsächlich nicht unterschiedlicher sein können und trotzdem hat es uns in einer heißen, schwülen Nacht in Miami vor fünf Jahren zueinander geführt. Trotzdem stehen wir hier nun am heutigen Tage in meiner Küche, weil unsere so unterschiedlichen Leben uns sogar ein zweitens Mal in einer anderen Stadt zusammengeführt haben. Unsere verschiedenen Leben, unsere verschiedenen Beziehungen, unser verschiedene Sicht auf Situationen, Handlungen, Gefühle - trotzdem stehen wir hier und blicken uns in die Augen. "Danke, dass du mir all das erzählt hast, Tristan. Das bedeutet mir viel." flüstere ich erst bevor ich mich dann mit der Hüfte von der Anrichte abstoße, den Schritt zwischen uns gehe und meine Arme zu einer Umarmung um seinen Nacken schlinge. Ich muss mich auf Zehenspitzen stellen, um wirklich an ihn heranzuragen und er bückt sich mir ein Stück weit entgegen, was ich außerordentlich aufmerksam finde. Ich schmiege mich der Länge nach an ihn und drücke ihn fest - sehr fest. Ich habe mein Gesicht an seinem Hals vergraben und nehme sowohl seinen Duft als auch sein Haar wahr - da sind ein paar Locken zwischen uns gerutscht. Ich halte ihn lange fest, sehr lange sogar, und als wir uns wieder voneinander lösen, spüre ich sofort einen kühlen Schauer durch meinen Körper rinnen, weil mir die Wärme seines Körpers von jetzt auf gleich fehlt. Ich suche von Neuem seinen Blick, immerhin haben wir uns gerade Sekunden, Minuten, Stunden nicht angesehen und als der seine dem meinen begegnet, lege ich meine Hand an seine Wange und streichel mit meinem Daumen zärtlich darüber. "Es wird weiter solche Tage geben. Versprochen." Ich löse meine Hand von seiner Wange und obwohl es sich nicht richtig anfühlt ihn nicht mehr zu berühren, ihm nicht mehr in die Augen zu blicken, drehe ich mich wieder in die Richtung der Anrichte. "Wenn ich in dieser Geschwindigkeit weiter koche, kriegst du nie mehr etwas zu essen und dann kann ich dir nicht mehr die Gegend zeigen und dir alle vorstellen und..." Ich rede nun ganz bewusst über etwas anderes und nicht direkt über das was ich ihm gesagt habe und was er mir gesagt hat. Ich habe aber so im Gefühl, dass wir noch einige Male darüber reden werden oder über Dinge, die damit zu tun haben was wir uns gerade erzählt haben.
Als sie mich umarmt hat, habe ich meine beiden Arme um sie geschlungen und sie sanft an mich gedrückt. Das war eine wundervolle Umarmung und ich genieße es wirklich sehr wie ich sie halte und wie sie mich hält. Ich habe noch nie jemanden so davon erzählt. Die Menschen, die davon wissen, sind seit Jahren an meiner Seite und haben das alles mit mir zusammen durchgemacht. Es tut verdammt gut ihr wieder so nah zu sein. Als ich mich heute früh aus dem Bett gekämpft habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich sie später am Tage im Arm halten werde. Doch ich bin sehr froh, dass es so ist. Als sie die Umarmung löst, will sie ich erst gar nicht gehen lassen - auch wenn es die längste Umarmung war, die ich je bekommen habe. Ich lächle sie an, als sie ihre Hand an meine Wange legt und mir diese Worte sagt. "Danke." Ich will weitere Tage mit ihr. Noch viele weitere Tage. Keine Ahnung wo uns das hinführen wird und das verunsichert mich schon ziemlich, aber alles ist gerade besser als sie nicht mehr sehen zu können. "Was?" Mein Blick wandert kurz über die Anrichte. "Du musst nicht für mich kochen, Mia. Ich..." Ganz leicht runzle ich meine Stirn, als mir einfällt, dass ich ja eigentlich vorhin auf dem Weg war mir etwas zum Essen zu holen. Ich sehe sie wieder an und nicke. "Danke. Ich glaube es wäre echt gut, wenn ich etwas esse." Ich reiße mich innerlich zusammen und versuche die Anstrengung der Geständnisse von eben zu überwinden und richte mich etwas mehr auf. "Sag mir wo Teller und Besteck sind. Dann decke ich schon mal den Tisch." Das kann ich ziemlich gut. Zum mehr als Tomatenschneiden bin ich eh nicht zu gebrauchen. Nachdem sie mir die Standorte verraten hat, bringe ich Teller und Besteck zum Tisch. Das dauert natürlich nicht einmal annährend so lange wie das Kochen. Also gehe ich zu ihr zurück und beobachte sie. "Wie geht es dir jetzt?"