"Als kleines Kind... Als Baby habe ich mich gekratzt. Ich erinnere mich natürlich nicht mehr daran, aber meine Eltern haben es mir erzählt." Meine Stimme ist leise, während ich ihm seine Frage beantworte. Mein Blick ruht dabei auf seinen Augen und ich sehe, dass er kurz zu meiner Narbe schaut und dann wieder zu meinen Augen. Meine Mundwinkel zucken zu einem kleinen Lächeln in die Höhe. Sein Streicheln fühlt sich schön an - beruhigend irgendwie. Mein Körper ist ohnehin erfüllt von dieser süßen Erschöpfung, die unser Beisammensein mir beschert hat. Ich bin müde - das spüre ich ganz genau. Doch ich möchte meine Augen noch nicht schließen. Ich möchte ihn noch ein wenig betrachten. "Nein, muss ich nicht." Meine eine Hand liegt unter meiner Wange, doch meine andere Hand bewege ich nun. Wir liegen einander gegenüber - sehr nah. So schiebe ich meine Hand zwischen uns, um sie auf seine Brust zu legen. Mein Zeigefinger beginnt langsam damit über seine Haut zu streicheln. "Ich dachte mir, es wäre besser, wenn ich morgen erst mittags ins Vanilla muss." Wie sich nun herausgestellt hat, war das eine sehr gute Idee, denn es ist wirklich spät geworden. Ich bereue keine einzige Sekunde. Keine noch so kleine. Ich hebe meinen Kopf an und nähere mich mit meinem Gesicht dem seinen. Meine Augen schließen sich als ich so nahe bin, dass ich mit meiner Nasenspitze die seine hauchzart streicheln kann. "Ich werde gleich einschlafen.", flüstere ich leise. Ich spüre es. "Davor muss... will ich dich aber nochmal küssen." Und genau das tue ich dann auch. Ich bette meine Lippen ganz langsam auf den seinen, so als würde ich jeden Millmeter den ich seine Lippen mehr auf den meinen spüre auskosten - was ich auch tue. Dann küsse ich ihn sehr liebevoll. Sehr, sehr liebevoll. So sehr, dass es mir selbst bewusst wird und mein Herz einen kräftigen Schlag schlägt. Ich löse mich von seinen Lippen und atme einmal, während ich meine Augen öffne. Doch blicke ich nur auf seine Lippen und nicht noch einmal auf seine Augen so als wäre ich schüchtern oder vielmehr peinlich berührt - vielleicht gibt es für das Gefühl, das ich gerade empfinde auch gar keine Beschreibung. "Schlaf gut, Babe." Ich lege mich wieder richtig hin, aber verändere meine Position noch ein wenig. Meine Hand bleibt wo sie ist, damit ich ihn bis ich einschlafe streicheln kann, doch der Rest meines Körpers schmiegt sich an den seinen. Mein eines Bein schlinge ich sogar um ihn. Noch nie, und das weiß ich genau, habe ich im Schlaf jemandes Nähe so sehr gesucht wie die seine. Ich schließe meine Augen wieder und flüstere: "Träum von mir."
Dieser Kuss macht etwas mit ihr. Er lässt mein Herz schneller schlagen, er beschleunigt meinen Atem, er beruhigt mich, er gibt mir eine Wärme, die ich nicht einmal wage zu beschreiben. Ich erwidere den Kuss und hoffe, dass ich ihr all diese, durchweg positiven, Gefühle zurückgeben kann. Meine Hand liegt immer noch an ihrer Wange und ich wünschte dieser Kuss würde niemals enden. Wie oft habe ich mir heute schon gewünscht, dass Momente mit ihr nicht enden? Ich kann es selbst nicht mehr zählen. Mit einem kleinen Lächeln lasse ich zu, dass sie den Kuss wieder löst. "Gute Nacht, Mia." Sie schmiegt sich wieder an mich heran und ich genieße ihre Nähe wirklich sehr. Sanft küsst ihre Stirn und lehne meinen Kopf leicht an ihren. "Das werde ich hoffentlich." So wie sie mich streichelt, streichle ich auch sie. Meine Finger streichen über ihr Bein und ich hoffe, dass es ihr das Einschlafen noch versüßt. Ich weiß nicht, wann ich eingeschlafen bin, doch wieder einmal konnte ich bei ihr einschlafen, ohne dass ich meine Tablette nehmen musste und mich ewig hin und her gewälzt habe. Und da sie morgen nicht früh raus muss, schlafen wir beide vielleicht sogar ein bisschen aus. Es ist eine gute Nacht - eine sehr gute Nacht. Und ich träume von ihr.
Ich bin ihr in ihre Wohnung gefolgt und einerseits bin ich erleichtert darüber, dass ich nicht noch eine Runde um den Block gehe, andererseits frage ich mich, ob das nicht die bessere Idee gewesen wäre. Sie hat ihre Hand nach mir ausgestreckt und hat sie nicht wieder losgelassen. Auch jetzt nicht, als wir in ihrer Wohnung sind. Sie hat mich zu ihr gezogen, ich habe diesen nachgegeben und wir stehen voreinander. Unsere Körper berühren sich ganz leicht und wir halten uns immernoch an unseren Händen. Der Schreck sitzt mir noch tief in den Knochen und ihr sicherlich noch mehr. Mit meiner freien Hand streiche ich ihr Haar etwas zurück und lächle sie an. "Alles okay?" Ich hoffe, dass es ihr gut geht und Daniel sie nicht zu sehr erschreckt hat. Es war ein schöner Abend, es war ein super Film und es waren tolle Küsse in dem Kino. Auch der Moment, als sie meine Hand nehmen wollte schön und bei unserer Diskussion über das Wort schnulzig haben wir sehr viel gelacht. Es wäre schade - um diesen Abend - wenn die Begegnung mit Daniel diesen ruinieren würde. Hatte Daniel irgendwie komisch geschaut? Er hatte nachgefragt, ob ich an ihrem Stand sein werde auf dem Markt. Also vermutet er etwas, oder? Es ist das eine, wenn Brenda und Billy es wissen oder vermuten. Ich denke auch, dass Arthur etwas vermutet. Aber dieses Daniel kenne ich nicht. Wird er etwas sagen? Wird es für Mia dafür schlecht. Ich glaube mein Kopf explodiert gleich. Es sind so viele Gedanken gleichzeitig. Ich hätte nicht mit zu ihr kommen sollen, wir hätten nicht in das Kino gesollt, wir müssen vorsichtiger sein, wir müssen mehr bedenken, denn man könnte uns immer irgendwo antreffen.
"Sag du es mir." Warum flüstere ich? Es ist niemand hier, der mich hören könnte. Es ist niemand hier, der sehen könnte, dass wir so nah bei einander stehen, dass sich unserer Körper berühren, dass wir uns an den Händen halten und er mir zärtlich mein Haar aus dem Gesicht streichelt. Es ist dunkel, weil ich das Licht noch nicht angeschaltet habe, aber es ist noch hell genug, dass ich ihn erblicken kann. Sein Gesicht und seine Augen. Er scheint sich genauso erschrocken zu haben wie ich. Nein, es scheint nicht nur so. Seine Reaktion unten im Flur hat es schon sehr offensichtlich gezeigt. Doch da ist noch etwas in seinem Blick, was ich nicht recht deuten kann. Ich sehe in seinem Grün etwas schimmern, so wie er mich ansieht. "Du bereust es hier zu sein, hm?" Mit einem Mal sind da noch mehr Gedanken als zuvor in meinem Kopf. In den letzten Sekunden haben sie sich um Daniel gedreht und darum, dass Tristan sich unwohl, wie ein dunkles Geheimnis fühlen könnte, wenn ich zustimme das er noch eine Runde geht anstatt mit hochzukommen, doch nun vermischen sich diese Gedanken mit anderen. Was ist, wenn ihm gar nicht so sehr daran gelegen ist, dass keiner von uns weiß, weil er es mir recht machen möchte, sondern weil er nicht mit mir derart in Verbindung gebracht werden möchte? Warum habe ich da nicht schon vorher dran gedacht? Klar, es ist nett jemanden in einer neuen Nachbarschaft zu kennen, der einem alles zeigt und einem alle vorstellt und wenn dann auch noch Sex dabei herausspringt, warum nicht? Was ist, wenn er nicht will, dass man denken könnte er hat etwas mit einer älteren Frau, weil ihm das zum Beispiel Chancen bei anderen zu nichte macht? So ist er nicht. Nein, so ist er absolut nicht. Aber warum schaut er dann so an als würde er den heutigen Abend bereuen? Als würde er es bedauern, dass Daniel uns zusammen gesehen hat? Vorhin hatte ich so ein komisches Gefühl als wir über die Straße gingen und ich ihn gefragt habe, ob er immer so ist oder er sich um mich bemüht. Er schien irritiert oder etwas in der Art. Er meinte, er würde ein bisschen um mich werben. Was ist, wenn er das gar nicht tut aus den gerade gedachten Gründen und ich es nur falsch gedeutet habe? Was ist, wenn ich es ihm nicht nur viel zu einfach gemacht habe, sondern mich angbiedert habe? Mein Herzschlag rast. Meine Atmung geht viel zu schnell und zwar so deutlich, dass ich das auch nicht mehr verbergen kann so nah wie wir uns stehen. Ich schlucke und löse langsam meine Hand aus der seinen. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Mein Kopf droht zu explodieren und ich trete einen Schritt zurück. "Möchtest du etwas trinken?" Ich muss mich irgendwie ablenken. Am leichtesten wäre es mir all diese Gedanken zu machen und Rückschlüsse zu ziehen, wenn er nicht hier wäre, aber ich werde ihn nicht wegschicken. Das wäre falsch für ihn, dass weiß ich inzwischen.
"Mia." Sie hat ihre Hand aus meiner gelöst und ist von mir weggetreten. Ich atme tief ein und aus und da fragt sie mich, ob ich etwas trinken will. Sie geht sogar in Richtung Kühlschrank. "Mia!" Ich bin mit zwei Schritten bei ihr und dränge mich vor sie, um ihr den Weg zu versperren. "Ich will nichts trinken. Und ich bereue es nicht hier zu sein. Ich..." Noch einmal atme ich durch. "Ich drehe nur gerade ein bisschen durch. Ich habe mich unfassbar erschreckt, als Daniel auf einmal aufgetaucht ist, habe überlegt was ich für Ausreden bringen kann, die erklären wieso ich um die Uhrzeit mit dir vor deiner Haustür stehe." Meine Gedanken überschlagen sich immer noch und ich muss mich konzentrieren, damit nicht nur Stuss aus meinem Mund kommt. "Und du siehst auch sehr erschrocken aus." Kurz massiere ich meine Nasenrücken mit meinen Fingern, sehe sie dann aber direkt wieder an. "Ich habe unzählige Fragen in meinem Kopf. Ob wir zu unvorsichtig waren, ob wir vorsichtiger sein müssen in Zukunft. Ich weiß das alles nicht. Ich will nicht vorsichtiger sein, denn es ist jetzt schon total schwer dich nicht zu berühren, wenn wir unterwegs sind. Wie soll ich denn noch vorsichtiger sein? Und was passiert jetzt? Wird Daniel es erzählen? Wird es Gerüchte geben? Wie wirkt sich das auf dich und das Vanilla auf? Was kann ich tun, dass das nicht passiert?" Mein Atem geht viel zu schnell und ich sehe sie einen Moment einfach nur an. "Ich will nicht, dass ich schlecht für dich bin. Du tust mir so gut und das hier könnte zu jeder Sekunde dein Leben negativ beeinflussen. Ich will das nicht. Ich will nicht, dass es sich negativ auswirkt, wenn wir uns treffen."
Mein Blick mustert zu jeder Sekunde sein Gesicht. Seine Mimik, seine Blicke - nichts bleibt mir verborgen. Doch ich konzentriere mich nicht nur darauf, sondern auch auf seine Worte. Vor allem auf seine Worte. Aus einem Impuls heraus hebe ich meine Hände und nehme sein Gesicht behutsam zwischen diese. Sofort schaut er mir direkt in die Augen - seinen Kopf extra ein Stückchen bewegend, weil er dazu aufgrund meiner Größe hinab schauen muss. Das hat er auch immer mal wieder getan, während er geredet hat, doch als er beispielsweise seinen Nasenrücken massiert hat, ist der Blickkontakt abgebrochen. "Tristan?" Unserer beider Atem scheint außer Kontrolle. Wir sind gerade beide ganz offensichtlich sehr aufgewühlt. Aber bei ihm sollte das nicht so sein. Bei ihm darf das nicht so sein. Mein Blick wandert zwischen seinen Augen hin und her. Meine Gefühle sind das eine, aber bei ihm können Gefühle ganz andere Auswirkungen haben. Von jetzt auf gleich beschließe ich ganz bewusst, meine Gefühle und Gedanken hinten an zu stellen, weil er mir wichtiger ist. Diese unglaubliche Erkenntnis Er ist mir wichtiger! trifft mich wie Blitzschlag, doch auch das - sage ich mir selbst - stelle ich hinten an bis Zeit dafür ist. "Hilfst du mir mal kurz dabei zu atmen?" Sein Blick mutet ein wenig irritiert an, denn natürlich weiß er nicht, dass ich mir das gedanklich oft selbst sage, wenn ich merke, dass mir etwas zu viel ist. Vielleicht erkläre ich ihm das später. Jetzt flüstere ich: "Einatmen, ausatmen." Meine Daumen beginnen zärtlich über seine Wangen zu streicheln. "Bitte. Einatmen, ausatmen." Für wen machst du das jetzt wirklich? Für dich oder für ihn? Die Antwort ist klar.
Ich starre sie einen Moment einfach nur an. Wieso beantwortet sie mir die tausend Fragen in meinem Kopf denn nicht? Wieso flippt sie nicht auch aus? Es hat sie doch genauso erschreckt wie mich, oder? Ihre Worte dringen langsam aber sicher zu mir durch und ich nicke minimal, bevor ich das tue, was sie mir sagt. Einamten, austamen. Einatmen, ausatmen. Meine Finger zittern leicht, als ich ihre Umarme umfasse und wir stehen da, sehen uns an und atmen. Immer wieder flüstert sie die beiden Worte, damit ich den Takt nicht verliere. Ich habe keine Ahnung wie lange wir dort stehen und ich einfach so atme, wie sie es mir vorgibt. Tatsächlich beruhigt meine Atmung sich und da mich so sehr darauf konzentriere auch mein Kopf etwas. Ganz langsam beginnen meine Finger sich an ihrem Arm zu bewegen. Sie zittern nicht mehr und ich streichle sie ganz sanft. Die Panik ist nicht weg, aber nicht mehr so präsent. Ihre Reaktion auf meine ganze Fragen überrascht mich. Ist sie selbst nicht aufgewühlt? Wie kann sie denn jetzt dafür sorgen, dass ich zur Ruhe komme? Was auch immer sie dazu bewegt hat, es hat geholfen. Für einen Moment schließe ich meine Augen und lasse meinen Kopf etwas hängen, wodurch sich mein Gesicht mehr in ihre Hände schmiegt. "Ich will dir keine Probleme machen." Ich flüstere die Worte nur und sehe sie dann wieder an. Direkt schlägt mein Herz wieder schneller und ich verliere mich ein bisschen in ihren Augen. Ich darf ihr wirklich keine Probleme machen. Das hier soll für sie doch genauso toll sein wie für mich.
"Du machst mir keine Probleme.", flüstere ich leise zurück bevor ich mich dann ganz langsam etwas strecke und einen kleinen Kuss auf seine Lippen hauche. Es ist nicht so ein Kuss wie sonst, auch wenn er sehr liebevoll ist. Er soll ihm nicht vermitteln, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle, ihn will oder ähnliches, auch wenn es so ist, sondern vielmehr soll er ihm vermitteln Es ist alles gut. Meine Augen finden wieder seinen Blick. Gerade hat er seinen Kopf kurz hängen lassen und seine Wangen so mehr in meine Handinnenflächen geschmiegt - dabei ist der Blickkontakt kurz abgebrochen. Doch nun schauen wir uns wieder an. "Hörst du?" Ich mache dir Probleme! Ich spreche meine Gedanken nicht aus. Ich wusste es. Ich wusste, dass ich keinen guten Einfluss auf ihn haben würde. Ich habe mir so viele Gedanken darüber gemacht, dass es ihm schaden könnte mit mir, eine älteren Frau die an einem ganz anderen Punkt ihres Lebens ist als er, zusammen sein könnte und habe dann all diese Gedanken ignoriert, weil dieses Bedürfnis ihm nahe zu sein stärker war. Nun stehen wir hier im Dunkeln in meiner Wohnung und sein Kopf explodiert, weil er sich so viele Gedanken macht. Einige hat er gerade mit mir geteilt, aber ich bin mir sehr sicher, dass da noch mehr sind. Wieso sollte es bei ihm anders sein als bei mir? "Komm her." Ich nehme meine Hände von seinen Wangen und schlinge in derselben Bewegung meine Arme um seinen Nacken. Mein Körper schmiegt sich zu einer Umarmung an den seinen und ich halte ihn fest.
Meine Arme legen sich um ihren Körper und ich drücke sie fest an mich. Zwar kann ich sie so nicht mehr ansehen, aber mein Gesicht etwas in ihrem Haar vergraben. Ihres ist an meinem Hals und ich spüre ihren Atem. Meine Hände streichen langsam über ihren Rücken und ich drücke sie noch etwas mehr an mich heran. Wir stehen eine ganze Weile so da - wieder einmal, bevor ich die Umarmung langsam löse. Ich bin ruhiger, viel ruhiger als eben noch und suche wieder ihren Blick. "Ich..." Ich runzle leicht meine Stirn und suche die richtigen Worte. "Es sollte gerade eigentlich nicht um mich gehen." Meine Hand legt sich an ihre Wange und ich lächle sie an. Mir ist es egal, ob uns jemand sieht. Egal ob es Daniel, Donna oder sonst wer ist. Ihr ist es das aber nicht und daher sollte ich mich um sie kümmern und nicht sie um mich. Ich hasse es, wenn ich die Kontrolle über meine Gefühle verliere und leider passiert das viel zu oft. Und was ist passiert? Sie hat mich beruhigt. Das hat sie großartig gemacht, wirklich großartig. Es ist ihr gelungen. Doch es sollte um sie gehen. "Wie geht es dir? Bitte sprich mit mir." Ich weiß, dass auch ihre Gedanken sich gern mal überschlagen und das haben sie eben wohl auch. Es würde mich wundern, wenn dem nicht so wäre. Und ich möchte wirklich wissen wie es ihr damit geht.
Ich neige meinen Kopf ein Stückchen zur Seite, sodass sich meine Wange noch mehr in seine Handinnenfläche schmiegt. Es fühlt sich schön an, was ich trotz all meiner Gedanken, all seiner Gedanken und der Situation wahrnehme. "Wieso sollte es das?", frage ich ernst gemeint. "Es kann um mich gehen. Um dich. Um... uns." Ich drehe meinen Kopf für einen kurzen Moment und drücke einen sanften Kuss in seine Handinnenfläche. Es hat mich tatsächlich selbst beruhigt zu versuchen ihn zu beruhigen. Interessant. Meine Atmung ist wieder ruhiger und selbst mein Herz trommelt nicht mehr so wild in meiner Brust herum, wie noch vor einigen Minuten. "Alles ist gut." Das ist immer meine erste Antwort auf diese Frage - ganz gleich in welcher Situation. Alles ist gut. Alles ist super. Kann mich nicht beklagen. - Standardantworten. Das sind die Antworten, die ich geben möchte und die meisten Menschen auch hören wollen. Doch er schaut mich so an als wüsste er das ganz genau. Kennt er mich schon so gut und verrät es ihm seine Intuition? Meine Mundwinkel zucken zu einem kleinen, beinahe unscheinbaren Lächeln in die Höhe. "Entschuldige." Er hat darum gebeten, dass ich mit ihm spreche und nicht darum das ich ihm eine Antwort gebe, die jeder von mir bekommen hätte. Er ist schließlich nicht jeder oder? "Ich habe Entscheidungen getroffen und mit denen lebe ich nun. Das muss ich mir selbst nur immer wieder sagen, damit meine Gedanken mich nicht wahnsinnig machen."
Ich nicke leicht, denn sie hat Recht. Hier geht es gerade um uns. Aber mir ist es halt wichtiger, dass es ihr gut geht als mir. Seit wann das so ist? Ich habe keine Ahnung. Irgendwann war es einfach so. Als sie meint, dass alles gut ist, versetzt es mir wirklich einen kleinen Stich und ich sehe sie skeptisch an. Will sie mich jetzt wirklich damit abspeißen? Doch sie scheint es selbst gemerkt zu haben, denn sie entschuldigt sich direkt. Wenn jetzt alles gut bei ihr gewesen wäre, dann hätte ich sie verdammt schlecht eingeschätzt. Außerdem macht ihr hübscher Kopf sich doch immer wieder so viele Gedanken und meistens ist so etwas eher belastend für die Person. Ich bin mir nicht ganz sicher wie ich ihre Antwort verstehen soll. "Dir ist bewusst, dass du an deinen Entscheidungen nicht festhalten musst?" Es klang jetzt eher so, dass sie sich mit ihren Entscheidungen abfinden muss. "Du musst nicht mit mir reden. Das würde ich niemals verlangen. Aber du solltest wissen, dass du kannst. Vielleicht hilft dir das ja auch um nicht wahnsinnig zu werden. Ich bin hier, Liebste. Und ich gehe nicht weg." Ich beuge mich etwas zu ihr und küsse ihre Stirn. Ich weiß immer noch nicht wie es mit der Daniel-Sache geht, doch ich habe so ein Gefühl, dass sie es mir auch nicht sagen wird. Das muss ich akzeptieren.
Ich bin hier, Liebste. Und ich gehe nicht weg. Seine Worte hallen in meinen Gedanken wider, während ich meine Augen schließe als er meine Stirn sanft küsst. Beides bringt mein Herz dazu wieder schneller zu schlagen, doch dieses Mal aus einem guten Grund. Es bedeutet mir viel, dass er das sagt. Ich habe wirklich keine Ahnung, ob diese Entscheidung von uns - nämlich für dieses uns - eine gute war, doch anders als ich es heute kurz gedacht habe, scheint er diese nicht zu bereuen. Ich bereue sie auch nicht. Zumindest nicht in Bezug auf mich. Aber ob sie wirklich gut für ihn war, weiß ich immer noch nicht. "Es gibt Entscheidungen mit denen will ich leben. Und es gibt Entscheidungen mit denen muss ich leben.", flüstere ich als Antwort auf seine Worte von zuvor. "Ich habe mich gerade dazu entschieden vor Daniel keine Ausrede zu erfinden und zu benutzen, sondern habe mich dazu entschieden dazu zu stehen, dass wir gerade zusammen in meine Wohnung gehen. Ich habe mich dazu entschieden dich nicht fortzuschicken und noch eine Runde gehen zu lassen, nur damit Daniel nicht auf Ideen kommt... nicht auf die Wahrheit kommt!" Das vorletzte Wort betone ich. "Damit muss ich leben und werde es auch. Ich werde nicht lügen!" Ich schnaube leise. "Es ist das eine, wenn wir uns nicht in aller Öffentlichkeit umarmen, unsere Hände halten oder uns küssen, aber etwas ganz anderes, wenn ich Ausreden erfinde, wenn ich... lüge, um dich zu verleugnen oder das was ich... für..." Ich breche ab und atme erst einmal tief durch. Ich bin dabei mich in Rage zu reden und das muss nicht sein. Diese Zeiten liegen hinter mir und ich weiß mich zu beruhigen. Einatmen, ausatmen. Sein Daumen streichelt über meine Wange und erst jetzt wird mir bewusst, dass ich beim Atmen gerade meine Augen geschlossen habe. Ich öffne sie wieder und schau ihn an. "Ist das in Ordnung für dich?" Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Was ist, wenn uns jemand direkt fragt, ob wir etwas miteinander haben? Was antworten wir dann? "Ist es in Ordnung für dich, wenn wir nicht lügen?" Je nachdem wie seine Antwort nun ausfällt, könnten sich zig tausend - gefühlt - Gedanken von mir in Luft auflösen. Gedanken, die ich mir gerade erst gemacht habe. Fragen, die vor ein paar Minuten erst in meinem Kopf erschienen sind. Erst jetzt, da die Frage raus ist, wird mir das bewusst und da ist auch schon mein Herzschlag wieder außer rand und band."Also du musst nicht jetzt antworten. Es ist eine wichtige Entscheidung. Zumindest fühlt sie sich so an, obwohl sich eigentlich gar nichts ändert. Aber... ja." Mir ist gerade danach etwas gegen die Wand zu schmeißen. Feste gegen die Wand zu schmeißen. Dieses Bedürfnis hatte ich schon lange nicht mehr.
Und dann spricht sie doch mit mir. Das bedeutet mir gerade unendlich viel, dass sie sich mir anvertraut und mir zumindest ein Stück weit erzählt wie es ihr geht. Mittlerweile weiß ich, dass ihr Kopf so voll sein kann wie meiner und auch ich tue mich schwer damit dies immer zu teilen. Allerdings habe ich in den letzten Monaten gelernt genau das zu tun und versuche es auch umzusetzen. Das hilft mir und den Menschen um mich herum sehr. Das weiß ich mittlerweile. Sie will nicht lügen, wenn es um uns geht. Mein Herz macht direkt einen Satz. Sie hat vollkommen Recht. Es ist das eine, wenn man darauf verzichtet sich zu vertraut zu zeigen und nochmal etwas ganz anderes, wenn man jemanden anlügt, weil man direkt gefragt wird. Mein Herz schlägt unfassbar schnell in meiner Brust. Wenn sie nicht lügen will, dann bedeutet dies hier ihr etwas. Das habe ich nie angezweifelt, dennoch fühlt sich das gerade verdammt gut an. Und dann fragt sie mich, ob es in Ordnung für mich ist. Ich lächle leicht und dieses Lächeln wird sogar zu einem Grinsen, als sie meint, dass ich ihr nicht jetzt antworten muss. "Mia. Ich will nicht lügen, wenn es um dich geht. Niemals. Das... das wäre als würde ich dich verleugnen und das will ich nicht tun." Selbst wenn sie mich darum bitten würde, würde es mir schwer fallen. Wie sie schon sagte, das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. "Lass uns nicht lügen. Nicht wenn es um uns geht und das was wir haben. Denn das was wir haben ist wundervoll und schön. Und ich will nicht jemanden ins Gesicht sagen müssen, dass es dieses uns nicht gibt." Ich gebe ihr einen kleinen, aber sehr liebevollen Kuss. "Keine Lügen."
Das gesamte Konstrukt, welches sich erst vor ein paar Minuten in meinem Kopf aufgebaut hat und was mich gewiss viele schlaflose Nächste gekostet hätte, kracht bei seinen Worten in sich zusammen. Was ist, wenn ihm gar nicht so sehr daran gelegen ist, dass keiner von uns weiß, weil er es mir recht machen möchte, sondern weil er nicht mit mir derart in Verbindung gebracht werden möchte? Klar, es ist nett jemanden in einer neuen Nachbarschaft zu kennen, der einem alles zeigt und einem alle vorstellt und wenn dann auch noch Sex dabei herausspringt, warum nicht? Was ist, wenn er nicht will, dass man denken könnte er hat etwas mit einer älteren Frau, weil ihm das zum Beispiel Chancen bei anderen zu nichte macht? Ich erwidere seinen kleinen, aber sehr liebevollen Kuss und ich halte meine Augen danach, auch als er spricht, noch einen Moment geschlossen. Keine Lügen. Es ändert nichts, aber es fühlt sich wirklich wichtig für mich an, dass wir da jetzt drüber gesprochen und das festgehalten haben. "Alles klar.", flüstere ich leise und dann bin ich diejenige die ihm einen kurzen, zärtlichen Kuss gibt. Als wir diesen wieder lösen, lache ich ganz leise - ein bisschen unsicher. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Abend noch so aufwühlend wird." Ich blicke unter meinen dichten, schwarzen Wimpern hervor zu ihm hinauf. Wir sind uns immer noch sehr nahe. Nicht so nah, dass sich unsere Nasenspitzen berühren, aber nah genug, dass es nur wenig Bewegung brauchen würde, damit dem wieder so wäre. "Geht es dir gut?"
"Ich habe auch nicht damit gerechnet." Ein kleines Schmunzeln ziert meine Lippen und ich nehme meine Hand von ihrer Wange, um beide Hände an ihre Hüfte zu legen. Wir sehen uns an und bei ihrer Frage muss ich lächeln. "Ja, es geht mir gut. Vorhin war ich mir da nicht so sicher, aber du hast das wirklich gut drauf mich runterzuholen - sowohl bewusst als auch unbewusst." Nun bin ich es, der mit seiner Nasenspitze ihre leicht anstupst. "Ich hoffe es geht dir auch gut? Oder zumindest besser?" Wir waren beide sehr aufgewühlt, doch gerade fühlt es sich nicht mehr so an. So intensiv wie ich auch die sexuelle Spannung zwischen uns spüre oder unsere Anziehung, so sehr spüre ich es auch, wenn etwas zwischen uns steht. Zumindest war es bisher so. "Und jetzt würde ich wirklich gern etwas trinken." Mein Hals ist trocken, was wohl von vielem Atmen und vom Sprechen kommt. Ich muss etwas lachen bei meinen Worten, lasse sie aber noch nicht los. Irgendwie will ich das gerade noch nicht. Doch irgendwann löse ich mich von ihr, nicht ohne ihr noch einen kleinen Kuss zu geben. Interessant, dass wir mittlerweile auch immer mehr von diesen austauschen. Wir haben uns von Anfang an viel geküsst, doch nicht diese kleinen zwischendurch ausgetauscht. In den letzten Tagen ist dies mehr geworden und es gefällt mir. Es zeigt eine gewisse Vertrautheit, die wir auch immer mehr aufbauen. Ich lasse sie zwar los, bleibe aber in der Nähe stehen. Gerade möchte ich mich noch nicht zu sehr von ihr entfernen.