"Mia." Ich gehe auf sie zu, um diesen verdammten Abstand zwischen uns zu verringern. Meine Hände legen sich sanft an ihre Wangen und spüre wie mich diese Berührung direkt etwas beruhigt. Ich habe solch eine Angst. Ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so eine Angst hatte. "Ich weiß, dass meine Gefühle für dich real sind. Ich bin so sehr verliebt in dich und dessen bin ich mir zu 100% sicher." Ich seufzte leise. "Ich weiß, dass dir das gerade keine Sicherheit gibt. Aber ich bin mir sicher. Ich will dich. Ich will uns. Gestern, jetzt und auch in Zukunft. Denn ich kann es mir auch vorstellen. Sehr gut sogar." Meine Daumen beginnen ganz sanft über ihre Wangen zu streichen. "Ich weiß, dass du mir den Raum geben würdest, damit ich mich selbst finde. Vielleicht wird das auch noch kommen. Dass ich mich selbst finde, nicht dass ich mir über meine Gefühle dir gegenüber klarwerden muss." Das wollte ich nochmal klarstellen. "Aber soweit bin ich nicht. Ich bin überhaupt nicht bereit mich selbst zu finden. Aktuell kämpfe ich jeden Tag gegen mich. Gegen den Tristan, den ich nun einmal nicht einfach in New York zurücklassen konnte. Doch dann bist da du und ich habe das Gefühl zu wachsen. Ich werde mehr und mehr der Mensch, der ich sein möchte. Du zeigst mir wie gut das Leben ist. Tue ich das für dich? Aktuell ja. Aber ich bin einfach noch nicht bereit dafür es für mich zu tun. Und ich tue das für dich, weil mein Herz mir bis Hals schlägt, wenn ich dich nur sehe. Weil mein Kopf durchdreht, wenn du mir Fragen stellst, die total nachvollziehbar sind. Also höre bitte nicht damit auf. Weil ich gerade eine heftige Panikattacke überspiele, weil ich so eine Riesenangst habe, dass du dich von mir trennst. Weil du mich täglich zum Lachen bringst. Weil ich mich bei dir begehrt fühle und ich dich begehre. Ich will dich ständig küssen. Dein Körper passt perfekt zu meinem. Du passt perfekt in meinen Umarmung. Ohne dich geht es mir nicht gut. Ich möchte an diesem wir wachsen - mit dir gemeinsam. Vielleicht musst du mich leiten, damit ich mich selbst wieder finde. Aber du machst mich zu dem Menschen, der ich sein will. Für dich, für mich, für alle." Ich muss jetzt wirklich langsam meinen Mund halten und so senke ich meinen Blick für einen Moment. Einatmen. Ausatmen.
"Guck mich an, Tristan.", bitte ich ihn mit ruhiger und leiser Stimme. Fühle ich mich innerlich so ruhig, wie ich gerade klinge? Nein. "Bitte." Er hebt seinen Blick wieder und begegnet damit dem meinen. Wieder schauen wir uns für einen kurzen Moment schweigend in die Augen, aber selbst in dieser Situation ist es kein unangenehmens Schweigen. Trotzdem breche ich es dann. "Kannst du mir versichern, dass wenn du merkst das du Zeit für dich brauchst, du es mir sagst? Dass du dann keine Rücksicht auf mich nimmst?" Ich muss schlucken bevor ich die nächsten Worte sage. Ich erscheine ruhig, aber ich bin es nun mal nicht und anders als gerade, als wir darüber gesprochen haben, stehen wir uns nun gegenüber. Das macht es zu einer ganz anderen Situation. Das macht es schwerer. "Und kannst du mir versichern, kannst du mir bitte versprechen, dass wenn du merkst deine Gefühle für mich waren da, aber nicht real oder sind nicht mehr real, dass es du mir dann sagst? Auch ohne Rücksicht auf mich." Ich atme einmal durch den Mund tief ein und aus. "Ich muss das dann wissen. Sowohl das eine als auch das andere. Ich bin eine erwachsene Frau und ich kann damit umgehen. Ja?" Ich greife mich meinen Händen, die ganz leicht zittern, an seiner Brust nach dem Stoff seines Shirts. "Du meintest an der Brücke, dass es um uns geht und natürlich stimmt das, aber es geht für mich nun mal auch um dich. Ist einfach so, wenn man Gefühle für einen Menschen hat. Auf einmal ist er wichtiger als man selbst. Für mich ist das in Ordnung. Vollkommen. Aber für dich musst du der wichtigste Mensch sein. Und auch das ist vollkommen in Ordnung."
"Und für mich geht es um dich." Ich nehme meine rechte Hand von ihrer Wange und lege sie auf ihre Hände an meiner Brust. "Du bist mir wichtiger als ich. Mir geht es da genauso wie dir." Der Daumen meiner linken Hand streicht weiter über ihre Wange, der meiner rechten über ihre Hände. "Ich verspreche dir, dass ich es dir sagen werde, wenn ich Zeit für mich brauche. Aber nicht komplett ohne auf dich Rücksicht zu nehmen. Denn das möchte ich nicht. Ich möchte auf dich Rücksicht nehmen, weil du mir so viel bedeutest. Ich möchte nämlich, dass es dir gut geht." Ich seufzte leise. "Und sollten sich meine Gefühle dir gegenüber verändern, dann sprechen wir darüber. Das verspreche ich dir. Denn so sollte das sein. Wenn sich etwas verändert, dann spricht man darüber. Wir sprechen über so vieles, also auch über das. Auch wenn sich bei dir etwas ändert." Denn immerhin können sich auch ihre Gefühle verändern. Das weiß man nie. "Ich bin immer noch ich. Auch wenn ich diese ganze Scheiße mit mir herumschleppe, bin ich immer noch ich. Und ich möchte weiterhin, dass es um uns geht. Ich mag nicht der Mittelpunkt dieser Beziehung sein. Ich möchte, dass diese Beziehung der Mittelpunkt ist." Ich atme tief durch. "Ich spreche mit dir. Immer. So auch vorhin. Mein Kopf ist durchgedreht und ich habe mit dir gesprochen. Das tue ich immer, weil ich weiß, dass es so richtig ist. Das wird sich auch nicht ändern."
"Das ist es!" Ich nicke, um seine Worte noch zusätzlich zu bestätigen und ihm zu zeigen, dass wir da ganz und gar einer Meinung sind. "Es ist vollkommen richtig, dass du sofort mit mir darüber gesprochen hast, dass du durchdrehst und warum du das tust." Ich trete noch einen halben Schritt näher an ihn heran, auch wenn das heßt, dass es für unsere Hände an seiner Brust ein bisschen enger wird. "Ich habe mich in dich verliebt. So wie du bist! Du hast mir sehr schnell zu Beginn deine Geschichte erzählt und ich wusste worauf ich mich einlasse. Deshalb kann ich auch mit absoluter Sicherheit sagen, dass ich mich in dich mit allem drum und dran verliebt habe." Ein zögerliches Lächeln umspielt meine Lippen. "Hörst du?" Ich warte bis er langsam nickt. Er muss dazu gar nichts sagen, aber dieses kleine Zeichen seinerseits dafür, dass er verstanden hat was ich da gerade gesagt habe, ist mir wichtig. "Ich bin anderer Meinung als du. Ich sollte dir nicht wichtiger sein als du dir selbst." Als sich sein Mund öffnet, bin ich mir ziemlich sicher, dass er mir widersprechen will und deshalb rede ich einfach weiter, um ihm jegliche Möglichkeit zu nehmen mich zu unterbrechen. "Aber... wenn dem so ist, und glaub mir auf eine gewisse Art und Weise macht mich das sogar sehr glücklich, werde ich wohl darauf Acht geben müssen, dass du dich und deine Bedürfnisse nicht aus den Augen verlierst oder hinter mir zurückstellst."
"Und ich achte darauf, dassdu dich und deine Bedürfnisse nicht aus den Augen verlierst." Wir achten aufeinander. "Es war auch richtig, dass du mir diese Frage gestellt hast. Sie hat dich beschäftigt und du hast meine Antwort darauf bekommen." Ich atme tief durch. "Es ist aus dem Ruder gelaufen. Das tut mir leid. Aber das wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein. Unsere Köpfe sind beide ziemlich wirr." Ich muss etwas lachen und das tut so gut gerade. Ich löse meine Hand von ihren und von ihrer Wange und schließe sie in meine Arme und drücke sie fest an mich. "Siehst du? Passt perfekt." Ich küsse sie auf ihr Haar. "Es wird besser werden. Irgendwann." Irgendwann werde ich hoffentlich nicht mehr wegen jedem kleinen Bisschen durchdrehen. Das war heute zu viel. Viel zu viel. Ich hätte sie fast verloren. Das darf nicht wieder passieren. Ich darf sie nicht wieder dazu bringen, dass sie darüber nachdenkt. Ich drücke sie noch fester an mich. Ich muss mich besser unter Kontrolle bringen. Vor allem weil das alles bedeutet, dass sie mir immer weniger davon erzählen wird, wenn sie etwas beschäftigt - um mich zu schonen. Das möchte ich nicht. Ich möchte weiterhin, dass wir so offen miteinander sprechen. Sie soll nicht das Gefühl haben etwas nicht sagen zu können. Ich beuge mich etwas zu ihr hinunter und vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar. Es riecht nach ihrem Shampoo und für einen kleinen Moment muss ich lächeln. Sie hat wirklich keine Ahnung wie glücklich sie mich macht, oder? Ich wünschte wirklich, dass ich ihr das zeigen könnte. Ich werde es ihr beweisen. Das wird dauern, doch ich werde ihr beweisen, dass das zwischen uns echt ist.
"Dir muss nichts leid tun, Tristan.", murmel ich in seine Umarmung hinein - die ich sehr fest erwidere. "So wie ich alles ansprechen darf, soll, kann, ist es auch andersherum. Du darfst, sollst, kannst alles fragen, ansprechen oder auch durchdrehen. Nur so bleibt es ehrlich. Nur so bleibt es, wie wir es angefangen haben und hoffentlich immer fortsetzen werden." Ich hoffe, dass er sich keine Vorwürfe macht, denn das muss er nicht. Das soll er auf keinen Fall tun. Er soll niemals das Gefühl haben etwas nicht laut aussprechen zu können. Ich werde ihm immer zu hören und so wie heute, werden wir darüber reden. Denn es ist, wie er es gerade gesagt hat, auch wenn er es nicht ganz auf dasselbe bezogen hat, wie ich das jetzt tue: "Ja, perfekt."
Meine Hände streichen langsam über ihren Rücken und ich halte sie einfach fest. Mit ihr fühlt es sich an, so wie es in den Büchern immer berschrieben wird. Ich dache immer, dass das alles nur in den Büchern existiert. Diese Art von Anziehung, Liebe und Zusammengehören gibt es nicht. Doch dann habe ich sie getroffen und sie beweist mir jeden Tag, dass es das doch alles gibt. Unsere Beziehung ist toll. Wir reden sehr viel, wir sind uns körperlich nah, wir sind uns auch so sehr nah, wir lachen, wir vermissen uns, wir freuen uns aufeinander. Ich kann stundenlang im Vanilla sitzen und sie einfach dabei beobachten wie sie alle Menschen um sich herum begeistert und verzaubert. Sie selbst weiß das wahrscheinlich nicht einmal, dass sie diese Wirkung auf alle Menschen um sich herum hat. "Halte ich dich schon wieder vom Arbeiten ab?"
"Das tust du.", gebe ich offen zu. "Aber wenn du nicht hergekommen wärst, hätten meine Gedanken mich davon abgehalten, also dementsprechend muss ich dir dankbar dafür sein, dass du mich davor bewahrt hast." Ich bewege meinen Kopf etwas, um mein Gesicht mehr in der Kuhle zwischen seinem Hals und seiner Schulter zu vergraben. "Ist alles wieder in Ordnung?" Wie alle Gespräche, die man miteinander führt, oder zumindest solch ernste Gespräche, wird auch dieses uns noch Stoff zum Nachdenken geben und Spuren hinterlassen, aber mir ist dennoch wichtig, dass zwischen uns alles gut ist. Vielleicht sollte ich das noch präzisieren. "Ist alles zwischen uns in Ordnung?"
Ganz leicht lehne ich meinen Kopf an ihren und muss etwas schmunzeln. Auch wenn es mir wirklich leid tut, dass ich sie vom Arbeiten abhalte. "Es ist alles in Ordnung zwischen uns." Das ist es. Natürlich werde unsere Köpfe deswegen noch ein bisschen durchdrehen. So sind wir eben. Aber zwischen uns ist es wieder in Ordnung. "Kommst du später zu mir? Ich hätte dich heute Nacht wirklich gern bei mir." Ich küsse sie auf ihr Haar. "Dann lasse ich dich jetzt mal weiterarbeiten." Auch wenn ich das gesagt habe, halte ich sie noch weiterhin fest und sie löst sich auch nicht von mir. Es dauert noch eine ganze Weile, bis wir das tun. Ich beuge mich zu ihr hinunter und gebe ihr einen Kuss. "Tu es à moi. Je suis à toi." Ich flüstere die Worte und küsse sie noch einmal. "Du bist mein. Ich bin dein." Noch ein kleiner Kuss, dann löse ich mich wirklich von ihr und gehe wieder, damit sie weiterarbeiten kann.
Wie wunderschön ist denn bitte dieser Strauß? Mein Blick wandert von meinen Händen, die gerade damit beschäftigt sind allen Getränke in Gläser einzuschütten, hin zu Brenda und dann zu dem Strauß wilder Blumen in der Vase auf meinem Esstisch. "Die hat Tristan mir gestern geschenkt. Ein Traum oder?" Sie sind echt super schön und sie passen so gut zu dir. Er verwöhnt dich. Finde ich gut. Ihr Kopf dreht sich in die Richtung ihres Mannes und ich erkenne schon am Tonfall der ersten zwei, drei Worte, dass jetzt etwas kommt, was ihn necken soll. Warum verwöhnst du mich nicht so, hm? Nimm dir mal ein Beispiel an Tristan. Ich richte meinen Blick schnell wieder auf meine Hände und versuche nicht zu lachen. Ich habe dich bisher noch keinen Tag unseres Lebens umgebracht, obwohl du so eine Nervensäge bist. Das ist genug verwöhnen. Du fieser Typ! Die nächsten Worte sind wohl wieder an mich gerichtet - ich bin eigentlich gerade dabei die Karaffe mit Zitronenwasser in den Kühlschrank zu stellen. Ist er nicht ein fieser Typ? "Ey, halt mich daraus." Es ist schwer zu reden, wenn man versucht nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Vier Gläser? Ist Tristan gleich da? "Er hat mir geschrieben. Er müsste jede Sekunde da sein." Er ist echt der Beste. Dem kann ich nur zustimmen. Da es heute so heiß ist beziehunsgweise war, hat Tristan angeboten bei dem tollen Laden um die Ecke für uns alle Eis zu holen. Es ist genau so abgesprochen gewesen, dass wir uns alle um 18 Uhr bei mir treffen und dann zusammen Eis essen - nicht nur, aber als Einstieg. Brenda und Billy waren nun aber schon fünf Minuten vorher da, weil Billy befürchtet hat das Brenda so eine pünktliche Zeit nicht hinbekommt und sie hier ankommen und das Eis schon geschmolzen ist. Ich verteile schon mal an alle Gläser und stelle das von Tristan neben meinen Platz. Ich bin wirklich ein bisschen neidisch, dass die Sonne sich nachmittags von deiner Wohnung abwendet und es so kühler bei dir wird. "Brauchst du nicht. Du bist immer herzlich willkommen." Bin ich das? Nur weil ich Eis mitbringe oder? Leise lachend drehe ich mich zu der Stimme um, die mir sofort eine wohlige Gänsehaut beschert. Ich hatte schon so ein Gefühl, dass er gerade reingekommen ist - mit seinem Schlüssel. Er benutzt ihn nicht immer, so wie ich auch nicht immer bei ihm, auch wenn es kein Problem wäre. Aber dieses Mal hat er das. Ich habe das Knacken des Schlüssels im Schloss schon gehört und mein Herzschlag hat sich beschleunigt. Es ist schön zu hören, dass ich mich nicht geirrt habe. Ich spüre es ohnehin meistens, wenn nicht sogar immer, sobald er in meiner Nähe ist. Zum Glück bist du da. Ich brauche dringend Verstärkung. Billy ist schneller als ich und geht Tristan zur Hand. Das habe ich gehört. Brenda und ich lachen beide.
"Verstärkung?" Mia und Brenda lachen nur und ich schüttel leicht meinen Kopf, um erst einmal Billy in die Küche zu folgen. Ich habe für jeden einen Eisbecher mit den liebsten Kugeln mitgebracht. Bei Mia weiß ih welches Eis sie mag, Billy und Brenda haben es mir geschrieben - mittlerweile gibt es eine WhatsApp-Gruppe, in der wir vier drin sind. Während Billy die Becher aus dem Beutel holt, hole ich Löffel. Dann nehme ich schon einmal direkt zwei Becher mit und begrüße dann erst einmal Brenda mit einer kurzen Umarmung. "Was macht ihr denn schon wieder mit Billy?" Ich... Doch Mia kommt gar nicht dazu sich rausreden zu können. Ich habe nur angemerkt, dass du Mia verwöhnst und Billy mich nicht verwöhnt. Hier hast du Eis. Ich muss lachen, als Billy Brenda ihr Eis hinstellt. Das hast nicht du geholt. Ich hätte es auch in der Küche stehen lassen können. Mia und ich sehen uns an und wir setzen uns beide - unser Lachen unterdrückend. Es tut gut, dass es so normal ist. Wir haben die beiden nicht umsonst eingeladen und das hat mich die letzten beiden Tage kaum schlafen lassen. Eigentlich bin ich tierisch nervös - die Situation, als ich nach Hause... zurück in die Wohnung kam, hat mich abgelenkt. Billy und Brenda sind mir sehr wichtig geworden. Sie sind zu Freunde geworden und ich habe nicht wirklich viele Freunde. Bekannte ja, aber keine Freunde. Die beiden zähle ich mittlerweile dazu. Genau deswegen will ich heute auch mit ihnen reden. Allerdings weiß ich nicht wie das ausgehen wird. Es könnte sein, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, dass sie auf Mia einreden werden, dass diese Beziehung nicht gut für sie ist. Ich spüre wie Mia mich unter dem Tisch mit dem Knie anstößt und ich sehe zu ihr. Sie lächelt und nickt in Brendas Richtung. Na, wo warst du mit deinem Gedanken? Brenda lacht und wiederholt dann ihre Frage, die sie mir eben wohl schon gestellt hat. Wo hast du die Blumen her? Die sind nicht von Liz, oder? Ich schüttel meinen Kopf. "Nein. Am Campus gibt es einen super kleinen Blumenladen. Ich war gestern in der Bibliothek und habe sie dann auf dem Rückweg mitgenommen." Ich lächle leicht und beginne dann auch mal mein Eis zu essen. Jetzt würde ich wirklich gern etwas trinken, um mich etwas zu beruhigen.
Du warst in der Bibliothek. Natürlich. Diese Worte sind wohl an Tristan gerichtet, aber die nächsten gehen an mich auch wenn sie eigentlich als scherzhafter Seitenhieb an Billy gerichtet sind. Reich und gebildet. Du Glückliche. "Brenda!" Nun kann ich mein Lachen wirklich nicht mehr unterdrücken und schaue sie dabei gleichzeitig amüsiert und tadelnd an. Verstehst du jetzt? Die Worte von Billy sind an Tristan gerichtet. Zieh meinen neuen besten Freund nicht auf deine Seite. Ich schüttle, noch immer sehr amüsiert, meinen Kopf und esse dann einen Löffel von meinem Eis. Kaum ist der köstliche Geschmack von ZItrone auf meiner Zunge geschmolzen, lächle ich Tristan an. "Danke dir. Das mit dem Eis war eine tolle Idee." Er war sehr aufgeregt die letzten Tage - nicht auf die gute Art und Weise. Ich hoffe, dass er vor unserem Treffen mit unseren Freunden noch etwas zu tun hatte, hat ihn ein bisschen abgelenkt. Von seinen schönen Fingern habe ich doch noch gar nichts gesagt. Also was denn? Ich bin mir sofort darüber im Klaren warum sie das sagt und muss wieder lachen. Nein, ernsthaft: Danke dir Tristan. Das tut echt gut nach dem heißen Tag. Das Wetter ist doch schrecklich oder? Wenn es doch nur das Wetter wäre. Oh, die beiden sind heute in Topform und sowohl ich als auch Tristan lachen leise. Wenn man die beiden nicht kennen würde, könnte man ihnen - ganz besonders Brenda - diese kleinen Sticheleien auch anders auslegen, aber sie sind tatsächlich einfach nur Spaß. Brenda liebt Billy wie verrückt. Sie bettet diesen Mann geradezu an und andersherum ist es nicht anders. Ich habe Tristan irgendwann mal davon erzählt, wie es mit den beiden angefangen hat. Dass Brenda sich bereits in der Schule ganz schrecklich in Billy verliebt hat und dann alles unternommen hat um seine Freundin zu werden, obwohl er am Anfang kein Interesse gezeigt hat - wie wir dachten aufgrund fehlenden Interesses, aber auch wenn man es ihm heute nicht mehr zutrauen würde, lag es einfach an seiner Schüchternheit. Seitdem lieben sie sich wie verrückt. Wieder schaue ich hinüber zu Tristan und lächle. Er verfolgt gerade einen kleinen Wortwechsel zwischen Brenda und Billy und ich sehe sein Gesicht nur im Profil. Obwohl ich weiß, wie angespannt er ist, sieht er gut aus und auch ein bisschen - mir fällt nicht das richtige Wort ein - gelöster als die letzten Tage? Vielleicht trägt die ausgelassene Stimmung dazu bei, dass er sich ein bisschen entspannt. Wenigstens ein kleines bisschen. Er ist so mutig! Ich habe ihm das die letzten Tage auch immer wieder gesagt. Auch mutig ist nicht ganz das richtige Wort, denn man sollte nicht mutig sein müssen, wenn man zu sich steht. Das sollte normal sein. Aber auch da mangelt es mir an einer besseren Umschreibung. Ich lehne mein Knie sanft gegen das seine und sofort blickt er mich an. "Schmeckt dein Eis?"
"Was ist das mit meinen Fingern?" Bei meiner Nachfrage lachen Mia und Brenda nur und ich verdrehe meine Augen. Ich muss ihn gar nicht auf meine Seite ziehen. Billy murmelnd die Worte nur und ich grinse einfach nur. Bei Brenda darf man nicht auf den Mund gefallen sein. Billy ist da ganz anders und ich mag es sehr wie die beide miteinander umgehen. Mia hat mir von ihnen erzählt, doch man spürt auch wie sehr sie sich lieben. So muss es sein, oder? Wenn man die Liebe zwischen zwei Menschen spürt, dann ist sie ehrlich und vollkommen. Ich spüre die kleine Berührung von Mia und mein Blick geht zu ihr. Direkt schlägt mein Herz wieder schneller. Das hat nicht nachgelassen. Mein Herz schlägt immer noch wie verrückt, wenn ich sie sehe, an sie denke, sie mir schreibt. Es ist nicht mehr nur ein Verliebtsein. Das ist es schon eine Weile nicht mehr. Doch das Verliebtsein ist nicht weggegangen. Diese L... ist nur dazugekommen. Ich hatte wirklich nicht gewusst wie toll eine Beziehung sein kann und dann kam Mia. "Es schmeckt wirklich großartig. Deines auch?" Ihr Blick, ihr Grinsen, als sie sich einen weiteren Löffel Eis gönnt, sagen mir mehr als jedes Wort es könnte. Ich muss etwas lachen. "Sehr gut." Meine linke Hand ist frei und ich lege sie auf ihren Oberschenkel. Mein Blick geht kurz zu meinem Eis und dann sehe ich wieder zu Brenda und Billy. Sie reden noch miteinander, doch mein Blick trifft auf Brendas, die grinst. Ich muss schmunzeln und hebe leicht meine Schultern. Billy ist als erstes mit seinem Eis fertig, dann ich, dann Brenda und zum Schluss natürlich Mia. Das war wirklich gut. Wir stimmen Billy alle zu und ich spüre wie Mia ihre Hand auf meine legt. Mein Blick geht wieder zu ihr. Lizzy hat mich damals indirekt dazu gezwungen mit Mia zu sprechen. Das weiß sie. Sie weiß auch, dass ich Angst habe. Sie hat nämlich sehr genau mitbekommen, dass ich nicht schlafen konnte. Sie hat alle sehr genau mitbekommen. Sie hatte von Anfang an ein Gefühl für mich. "Ich muss mit euch reden." Die Stimmung eben war sehr ausgelassen, doch auf einmal ist sie anders. Ich war das - wie ich den Satz gesagt habe. Billy und Brenda sehen mich beide fragend an. Ich drehe meine Hand auf Mias Oberschenkel, um meine Finger mit den ihren zu verschränken. Ich will es jetzt einfach nur noch hinter mir haben. Ich atme noch einmal durch. "Ich möchte euch wirklich gern bei der Verhandlung dabei haben. Ich tue mich immer etwas schwer damit neue Leute kennenzulernen, wenn man mich nicht dazu zwingt." Dabei geht mein Blick kurz zu Mia und ich muss etwas grinen. Dann sehe ich aber wieder zu den beiden Menschen vor mir. "Noch schwerer fällt es mir wirklich Freundschaften zu schließen. Ihr macht das einem allerdings sehr leicht." Oh, da ist ein Lächeln auf Brendas Lippen. "Es gibt etwas, das ihr noch nicht von mir wisst und ihr werdet es wohl in der Verhandlung erfahren. Doch ich möchte es euch selbst sagen." Dann schweige ich. Ich weiß nicht wie lange, doch irgendwann drückt Mia meine Hand und ich sehe zu ihr. Sie lächelt mit an und nickt leicht. Auch ich nicke. Du kannst es uns sagen. Brendas Stimme und ihre Worte bewegen mich dazu sie wieder anzusehen. "Ich habe ein Drogenproblem." Dieses Mal wollte ich nicht mit meiner Lebensgeschichte anfangen. Ich habe mir - natürlich - sehr genau überlegt wieich es ihnen sage. "Ich habe über zwölf Jahre verschiedene Drogen zu mir genommen. Leistungsdruck, Gruppenzwang und ich kann sicher noch mehr Ausreden dafür finden. Es hat mich letztes Jahr fast umgebracht. Ich bin seit Anfang des Jahres clean. Ich mache eine Therapie." Ich atme noch einmal durch und schaue auf die Schale vor mir, in der kein Eis mehr ist. Nach dem ersten Satz konnte ich die beiden nicht mehr ansehen. "Ich mache auch eine Therapie wegen meiner Aggressionen." Nun hebe ich sie doch wieder an. "Es wird vermutet, dass es durch den langjährigen Drogenkonsum kommt. Ich habe nie jemanden weh getan. Ich habe Dinge zerstörrt, geschrien, aber nie jemanden weh getan - bis auf Steven." Ich habe wirklich höllische Angst diese beiden Menschen wieder zu verlieren. Meine Hand lockert ihren Griff um Mias, die ich bis eben sehr fest gedrückt habe. Ich hoffe ich habe ihr nicht wehgetan. Ich atme. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Ich darf jetzt keine Panikattacke bekommen.
Schweigen. Nachdem Tristan seinen letzten Satz von sich gegeben hat, setzt es ein und zieht sich dann einige Sekunden. Mein Blick war die meiste Zeit auf Tristan gerichtet, während ich seine Hand gehalten und ihm selbstverständlich sehr aufmerksam zugehört habe, ist jedoch auch immer mal wieder zu Brenda und Billy gewandert. Ihre Gesichter haben sich nicht verfinstert. Erst haben sie fragend dreingeschaut und dann ernst - so wie jetzt auch noch. Meine Zungenspitze streift meine Lippen und ich blicke von der Seite wieder Tristan an. Am liebsten würde ich ihm gerade sagen, wie unglaublich toll er das gemacht hat, aber zum einen wäre das wohl nicht angebracht vor den beiden und zum anderen ist es Brenda, die dann auf einmal das Schweigen bricht. Der hat es aber auch verdient. Mein Blick schnellt sofort zu ihr und ich blicke sie überrascht an. Mit dieser Reaktion habe ich nicht gerechnet. Was denn? Das hast du doch jetzt auch zuerst gedacht oder? Die Frage ist an ihren Mann gerichtet, der nicht darauf reagiert. Sein Blick richtet sich auf mich und mein Herz schlägt einen kräftigen Schlag. Hast du das gewusst? Er sieht immer noch sehr ernst aus. "Das habe ich. Tristan hat mir sehr früh all das erzählt und ich..." Du hast dich trotzdem auf ihn eingelassen? Ich straffe meine Schultern und drücke die Finger von Tristan fest mit den meinen. "Das habe ich und würde es sofort wieder tun." Billy nickt langsam und richtet seine Aufmerksamkeit dann auf den Mann neben mir. Also du nimmst nichts mehr und machst eine Therapie? Einzeln oder in so einer Gruppe? Tristan erklärt ihm, dass er beides macht und wieder nickt Billy. Es passiert nicht oft, dass Billy die Gesprächsführung übernimmt - abgesehen von Themen, die speziell ihn interessieren oder dergleichen. Er hat Tristan wirklich gern oder? Wenn er ihm gleich wäre, dann würde ihn das nicht interessieren beziehungsweise anders interessieren, denn dann würde er sich mehr auf mich fokussieren, weil ich ihn interessiere, aber nach seinen Fragen an mich, hat er seine weiteren sofort an Tristan gerichtet. Natürlich wusste ich schon, dass er Tristan gut findet und ihn nicht nur als Mann an meiner Seite akzeptiert, sondern ihn als Freund schätzen gelernt hat. Aber dieser wundervoll offene und ehrliche Mann an meiner Seite hat gerade eine sehr ernste Wahrheit offenbart und es ist nicht selbstverständlich, dass man darauf so ruhig reagiert. Bevor wir dir weitere Fragen stellen, was wir werden, möchte ich mich für deine Offenheit bedanken. Du hättest nicht so ehrlich sein müssen, dessen bin ich mir bewusst. Du hättest sagen können, dass wir nicht zur Verhandlung kommen sollen und vielleicht hätten wir es dann nie erfahren. Nun ergibt es Sinn, dass du uns letztens nicht gefragt hast, ob wir kommen. Ich weiß deine Worte sehr zu schätzen, auch wenn ich gerade überwältigt bin.
Ich erkläre Billy, dass ich jede Woche zu einem Psychiater gehe und auch regelmäßig zu einer Gruppentherapie. Meine Stimme ist leiser als zu zuvor und etwas dünn. Ich habe wirklich Angst und vor allem kenne ich Billy so nicht und ich kenne ihn auch nicht gut genug, um das alles einschätzen zu können - vor allem seine Fragen an Mia. Natürlich passt er auf Mia auf. Nicht nur Brenda tut das. Höchst wahrscheinlich wünschen sie sich für ihre Freundin etwas anderes. Vor allem nachdem ich jetzt weiß wie Steven zu ihr war. Sie hatte schon eine Beziehung mit einem Mann, der Probleme hat. Andere als ich. Ich habe ihn nicht nur von meinem Drogenproblem erzählt, sondern auch von meinen Aggressionen. Ich würde Mia niemals wehtun. Ich kann nicht sagen was mich da so sicher macht, doch ich weiß es einfach. Es ist noch nicht einmal bei Menschen passiert, die mir bedeutend weniger als Mia bedeuten. Es ist nur bei Steven passiert, doch das war eine ganz andere Situation. Das hat der Psychiater mir in der Therapie erklärt. Dann höre ich Brendas Worte und lächle ganz leicht. "Ihr solltet es wissen. Nicht nur wegen der Verhandlung." Ich nicke ganz leicht. "Und ihr könnt mich alles fragen was ihr wollt." Brenda hat es schon angekündigt und ich werde jede ihrer Fragen beantworten, denn das haben sie verdient. Auch wenn ich mich gerade am liebsten übergeben würde - oder mich volldröhnen. Gerade ist das Bedürfnis wirklich sehr groß. Ich fange an mit meinem rechten Bein zu zucken und versuche den Blicken von Brenda und Billy standzuhalten. Wie gern würde ich jetzt aus dieser Situation flüchten. Ob Mia das spürt? Ihr Daumen streicht über meinen Handrücken und das beruhigt - zumindest etwas. Ich habe einfach Angst.