"Wie... großartig... war das denn bitte?", platzt es begeistert aus mir heraus, kaum das ich abgestiegen bin. Meine Finger öffnen bereits den Verschluss des Helmes. "Wir sind an der Notre Dame hergefahren! Oh, und das war der Louvre, oder? Hast du den Brunnen gesehen, auf diesem Platz dessen Namen ich nicht kenne? Oh und..." Ich nehme den Helm ab und schüttle sogleich meinen Kopf beziehungsweise mein Haar auf. "Das war großartig. So großartig.", lache ich, während meine Finger durch mein Haar streichen - nur zur Sicherheit. Ein Blick reicht aus und ich bin mir sicher, dass mein Kleid wieder richtig sitzt. Er ist sehr gut gefahren. Sehr vorsichtig, aber ohne zu langsam oder zurückhaltend zu fahren. Er hat sich sicher gefühlt, dass hat man gemerkt und das hat auch mir ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Ich klemme mir meinen Helm unter meinen Arm und stelle mich dann direkt vor ihn - was im Umkehrschluss bedeutet, dass er noch nicht von der roten Vesper steigen kann. "Du bist großartig.", säusel ich ihm schmunzelnd zu. Ich nähere mich ihm und neige meinen Kopf zur Seite, um ihm trotz seines Helms einen Kuss auf die Lippen zu pressen. Ja, pressen. Es ist ein überschwänglicher, leidenschaftlicher Kuss. "Mein Herz schlägt immer noch schneller vor Begeisterung." Ich gebe ihn frei, trete ein paar Schritte zurück, damit er absteigen kann und blicke mich dann um. Seit gestern ist alles neu für mich. Ganz gleich wo wir hergehen oder herfahren - alles ist neu. Neu und aufregend. Jemand, der mich nicht gut kennt, würde sehr wahrscheinlich gar nicht bemerken, wie sehr ich mich freue, wie begeistert ich bin, wie aufregend ich all das finde, weil ich niemand bin der Luftsprünge macht, quietscht oder dergleichen, aber er weiß es. Ich weiß, dass er es weiß, weil ich ihn schon ein paar Mal dabei erwischt habe, wie er mich angesehen hat und dann war da auch immer dieses wissende Lächeln.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals - vor Freude! Dass sie sich so freut ist einfach atemberaubend. Es sollte wirklich ein schöner Urlaub für sie werden und jetzt ist es so, dass sie gar nicht mehr aufhört sich zu freuen. Und das macht mich so unglaublich glücklich. Meine Lippen kribbeln noch von ihrem Kuss, den sie gerade auf diese gepresst hat - trotz des Helms. Diesen nehme ich nun ab und steige dann von der Vesper. "Gib mir deinen Helm." Unter dem Sitz ist ein Raum eingelassen, in den beide Helme geradeso hereinpassen und dort schliese ich sie ein, damit wir sie nicht tragen müssen. Die Vesper wird gesichert und dann gebührt meine ganze Aufmerksamkeit wieder ihr. Ich stelle mich neben sie und lege meinen Arm über ihre Schultern und drücke sie sanft an mich. Ihr Blick ist auf den Park gerichtet und auf das Schloss. Wir stehen da ein paar Minuten und genießen einfach. "Komm." Ich nehme meinen Arm von ihren Schultern und ergreife ihre Hand, um den Schlosspark dann auch zu betreten. "Die Anlage würde von der Witwe von Heinrich IV. in Auftrag gegeben. Dies war das Landschloss. Die Stadt war damals noch nicht so groß. Jetzt ist es ein staatlicher Park und im Palais du Luxenbourg tagt heutzutage der Senat." Ihr Blick geht zu ihr und ich lache etwas. "Ein bisschen was habe ich nachgelesen." Ich zwinkere ihr zu. "Die Stühle heißen Luxenbourg und wurden speziell für den Garten gemacht. Mittlerweile findet man sie aber überall in Paris. Und der Park ist zu einem Ort geworden, an dem Menschen sich treffen. Neben dem Klavier gibt es Tennis- und Basketballplätze, Karusselle und Spielplätze. Und es gibt eine Orangerie. Im Herbst kann man hier die Produkte kaufen. Vielleicht haben wir ja Glück." Sanft drücke ich ihre Hand. "Wir können uns das Schloss auch ansehen, wenn du magst."
Mein Blick wandert, während er mir Informationen über den Park erzählt, immer wieder zwischen dem Schloss, den Bäumen, den Menschen, den Stühlen und ihm hin und her. Alles ist in helles, warmes Licht getaucht und ich versuche nicht nur alles zu erfassen, sondern mir auch vorzustellen, wie es hier wohl zu Lebzeiten der Witwe von Heinrich IV ausgesehen hat. "Hat sie die Fertigstellung noch erlebt?" In der Geschichte ist es häufig vorgekommen, dass Menschen Bauwerke in Auftrag gegeben haben und die Fertigstellung nicht mehr erlebt haben, weil früher alles einfach viel länger gedauert hat. "Ich finde es schön, wie das Gelände jetzt genutzt wird." Sowohl das Schloss als auch der Park. "Kaum vorstellbar, dass dies mal ein Landschloss war. Vor allem, weil wir gefühlt mitten in Paris sind." Ich lache leise und drücke dabei sanft seine Hand. "Danke, dass du es dir extra angelesen hast." Ich finde es sehr aufmerksam von ihm, dass er mir nicht nur diese wunderschöne Stadt zeigt, sondern mir auch von ihr erzählt - sei es nun aus einem historischen Kontext oder aus seinem Leben. Ich finde das unglaublich spannend. Ich schiebe meine Sonnenbrille mit meiner freien Hand hinauf in mein Haar, um alles um mich herum auch mal ungetönt zu sehen. Es duftet nach Grün und nach Blumen. Es ist laut, weil es belebt ist, aber nicht zu laut. Gewiss, sind jetzt gerade noch nicht so viele Menschen hier unterwegs, weil wir noch recht früh dran sind. Es ist nicht mehr morgens, aber immerhin müssen die Menschen, die hier leben, vormittags arbeiten. Ob die meisten hier Touristen sind so wie ich? "Oh, meinst du." Mein Blick richtet sich wieder auf ihn und ich lächle. Er hat das nicht umsonst gesagt, oder? Er weiß inzwischen wie sehr man mich mit sowas glücklich macht. "Wir müssen auf jeden Fall gucken, ja?" Als er das Schloss erwähnt, nicke ich direkt. "Sehr gerne, wenn das möglich ist." Meine Zungenspitze streift meine Lippen und ich rolle sie einmal übereinander. "Ist es in Paris üblich, dass man auch Gebäude besichtigen kann, in welchen zum Beispiel der Senat tagt?" In den USA gibt es sehr strenge Richtlinien. "Aber erstmal suchen wir das Klavier, ja?"
"Sie hat es noch erlebt. Aber so wie ich es gelesen hat wurde der Garten permanent erweitert und verändert. Daher kann man auch nicht wirklich davon sprechen, dass er fertig war." Sie ist immer so interessiert an allem. Genau deswegen hat er sich auch etwas angelesen. Tatsächlich fand er es dann auch selbst spannend. Mein Blick geht zu ihr, als sie ihre Sonnenbrille auf ihren Kopf schiebt und ich lächle leicht. Ich kann ihre Augen wieder sehen, die alles aufmerksam betrachten. Sie scheint alles in sich aufzusaugen. "Wir gucken." Vielleicht bekommen sie ja frischen Orangensaft, den sie beim Frühstück genießen können. Das würde ihm sehr gut gefallen. Vielleicht gibt es auch irgendwas, das nicht direkt frisch ist und sie sogar mit in die USA nehmen können. "Ich glaube, das ist gar nicht so unüblich. Aber natürlich nur, wenn der Senat keine Sitzungen hat. Ansonsten sind die Gebäude eigentlich auch besichtbar. Zumindest soweit ich weiß." Vielleicht gibt es auch Ausnahmen, doch gerade weiß ich keine. "Dann sehen wir es uns an. Vielleicht geht das auch nur mit einer Führung. Schauen wir, sobald wir das Klavier gefunden haben." Ich grinse sie an und wir schlendert durch den Park. Wir machen auch ein paar Fotos auf den Stühlen. Mia erblickt dann das Klavier und ihr Schritt wird direkt schneller und sie lässt sogar meine Hand los. Das scheint ihr direkt bewusst zu sein und sie wartet auf mich, damit sie meine Hand wieder ergreifen kann. Ich muss lachen und wir gehen zu dem Klavier. Es sitzt niemand dran und nur ein paar Menschen drumherum. Es ist ein bisschen zu frisch, um einfach im Park zu sitzen und es sind allgemein nicht extrem viele Menschen unterwegs. "Was soll ich spielen?" Sie hat selten Wünsche, doch vielleicht möchte sie etwas bestimmtes hören?
"Wir befinden uns in einem Schlosspark. Vielleicht zuerst irgendetwas klassisches?" Meine Antwort auf seine Frage hin hat etwas auf sich warten lassen, denn sonst ist es so, dass ich keine speziellen Wünsche habe. Alles was er spielt klingt in meinen Ohren großartig. Er gibt ein leises Lachen von sich und wiederholt nur meine Worte Irgendetwas klassisches. "Das war keine sehr genaue Angabe. Bitte entschuldige." Er dreht seinen Kopf in meine Richtung, denn zuvor hat er das Klavier in Augenschein genommen, und unsere Blicke finden den des jeweils anderen. Ich beiße mir lächelnd auf meine Unterlippe und dann schlägt meinen Herz einen kräftigen Schlag als ich in seinen Augen den Moment erkenne in welchem ihm in den Sinn gekommen ist, was er spielen könnte. Ich kann es natürlich nicht zu hundert Prozent beschwören, doch nur eine Sekunde danach richtet er seinen Blick auf die Tasten vor ihm. Ich stehe nicht direkt neben ihm, sondern neben dem Klavier - lehne mich vorsichtig daran. Denn so kann ich ihn, natürlich ihm zu gewandt, dabei beobachten wie er spielt. Ich höre ihm nicht nur gerne zu, ich beoachte ihn dabei auch gerne. Er ist sich dieser Tatsache inzwischen bewusst. Am Anfang unserer gemeinsamen Zeit hat er manchmal nach dem Ende eines Stückes angemerkt, dass ich ihn beobachtet habe, aber er hat nie gesagt, dass ihn das stört, also habe ich nicht damit aufgehört. Als er zu spielen beginnt, formen sich meine Lippen von Neuem zu einem Lächeln. Ich kann seine Finger gerade nicht sehen, aber ich habe sie oft genug dabei beobachtet, wie sie über Tasten tanzen, sodass ich es mir auch jetzt vorstellen kann. Was ich jedoch sehen kann, ist sein Gesicht und da ist wieder dieser Ausdruck, den ich bei ihm bisher nur erkennen konnte, wenn er Klavier gespielt hat.
Als mir ein Stück in den Sinn kommt, setze ich mich an das Klavier und mein Blick geht noch einmal zu Mia, die sich an das Klavier gelehnt hat und zu mir sieht. Ich weiß, dass sie mich gern beim Spielen beobachtet und es stört mich überhaupt. Es gibt sogar nur sehr wenig, was mich überhaupt beim Spielen stört. Ich spiele die ersten Töne und finde, dass das Klavier sogar ganz gut klingt, dafür dass es in einem Park steht und jeder darauf herumspielen kann. Wahrscheinlich klettern Kinder darauf herum und hauen auf die Tasten. Bei den Gedanken schüttelt es mich innerlich, doch ich will nicht über so etwas nachdenken. Ich will spielen und das tue ich auch. Es dauert nur zwei weitere Sekunden und ich habe ausgeblendet wo ich bin. Ich spiele das Stück in meinem Kopf und genieße es sehr. Nach meinem Entzug war es komisch Klavier zu spielen. Es hat sich so anders angefühlt und ich konnte nicht einordnen, ob ich es gut oder schlecht finde. Ich konnte damals so einige Gefühle nicht richtig einordnen. Doch das hat sich gelegt und mittlerweile liebe ich die Gefühle, die ich empfinde, während ich spiele. Ich verliere mich noch mehr darin als früher. Doch es gibt nur etwas - oder besser gesagt jemanden - in meinem Kopf und ich hebe meinen Blick und sehe zu Mia. Ihre Augen sind geschlossen und das lässt mich lächeln. Als ich ihr in meiner Wohnung das erste Mal ein Video von mir gezeigt habe, als sie mich das erste Mal hat spielen hören, hatte sie auch ihre Augen geschlossen. Daran muss ich immer denken, wenn ich sie dabei "erwische". Sie scheint zu spüren, dass ich sie ansehe, denn ihre Augen öffnen und unsere Blicke treffen sich. Diese sind sehr sanft, sehr verliebt und wir sehen uns die ganze Zeit an, bis ich das Stück zuende gespielt habe.
"Das war..." Ich setze gerade dazu an ihm zu erklären, wie wundervoll ich sein Klavierspiel fand, als ich den Applaus höre. Ich habe gar nicht registriert, dass andere Leute um uns herum stehen geblieben sind, weil ich nur Augen und Ohren für ihn hatte. Es ist keine große Menge, aber die Hände von vier, fünf Menschen klatschen und anstatt weiterzusprechen, stimme ich mit ein bis der Applaus abebbt. Was für ein wunderschöner Moment - zumindest für mich. Ich hoffe, dass er das für ihn auch war. Wir befinden uns mitten in einem Park in Paris. Er hat gerade wundervoll gespielt und wir haben uns einige Zeit von seinem Spiel in die Augen geschaut. Als wäre seine Musik nicht schon verzaubernd genug, machen es solche Blicke immer noch besonderer für mich. Er schenkt mir seine Aufmerksamkeit, während er das tut, was er am liebsten tut. Nun auch noch das anerkennende Klatschen fremder Menschen. Ich kann nicht aufhören zu lächeln und während ich mich umschaue, funkelt da vielleicht so ein bisschen Oh ja. Der gehört zu mir. - Stolz in meinen Augen. Die Menschen gehen weiter, was ich zwar mitbekomme, aber da ich meine Aufmerksamkeit bereits wieder auf ihn gerichtet habe, nur am Rande. "Spielst du noch etwas?", frage ich hoffnungsvoll. "Etwas, dass du gerade spielen willst. Etwas wonach dir ist." Inzwischen verrät mir seine Auswahl tatsächlich oft wie es in ihm aussieht, wie es ihm gerade geht. Natürlich hat er zum Beispiel vor dem Festival oder dem Konzert bestimmte Stücke immer wieder gespielt um sie zu verinnerlichen, aber ansonsten. Ob er sich dessen bewusst ist?
Mein Blick löst sich von ihr, als ich den Applaus höre. Ich lächle etwas unsicher, doch tatsächlich nur eine Sekunde und setze mein Bühnenlächeln auf und nicke den Menschen dankbar zu. Stimmt. Es hören mir hier noch andere zu. In den letzten Monaten habe ich die meiste Zeit für Mia allein gespielt. Selbst wenn ich stundenlang am Klavier saß und wir nicht miteinander gesprochen haben, waren das immer sehr intime Momente zwischen uns. Das Gespräch über unser Klavier hat mir gezeigt, dass es auch für sie sehr intim ist. Es wurde noch intimer, als ich ihr sogar ein Stück geschrieben habe. Als ich uns eines geschrieben habe. "Wonach mir ist?" Ich muss etwas grinsen und tatsächlich denke ich nicht darüber nach. Wenn ich nicht weiß, was ich spielen soll, dann lasse ich meine Finger entscheiden. Ich kenne so viele Stücke, so viele Melodien. Manche spiele ich sehr bewusst. Ich habe auch Stücke, die ich einfach gern spiele, doch manchmal entscheide ich nicht bewusst und genau das mache ich jetzt. Ich lasse meine Finger entscheiden und sie entscheiden sich für ein sehr frohes Stück. Es ist hell, schnell, ohne aufgeregt zu sein. Tatsächlich ist es eines, das Mia auch kennt, da es mit zu meinen liebsten Stücken gehört, die ich so spiele. Es ist relativ lang, doch uns hetzt niemand und ich weiß, dass ich den ganzen Tag hier spielen könnte und Mia würde nicht eine Sekunde von meiner Seite weichen. Ein schönes Gefühl, dass sie das alles nicht nur mag, sondern mich dabei auch unterstützt. Das bedeutet mir unglaublich viel. Bisher hat sie nie durchblicken lassen, dass sie sich irgendwie vernachlässigt fühlt, wenn ich spiele. Sie hat nie zu mir gesagt: Jetzt lass es doch mal gut sein. Mittlerweile weiß sie sogar, wenn mir danach ist zu spielen. Wenn es denn Momente sind, in denen ich denke: Nee, du kannst jetzt nicht ans Klavier gehen. fragt sie mich auf einmal, ob ich ihr nicht etwas vorspielen kann. Ich spiele das Stück zuende und es gibt wieder etwas Applaus. Doch dieses Mal sehe ich nur Mia an. "Soll ich unser Stück spielen?" Bisher kennt nur sie es. Hier würden es andere hören, doch es wären Fremde. Sie würden es nie wieder hören, doch ich hätte es in Paris für sie gespielt. Irgendwie möchte ich das, doch ich weiß nicht, ob das nicht zu intim wäre. Sie kann so etwas und auch mich und meine Gefühle diesbezüglich besser einschätzen als ich. So war es auch bei dem Klavier. Als sie mir ihre Gefühle dazu erklärt hat, habe ich diese auch in mir entdeckt. Manchmal bin ich zu sehr Musiker-Tristan, um auf die Gefühle des Mensch-Tristan Rücksicht zu nehmen. Das kann sie besser.
Es geht ihm gut. Er ist glücklich. stelle ich still und heimlich für mich fest. Ich kenne das Stück, dass er spielt. Es ist sehr munter ohne aufdringlich zu sein. Es hat etwas fröhliches. Es gehört zu den Stücken, die er immer mal wieder spielt - nicht, weil er es muss, sondern weil er es so gerne spielt. Ich kann gar nicht damit aufhören zu lächeln und genieße es sehr ihm und seinen Fingern dabei zu zuhören, wie sie dieses wunderschöne Stück spielen. Das es dann dafür von Neuem Applaus gibt, dieses Mal sogar von ein paar mehr Menschen, weil so ein, zwei stehen geblieben und neue dazu gekommen sind, kann ich verstehen, denn es klang sehr schön. Natürlich stimme ich in den Applaus wieder mit ein. Er hätte noch viel mehr Anerkennung verdient, aber in diesem Moment fühlt es sich gut an, dass es so wenige Menschen sind. Die, die hier stehen, tun das nicht, weil sie sich bewusst dazu entschieden haben ein Konzert zu besuchen, sondern weil ihnen seine Musik so gut gefallen hat, dass sie spontan stehen geblieben sind, um ihm zu lauschen, obwohl sie vielleicht gerade auf dem Weg zur Arbeit sind oder jemanden besuchen gehen wollen oder einkaufen müssen oder was auch immer. Ich verstehe sehr gut, dass er einen verzaubern kann - nicht nur mit seiner Musik. "Unser Stück?" Sogleich schlägt mein Herz schneller. Ich liebe dieses Stück. Ich liebe es nicht nur, weil er es für uns komponiert hat, sondern auch weil es so traumhaft schön klingt. Mein Blick wandert einmal um uns herum. Wieder sind die meisten Menschen weitergegangen, doch da steht noch ein älteres Paar und lächelt in unsere Richtung. Wir sind in Paris. Wir sind in einem Park. Wir würden ein Stück, was er bisher nur für uns gespielt hat, anonym mit anderen Menschen teilen. Mit diesem älteren Pärchen und vielleicht auch mit anderen, die diese Melodie nicht erkennen würden, aber sie so schön fänden, dass sie stehen bleiben würden. Mein Blick findet wieder den seinen und mit wild schlagendem Herzen, nicke ich als Zeichen dafür das ich die Idee schön finde. Der Gedanke, dass wir in dieser atemberaubenden Stadt ein Stückchen unserer Liebe in Form seines Stücks da lassen, und wenn auch nur in Erinnerung der Menschen, die es heute zufällig hören, hat etwas wunderschönes. Ganz davon abgesehen ist es sein Stück. Er hat es komponiert. Wenn er dafür Applaus und somit Anerkennung von anderen bekommen würde, fände ich das toll - auch wenn ich mir recht sicher bin, dass er es nur für mich spielen wird.
"Komm her." Die Bank bietet genug Platz für uns beide, denn ich möchte das Stück nicht spielen, wenn sie so weit von mir weg steht. Okay, so weit ist es vielleicht, doch für mich zu weit. Sie kommt zu mir und nimmt neben mir Platz. Wir berühren uns leicht und ich gebe ihr einen kleinen Kuss, bevor ich mich wieder dem Klavier zuwende. Tatsächlich mag ich es sehr, wenn sie neben mir sitzt beim Spielen. Wir berühren uns und ich kann Klavier spielen. Das vereint meine beiden liebsten Dinge auf dem Planeten - auch wenn ich sie natürlich nicht als Ding sehe. Mein Blick geht noch einmal zu ihr, doch sie entscheidet sich nicht um. Auch wenn ich es geschrieben habe - es ist unser Stück. Es ist unsere Geschichte und ich habe es ihr geschenkt. Niemals würde ich es als mein Stück betrachten. Meine Finger legen sich auf die Tasten, finden die richtigen und dann fange ich an unser Stück zu spielen. Es geht mir so leicht von meinen Fingern. Ich spiele es nicht so oft, doch immer mal wieder. Ich mag ihren Blick, wenn sie es schon am ersten Ton erkennt und mir dann diesen einen speziellen Blick zuwirft. Sie lässt dann auch alles stehen und liegen und lauscht der Musik sehr bewusst. Ich liebe es dieses Stück zu spielen und auch wenn wir hier in einem Park sitzen und hier andere Menschen sind, spiele ich es nur für sie. Nur wir beide wissen was das Stück erzählt, wie viel Liebe darin steckt, wie viel Kampf und auch Leid. Wir kennen genau die Geschehnisse, die in Noten gegossen wurden und nur wir haben sie auch erlebt.
"Oh... mein Herz schlägt so schnell.", flüstere ich ihm ganz leise zu. Dieses Mal stimme ich nicht in den Applaus der fremden Menschen mit ein, sondern schmiege meine Seite noch ein bisschen mehr an die seine und greife nach seiner Hand. Er hat seine beiden von den Tasten genommen als er geendet hat und so kann ich nun meine Finger mit den seinen verschränken und sanft zu drücken. Ich beobachte unsere Finger dabei, wie sie sich finden, verschränken und dann behutsam drücken. "Ich liebe dich." Wieder ist es nur ein Flüstern, aber das macht die Worte nicht weniger wahr. Sie kommen von Herzen. Von dem Herzen, welches er immer wieder mit diesem Stück berührt. Dieses Mal hat es sich anders angefühlt. Nicht weniger schön, sondern nur anders. Und obwohl wir nicht alleine sind, war es für mich ein sehr intimer Moment. Zu sehen und zu hören, wie er es spielt, hat mich auf eine Weise berührt, die ich in Worte fassen könnte. Dass ich ihm die Worte gerade zugeflüstert habe, liegt nicht nur daran, dass dieser Moment so intim war und sie nur für seine Ohren bestimmt waren, sondern auch daran, dass meine Stimme sonst wohl ein wenig zittrig geklungen hätte. Ich weiß noch genau wie es das erste Mal war, dass wir uns ganz offen in der Öffentlichkeit als Paar gegeben haben. Ich war so aufgeregt. Ich war vorfreudig, hatte aber auch ein bisschen Angst. Es war ein sehr schöner Moment und dieser jetzt fühlt sich nicht exakt genauso an, aber ähnlich und nicht weniger wundervoll.
"Ich liebe dich." Da ist nur sie und alles andere habe ich ausgeblendet. Unsere Hände halten sich, unsere Finger haben sich miteinander verschränkt und wir sehen uns wirklich sehr verliebt an. Aber wir sind auch sehr verliebt, daher kann man uns das wohl auch nicht übel nehmen, oder? Nicht einmal wir können uns das übel nehmen. Ich lehne meine Stirn an die ihre und für einen Moment schließe ich meine Augen und genieße diese Zweisamkeit. Dann bekommt sie einen Kuss und wir stehen auf, ohne dass unsere Hände sich auseinander lösen. "Wir sollten nochmal herkommen." Ich grinse leicht und während wir von dem Weg weggehen, sprechen uns ein älteres Paar an, die mir sagen wie sehr ihnen mein Spiel gefallen hat. Sie sprechen Französisch, scheinen aber nicht aus Paris zu kommen - zumindest haben sie einen anderen Dialekt. Ich bedanke mich, stelle Mia vor und sage ihnen, dass sie gerade erst Französisch lernt, was die beiden dazu bewegt langsamer zu reden und auch einfachere Sätze zu bilden. Ich finde das unglaublich lieb und Mia nickt an der einen oder anderen Stelle sogar. Sie versteht. Wir verabschieden uns und gehen weiter. "Willst du erst ins Schloss oder erst in die Orangerie?" Mein Blick geht zu ihr und zu ihren Lippen. Ich könnte sie schon wieder küssen. Heute ist es wieder besonders besonders schlimm. Leicht beginne ich auf der Innenseite meiner Unterlippe zu kauen, um mich davon abzulenken sie küssen zu wollen.
"Die beiden waren so lieb und freundlich." Das ältere Pärchen war nicht nur freundlich, sondern auch so aufmerksam sehr langsam und verständlich mit mir Französisch zu sprechen. Sie haben sich wirklch Mühe gegeben und nebst der Tatsache, dass es mein Herz mit Freude gefüllt hat das sie Tristan gesagt haben, wie schön sie es fanden ihm dabei zu lauschen, wie er Klavier gespielt hat, hat mich das gerade sehr glücklich gemacht. Ich hälte seine Hand ganz fest und blicke nun im Gehen von der Seite zu ihm hinauf. "Lass uns erst das Schloss besuchen." Sollten wir in der Orangerie etwas finden, dass wir mitnehmen wollen, müssten wir das sonst mit ins Schloss nehmen, wenn wir dieses erst als zweites besuchen würden. "Ich bin sehr gespannt.", erkläre ich. "Wir sind noch keine zwei Tage hier und es gab schon so viele schöne Momente. Ich benutze das Wort schön sogar viel öfter als sonst. Ist dir das schon aufgefallen?" Ich muss leise lachen. "Wenn diese Zeit in Paris oder besser gesagt in Frankreich..." Denn wir besuchen schließlich auch noch seine Großmutter am Meer. "...weiterhin so ist, wie bisher, kann ich dieses Wort danach nie wieder benutzen." Ich zwinkere ihm amüsiert zu und richte meinen Blick dann wieder nach vorne - zum einen sollte ich mich auf den Weg konzentrieren, weil ich ihn nicht kenne, und zum anderen gibt es so vieles zu sehen, dass ich nichts verpassen möchte.
Wir betreten das Schloss und mein Blick geht zu ihr. Ich kenne dieses Schloss auch nicht, doch ich kenne Schlösser. Sie hat noch nie eines von innen gesehen und dieses ist wirklich gut erhalten und wir sind gerade einmal im Eingangsbereich. Mia ist stehen geblieben und ihr Blick geht die Wände entlang, über die bemalte Decke und ich grinse leicht. Ich beuge mich zu ihr und lege meine Lippen an ihr Ohr. "Schön, oder?" Ich benutze das Wort extra und hoffe, dass sie wirklich so viele schöne Momente in diesem Urlaub haben wird, sodass das Wort eine ganz neue Bedeutung für sie bekommt. "Bin gleich wieder da." Sie soll sich ruhig etwas umsehen. Ich gehe zur Information und erfahre, dass man eine Audio Tour machen kann. Also besorge ich uns zwei dieser Dinge auf Englisch und lasse mir erklären, dass wir einfach den aufgestellten Pfeilen folgen sollen. Ich gehe zu Mia zurück und hänge ihr den Audio-Guide um den Hals und setze ihr die Kopfhörer auf. "Bereit für dein erstes Schloss?" Meine Hand greift nach der ihren und wir folgen den ersten Pfeilen in den ersten Raum und drücken brav den richtigen Knopf. Dann lösen sich unsere Hände ganz von allein voneinander, denn wir bewegen uns unabhängig durch den Raum und lauschen den Erklärungen. Allerdings geht mein Blick immer wieder zu ihr - während der gesamten Tour. Ihre Freude und ihre Begeisterung sind schöner als jedes Schloss.
Immer wieder wandert mein Blick zu dem Mann hinüber, der mein Herz dazu bringt schneller zu schlagen. Dieses Schloss ist beeindruckend. Es gibt so vieles zu bestaunen und trotzdem finde ich immer wieder die Zeit dafür einen Blick in seine Richtung zu werfen. Manchmal treffen sich unsere Blicke. Manchmal nicht. Er kennt solche imposanten Schlösser, aber nicht dieses und so lauscht auch er sehr aufmerksam, der sehr angenehmen männlichen Stimme, die einem die Geschichte des Schlosses erklärt. Hin und wieder bin ich mir nicht sicher, wo ich zuerst hinschauen soll, wenn ich nicht gerade ihn ansehe. An die Decke? Zu den Wänden? Zu den Vorhängen oder Möbeln? Zu den Gemälden? Und das sind nur die offensichtlichen Schönheiten. In diesem prunkvollen Schloss, zwischen all den Kostbarkeiten, haben tatsächlich Menschen gelebt, so wie Tristan und ich in unseren Wohnungen. Für sie war es ganz normal, doch für mich ist es eine Vielzahl von beeindruckenden Eindrücken. Ich gehe ein paar Schritte und dabei langsam an Tristan vorbei. Wie zufällig, berühre ich seinen Handrücken mit meinen Fingerspitzen. Wären wir Fremde und eine tatsächlich zufällige, flüchtige Berührung, würde ich mich nun zu ihm umdrehen und mich entschuldigen. Ich werfe tatsächlich einen Blick über meine Schulter hinweg zurück zu ihm, doch ich lächle nur und entschuldige mich nicht. Dann gehe ich weiter und lasse mir erklären, wer diesen Flur bereits alles entlang geschritten ist. Mir gefällt diese Tour, die Geschichte so anschaulich an allem erklärt, was man sehen kann. Obwohl ich immer wieder stehen bleibe, mir die Zeit nehme alles zu betrachten und mich in den Erklärungen und meinen Vorstellungen verliere, hetzt er mich nicht, was ich über alle Maßen zu schätzen weiß.