"Ohhh... nein." Ich ziehe das erste Wort in die Länge und lache bei beiden leise, was als Antwort wohl schon genug Aussagekraft hat. Dennoch füge ich noch einige Worte hinzu. "Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich mag, wie du gerade gesagt hast, den Trubel. Ich mag das Leben um mich herum. Viele verschiedene Menschen um mich herum faszinieren mich. Wenn ich nachts um zwei Hunger habe, will ich mir etwas zu essen holen können. Wenn ich mitten in der Woche tanzen gehen möchte, will ich das nicht nur in meinem Wohnzimmer tun können. Ich liebe es eine Auswahl an Buchläden zu haben." Immer wieder wandert mein Blick zwischen ihm und unserem Weg hin und her. "Zugegeben kommt es einem in der Kingston Avenue manchmal so vor als wäre es eine kleine, ganz eigene Stadt. Aber wenn dem so ist, dann es eine kleine Stadt in einer großen Stadt. Das empfinde ich nochmal als was anderes." Ich muss von Neuem leise lachen. "Du weißt was ich meine." Ich senke meinen Blick und beobachte für ein, zwei, drei Sekunden meine Füße dabei, wie sie sich Schritt für Schritt nach vorne bewegen. "Dafür finde ich es zum Beispiel schön hin und wieder an ruhigen Orten Urlaub zu machen. Ich kann es zum Beispiel kaum erwarten deine Großmutter zu besuchen, obwohl ich mich auch auf all das noch freue, was uns Paris zu bieten hat." Ich lächle ihn von Neuem von der Seite an. "Ich kann also beidem etwas abgewinnen, aber auf Dauer will ich nur das eine." Auch wenn ich natürlich nicht weiß, wie es in zum Beispiel zwanzig Jahren aussieht. Aber wir sprechen gerade vom Hier und Jetzt also von daher.
Ich kann bei ihren Worten nur zustimmend nicken. Ganz genauso geht es mir auch. "Urlaub an ruhigen Orten ist vollkommen in Ordnung." Sanft drücke ich ihre Hand und unsere Blicke begegnen sich wieder einmal. Dieses Lächeln will wirklich nicht mehr von meinen Lippen seitdem wir ins Flugzeug gestiegen sind. "Bei meiner Großmutter wird es dir gefallen. Die Stadt ist zwar recht klein, aber auch nicht zu sehr. Vor allem ist es eben eine typische europäische Stadt am Strand." Ich muss etwas lachen. "Ich erkläre es dir, wenn wir dort sind. Aber ich glaube es wird uns gut tun die letzten Tagen einfach zu entspannen und noch etwas Meerluft abzubekommen." Natürlich liegt auch San Francisco am Meer, doch das ist wirklich etwas anderes. "Im Herbst und Winter sind auch nicht so viele Menschen dort. Daher werden wir tatsächlich Ruhe haben, wenn man von meiner Großmutter absieht." Auch wenn ich mir sehr sicher bin, dass sie uns in Ruhe lassen wird - solange wir zu den Mahlzeiten bei ihr sind. Es ist schon ein großer Vorteil, dass das Poolhaus komplett ausgestattet ist. "Sie plant sicher schon seit Wochen das Essen, wenn wir da sind. Darauf wird sie bestehen: Dass wir zusammen essen. Ihr Koch dreht sicherlich schon durch." Wieder lache ich leise und mein Blick geht wieder zu Mia. "Ich liebe diesen Urlaub." Das weiß sie schon, doch ich wollte es noch einmal erwähnen. Was wir bisher erlebt haben war wundervoll und ich freue mich schon so auf unsere rechtlichen Tage. "Buchladen!" Ich deute auf ein Haus auf der anderen Straßenseite, das unverkennbar ein Buchladen ist. Ohne dass ich mehr sagen muss, überqueren wir die Straße und betreten das Geschäft, das von Innen doch um einiges größer ist, als man von außen vermutet.
Ich stimme leise in sein Lachen mit ein. "Es wird bestimmt wundervoll. Ich kann es ihr nicht verdenken, dass sie sich freut und sich dementsprechend Mühe gibt, wenn du sie besuchen kommst." Ich rolle meine Lippen einmal übereinander und lächle dann wieder. Seine Worte bedeuten mir viel. Es ist unser erster gemeinsamer Urlaub und wir haben uns direkt dazu entschlossen nicht nur in eine andere Stadt zu reisen, sondern in ein anderes Land, sogar auf einen anderen Kontinent. Es hätte auch schief laufen können. Wir hätten merken können, dass es uns zu viel ist beziehungsweise dass wir einander zu viel sind. Hier gibt es nur uns. Auch wenn wir in San Francisco viel Zeit miteinander verbringen, gibt es da immer noch unseren Alltag. Hatte ich vorab Angst davor, dass schief laufen könnte? Nein. Die hatte ich tatsächlich nicht. Es freut mich, dass mich mein Gefühl nicht enttäuscht hat und das es ihm genauso geht. Wir genießen die Zeit und einander. "Was?" Sofort richtet sich mein Blick in die Richtung in die er deutet. Ich muss gar nicht erst sagen, dass ich nun natürlich in diesen Buchladen will. Er möchte es selbst auch und so überqueren wir, nach einem prüfenden Blick, die Straße ohne ein Wort sagen zu müssen. Es sind nicht allzu viele Schritte und wir betreten den Buchladen. "Oh.", gebe ich nach ein paar Schritten ins Innere von mir - nachdem ich meinen Blick einmal habe schweifen lassen. "Eine Tardis.", scherze ich leise lachend. Erst gehen wir ein paar Schritte, doch dann lösen wir uns voneinander, um hier und da in unterschiedlichen Ecken herumzuspazieren. Aber wie so oft, treffen sich immer wieder unsere Blicke und ich kann gar nicht anders als zu lächeln. Dann finden wir wieder zueinander - einige Male - und reden darüber was wir entdeckt haben. Wie wir miteinander funktionieren liebe ich sehr.
Ich habe Bücherläden schon immer geliebt. Es ist ein Gebäude, in dem man tausende Welten findet und von dem wundervollen Geruch will ich gar nicht erst anfangen. Seitdem wir gemeinsam Bücherläden besuchen liebe ich sie sogar noch mehr. Wir streifen umher, schauen uns Bücher an, werfen uns Blicke zu und tauschen uns flüsternd aus, was wir gefunden haben. Es gibt auch einige englische Bücher, wenn auch nicht sehr viele. Tatsächlich schaue ich mir gerade Literatur von französischen Autor*innen an, die man außerhalb des Landes doch eher schlecht bekommt. Vieles wird einfach nicht übersetzt. Ich lese gerade einen Klappentext, als ich Mia neben mir spüre. "Das klingt sehr spannend. Es geht um Zeitreise, aber eher in Richtung Fantasy als Science Fiction." Mein Blick geht von dem Buch zu Mia und ich grinse leicht. "Das lese ich dir vor, wenn du soweit bist." Aktuell lesen wir hauptsächlich Kinderbücher auf Französisch. Harry Potter wird der nächste Schritt sein. Doch wenn sie weiter so schnell lernt, dann können wir auch bald zur Erwachsenenliteratur übergehen. Darauf freue ich mich schon. Es gibt einige tolle Bücher, die nie ins Englische übersetzt wurden und die sie unbedingt kennenlernen muss. "Es gibt auch Postkarten." Ich nicke in Richtung Kasse, wo ein großer Aufsteller mit Postkarten ist. "Wollen wir welche schreiben? Vielleicht an Brenda und Billy, Lizzy, meinen Dad und Lilly, das Vanilla und Olivia?"
Mein Blick wandert hin zu den Postkarten und dann wieder zurück zu ihm. "Sehr gerne." Meine Augenbrauen bewegen sich einmal auf und ab. "Es ist eine gute Idee das nicht erst am letzten Tag zu machen." Das ist mir schon den ein oder anderen Urlaub passiert. "Auch wenn Brenda ohnehin über jeden Schritt Bescheid weiß, den wir tun." Ich lache leise und löse mich dann wieder von seiner Nähe, wenn auch ungern, um zu den Postkarten herüber zu gehen. Ich spüre, dass er nur ein, vielleicht zwei Schritte hinter mir ist. Als ich vor den Postkarten stehen bleibe, die in drei Ständern bereit stehen, werde ich dadurch bestätigt, dass es nicht einmal einen Atemzug meinerseits dauert bis er ebenfalls neben mir zum Stehen kommt. "Brenda und Billy bekommen eine gemeinsame. Meine Eltern auch. Lizzy bekommt eine. Ich würde ja sagen, dass dein Vater und Lilly auch eine gemeinsame bekommen, aber ich glaube deine Schwester würde sich super freuen, wenn sie alleine eine bekommt. Es ist toll eigene Post zu bekommen. Fand ich zumindest früher. Dann fühlt man sich erwachsen." Ich blicke schmunzelnd zu ihm. "Was meinst du?" Ich richte meinen Blick wieder auf die Karten und beginne lsangsam damit mir jede einzelne anzusehen. "Olivia. Oh, natürlich bekommt der Herr, der mir dich als höflichen, jungen Mann angepriesen hat, auch eine." Ich lache ganz leise. Bei der Anspielung auf unser erstes Treffen nach fünf Jahren, weiß er sofort wer gemeint ist. Wir greifen es immer mal wieder auf. Ich necke ihn manchmal damit. Das wird mir in fünfig Jahren immer noch Spaß machen, da bin ich mir ganz sicher.
"Deine Eltern! Ich wusste ich habe jemanden vergessen." Ich bin es im Kopf noch durchgegangen. "Entschuldige bitte." Ich weiß, dass sie es mir nicht übel nimmt, doch es tut mir wirklich leid, dass ich ihre Eltern vergessen habe. Das sollte nicht passieren. "Ja, Lilly würde sich riesig freuen. Sicherlich möchte sie die Karte irgendwo in ihrem Zimmer aufhängen." Ich grinse etwas und suche eine Karte für Lizzy raus. Dann muss ich lachen. "Ich bin auch höflicher junger Mann." Grinsend zwinkere ich ihr zu und greife nach weiteren Postkarten. Natürlich stimmen wir auch diese miteinander ab und beschließen, dass Lizzy und Olivia ruhig dieselbe bekommen können, weil sie so schön ist. "Schreibst du gern Postkarten?" Wir haben für jeden eine, doch natürlich schauen wir uns noch weitere an. Mia hat auch eine herausgesucht, die wir für uns mitnehmen. Die Idee, das wir diese in unserer Wohnung aufhängen können gefällt mir sehr gut. Das wird toll aussehen. "Hier." Ich gebe Mia meine Postkarten und das Buch. Natürlich begleite ich sie zur Kasse, doch ich halte mich vornehm zurück, sodass Mia ihr Französisch präsentieren kann. Was sie sehr stolz tut, nachdem die Buchhändlerin ihr sogar angeboten hatte mit ihr auf Englisch zu sprechen.
"Es wird mir fehlen so viele Gelegenheiten zu bekommen Französisch zu sprechen.", erkläre ich nachdem wir den Buchladen verlassen haben. "Es lernt sich dadurch viel besser und auch schneller." Noch stehen wir vor dem Buchladen. "Außerdem hat es irgendwie etwas in einer Stadt herumzulaufen, in der eine andere, so melodische Sprache gesprochen wird. Obwohl es mich die ersten Tage echt überrascht hat, wie oft man auch englisch hört. Ich habe mir darüber vorher keine Gedanken gemacht, aber ich hätte es wohl nicht vermutet, wenn ich es getan hätte." Ich blicke nach links. "Lass uns da lang gehen. Es sieht so aus als kämen da hinten hübsche, kleine Häuser." Er willigt ein und ich greife nach seiner freien Hand - in der anderen hält er unsere Ausbeute. Ich habe mich schon im Buchladen mit einem Kuss dafür bedankt, dass er die Papiertasche an sich genommen hat. Meine Finger drücken sanft die seinen und wir gehen in einem ruhigen, entspannten Schritt los. "Aber auch viele andere Sprachen.", greife ich das Thema nochmal auf. "In der Nähe der Sehenswürdigkeiten. Ich erkenne die meisten nicht mal. Es gibt so viele spannende Dinge in dieser Welt. So viele verschiedene Sprachen, Menschen, Kulturen und noch so viel mehr, dass die Liste wohl endlos würde, wenn ich jetzt damit anfangen würde."
Grinsend lausche ich ihren Worten. Tatsächlich kann ich zumindest ein paar Sprachen erkennen, da ich schon viel gereist bin. Aber auch ich kenne bei weitem nicht alle und vor allem verstehe ich sie auch nicht. "Englisch hörst du eigentlich immer in den Großstädten - egal in welchem Land. Was ein großer Vorteil ist, dass man es eigentlich überall auf der Welt spricht." So können wir uns immerhin überall verständigen. "Mach die Liste, Baby." Unsere Blicke treffen sich und ich nicke. "Mach eine Liste und wir arbeiten sie nach und nach ab." Ich weiß, dass wir nicht ständig in den Urlaub fahren können und auch nicht lange. Wir können nicht sagen, dass wir für ein paar Monate nach Europa gehen und den Kontinent erkunden. Aber wir können es nach und nach machen. Immer wenn es absehbar ist, dass wir Urlaub machen können, werden wir es machen. Ich will ihr noch so viel zeigen und noch mehr mit ihr entdecken. Manches können wir vielleicht erst machen, wenn wir im Ruhestand sind, doch wir haben alle Zeit der Welt. "Vor einem Jahr hast du sicherlich auch nicht damit gerechnet bald nach Paris zu kommen. Wer weiß was das nächste Jahr für dich bereithält."
"Nein." Ich schüttle augenblicklich meinen Kopf. "Vor einem Jahr habe ich nicht damit gerechnet diese Tage in Paris zu verbringen." Mein Blick richtet sich für eine Sekunde auf sein Profil. Ansonsten versuche ich mich nicht ständig dazu hinreißen zu lassen zur Seite und genau zu sein zu ihm zu gucken, denn zum einen kenne ich mich hier nicht aus und zum anderen gibt es sehr viel für mich zu sehen. "Ich habe mit sehr vielem nicht gerechnet." Meine Stimme verrät ihm bestimmt, was ich nicht ausspreche: Ich habe nicht mit dir gerechnet. Doch es klingt keinesfalls auf irgendeine Art und Weise negativ. Habe ich kommen sehen, was das Leben dieses Jahr für mich bereit gehalten hat? Nein. Bin ich unendlich froh darüber und dankbar dafür? Ja! "Wenn ich so eine Liste mache, machst du auch eine von den Orten, die du schon bereist hast. Dann können wir abwechselnd wohin reisen wo du schon warst und wo du noch nicht warst. Damit es für dich nicht langweilig wird." Ich lächle ein wenig. "Ich gehe doch recht in der Annehme, dass wir von Zielen außerhalb der USA reden, oder? Sonst mache ich eine Liste, wo ich in den USA überall war. Dann können wir das auch vergleichen."
"Es ist irre. Vor einem Jahr habe ich nicht mal mit dem Gedanken gespielt New York zu verlassen. Doch es war die beste Entscheidung meines Lebens." Sanft drücke ich ihre Hand und grinse. Es gibt noch andere gute Gründe, doch sie ist der Hauptgrund. Auch wenn Mia das gern runterspielt... Ohne sie wäre ich nicht da wo ich jetzt wäre. Nicht in Paris, sicher nicht mehr in San Francisco und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich längst wieder rückfällig geworden wäre. Natürlich kann ich das nicht mit Sicherheit sagen. Doch es gab schon einen Moment, in dem sie mich davon abgehalten hat. Ich bin ihr unendlich dankbar dafür. Sie hat sich nicht von mir abgewandt, trotz meiner Probleme. Es ist nicht immer leicht für sie. Auch deswegen hat sie sich diesen Urlaub verdient. Hier schwebt das nicht so über uns. Alltag kann gefährlich sein. Den habe ich hier nicht. Tatsächlich ist es hier viel einfacher. Als ich vor ein paar Tagen abends unruhig geworden bin, hat sie mich genommen und ist mit mir spazierengegangen. Natürlich unter dem Vorwand, dass sie die Nachbarschaft um Dunkeln sehen will. Mittlerweile spürt sie kritische Phasen noch vor mir, so gut fühlt sie mich. "Wir machen beide Listen - wo wir hinwollen und wo wir schon waren. Sowohl USA als auch der Rest. Und wir nehmen uns vor, dass wir jedes Jahr jeweils einen Wunsch von den Listen streichen. Also ein Trip in den USA und einer im Ausland." Ihr Blick bringt mich zum Lachen. "Kananda und Mexico sind auch Ausland und nicht so weit weg. Da kann man auch mal nur ein paar Tage hin." Wir gehen noch ein Stück. "Hast du mal darüber nachgedacht jemanden langfristig als Geschäftsleitung einzustellen? Jemanden, die dir hilft mit dem ganzen Orga-Sachen und die Läden auch mal führen kann, wenn du nicht da bist?"
Habe ich seine Frage gehört? Ja. Habe ich sie verstanden? Das habe ich. Dennoch antworte ich ihm nicht sofort. Ich sehe ihn nicht mal an, sondern erst eine Weile auf meine Füße, die weiter Schritt für Schritt gehen und dann geradeaus. Die Gegend ist wirklich hübsch. Es sind keine all zu alten Gebäude. Sie standen hier gewiss nicht schon vor 200 Jahren. Hier begegnet einem nicht an jeder Ecke etwas historisch wertvolles, zumindest soweit ich das beurteilen kann, aber es ist dennoch schön. Die Fassaden. Die Blumenkästen in den Fenstern. Tristan gibt mir, wie immer, all die Zeit, die ich benötige, um meine Gedanken zu sortieren und zu formulieren. So wundert es mich nicht, dass er nach fünfzig Metern immer noch nicht gefragt hat, ob ich ihn verstanden habe oder ihm nicht antworten will oder dergleichen. "Das habe ich. In letzter Zeit sogar sehr häufig." erkläre ich zaghaft lächelnd. Mein Blick ist nun doch mal kurz zu ihm gewandert, aber rasch wieder nach vorne. Es ist nicht so wie in der Kingston Avenue, wo ich ihn sekundenlang von der Seite ansehen kann, weil ich die Wege so gut kenne - jeden einzelnen Stein auf den Bürgersteigen und Straßen. "Vielleicht erinnerst du dich. Ich habe es sogar einmal angesprochen, wenn auch nicht im Detail." Ich zucke ganz leicht mit meinen Schultern. "Ich mache mir sehr viele Gedanken über das Personal. Ich mache mir sehr viele Gedanken darüber, was ich will. Ich habe schon verschiedene Modelle erarbeitet, wie ich es mir in der Zukunft vorstellen könnte." Als ich wieder zu ihm sehe, sieht er mich aufmerksam und auch ein bisschen neugierig an. Ich muss leise lachen. "Wie du weißt..." Das hatte ich ihm mal erzählt. "...bin ich gar nicht so gut darin Kaffee zu kochen oder zu bedienen oder so etwas. Ich mache es gerne, wenn ein bekanntes Gesicht im Vanilla ist oder viel zu tun ist, aber an sich bin ich besser in anderen Dingen. Ich bin gut darin zu organisieren und zu koordinieren. Ich bin gut im Umgang mit Lieferanten. Ich liebe es mir neue Dinge anzusehen, sie zu probieren und dann zu überlegen, wie es in das Konzept des Vanillas passen könnte. Es bereitet mir Freude Kontakte zu knüpfen, andere mit ihren Unternehmungen zu unterstützen und all sowas. Ich liebe, liebe, liebe es der Gemeinschaft etwas zurückzugeben. Ich finde es toll, dass ich zum Beispiel Studierenen die Möglichkeit geben kann sich was dazu zu verdienen. Ab irgendeinem Zeitpunkt war mir klar, dass ich noch mehr will als das. Noch ein Projekt. Das Vanilla läuft, verstehst du? Vielleicht will ich irgendwann noch mehr." Ich lache wieder leise. "Verzeih mir mein kleines bisschen Größenwahn." Wieder schweige ich ein paar Sekunden und dann seufze ich. "Und jetzt bist da du."
Das ist eine sehr wichtige Frage und eine Frage, deren Antworten viel Veränderungen mit sich bringen können. Mir ist auch bewusst, dass sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht hat. Sie macht sich immer und über alles Gedanken und natürlich auch über so etwas. Selbst wenn sie die Gedanken direkt wieder verwirft - sie hat sich diese gemacht. Und so gehen wir noch einige Schritte, bis sie mir antwortet. Als sie nachfragt, ob ich mich erinnere, nicke ich leicht. Das tue ich. Aufmerksam lausche ich ihren Worten und sehe immer wieder zu ihr hinüber. Meine Hand hält weiterhin die ihre, während wir durch die Straßen von Paris gehen. Als sie mir aufzählt woran sie Spaß hat und wie wichtig ihr Kontakte und die Gemeinschaft sind, muss ich lächeln. Diese Gemeinschaft ist immer noch sehr neu für mich. Ich werde immer noch damit warm, doch ich kann nicht leugnen, dass diese Gemeinschaft mir sehr viel gibt. Gerade wenn es einem nicht so gut geht, bekommt man das mit und die Menschen haben mir sehr deutlich bewiesen, dass ich einer von ihnen bin. Und ich kann ihr Gefühl, etwas zurückgeben zu wollen, mittlerweile sehr gut nachvollziehen. Ich habe Klavier gespielt auf dem Markt, ich möchte Unterricht im Gemeindezentrum geben. Mia ist seit vielen vielen Jahren Teil dieser Gemeinschaft. Das spüre ich immer wieder und ich liebe es, dass sie das so liebt. Sanft drücke ich ihre Hand. "Ich bin mir sogar sicher, dass du irgendwann noch mehr willst." Leise lache ich und sehe zu ihr, bevor ich ihre Hand zu meinen Lippen führe und ihr einen kleinen Kuss gebe. "Du bist nicht die Frau, die sich damit zufrieden gibt, was sie hat. Du brauchst die Herausforderung." Wie sie schon sagte: das Vanilla läuft super. Sie kann davon leben und es sich gut gehen lassen. Dennoch ruht sie sich darauf nicht aus. Und sie weiß wahrscheinlich noch besser, dass sie nicht zeitgleich in beiden Läden sein kann. Also braucht sie tatsächlich jemanden, der sich kümmert - irgendwie. Und jetzt bist da du. Ich bleibe stehen und sie tut es mir gleich. Wir sind gerade allein auf dem Gehweg, daher behindern wir auch niemanden. "Ich möchte es nur gesagt haben, auch wenn du es schon weißt. Ich werde dich bei allem unterstützen. Egal wie sehr du deinen "Größenwahn", den ich nicht als solchen sehe, auslebst. Mir ist klar, dass ich eine Rolle in deinen Planungen spiele. Wie du auch in meinen. Das ist normal. Aber ich möchte nicht, dass du irgendwas für mich aufgibst. Ich weiß, dass du das nicht vorhast. Ich möchte es nur noch einmal klarstellen. Ich stehe bei dir, hinter dir, vor dir - wie es die Situation erfordert. Bedingungslos." Ich vertraue ihr nicht nur vollkommen was unsere Beziehung angeht, sondern auch bei ihren Entscheidungen. Natürlich sage ich etwas, wenn ich etwas anders sehen. Wir sprechen denn darüber. Doch selbst wenn sie sich für etwas entscheidet, was ich vielleicht anders sehe, stehe ich ihr bei. Immer. "Aber ich werde auch aufpassen, dass es nicht zu viel für dich wird. Ich weiß, dass du am liebsten alles allein machen würdest. Doch das kannst du nicht. Das kann niemand. Wenn du dein Imperium aufbaust, dann brauchst du Menschen, die dir helfen." Das weiß sie selbst. Doch sie hat so ihre Probleme anderen etwas abzugeben an Aufgaben. Das ist eine Art Kontrollverlust für sie. Doch sie muss lernen damit umzugehen.
Meine Hand löst sich aus der seinen, doch nicht um Abstand zwischen uns zu bringen, sondern um noch mehr körperliche Nähe aufzubauen. Ich lausche jedem einzelnen seiner Worte sehr aufmerksam, doch nun tue ich es während ich vor ihm stehe, meine Arme um die Mitte seines Körpers geschlungen und mich an ihn geschmiegt habe. Ich habe meinen Kopf, wie immer ein bisschen in den Nacken geneigt, um besser zu ihm hinaufschauen zu können. Ich höre nicht nur, was er mir sagt, sondern sehe es auch. Er ist und wird für mich da sein. Ich bilde mir ein es in seinen Augen sehen zu können - die Wahrheit hinter all seinen Worten. Lächle ich? Ja. Ich habe mich nicht bewusst dazu entschieden. Das Lächeln hat sich einfach so auf meine Lippen geschlichen, weil seine Worte mich sehr glücklich machen. Hat er eine Ahnung, wie viel mir seine Worte bedeuten? Nein, nicht seine Worte. Es bedeutet mir viel, dass es so ist! Ich habe es bereits gespürt und hege auch keinen ZWeifel daran es in der Zukunft zu spüren - seine Rückhalt und mehr. "Du wirst auf mich aufpassen?", frage ich nach - ganz leise lachend. Doch er lässt sich nicht beirren und spricht weiter - ich unterbreche ihn nicht nochmal. Aber ich drücke ihn noch etwas fester. "Ich weiß." Damit meine ich nicht, dass ich weiß das ich Unterstütung brauche, sondern all das was er zuvor angesprochen hat. "Und das ist ein wirklich sehr schönes Gefühl." Eines, dass sich nicht beschreiben lässt. "Es fällt mir sehr schwer Kontrolle abzugeben. Mir gefällt der Gedanke auch immer noch nicht so recht." Nun spreche ich über seine letzten Sätze. "Aber was ich mit meinen letzten Worten gerade meinte war..." Meine Stirn legt sich in Falten, während ich überlege, wie ich ausdrücke was ich genau meinte. Ich entscheide mich dazu es zu beschreiben. "Bevor wir beide zueinander gefunden haben, war mein gesamter Tag durchgeplant. Abgesehen von fünf bis sechs Stunden Schlaf, war ich die ganze Zeit unterwegs und ich habe es geliebt. Es hat mich nicht gestört tagsüber zu arbeiten, ob nun im Vanilla oder woanders, mich danach noch hier sehen zu lassen oder da. Wenn ich mich dann zum Beispiel um 22 Uhr nochmal hingesetzt habe, um weiter zu arbeiten, hat mir das gefallen. Habe ich mich auch entspannt? Natürlich. Aber auch die Zeit dafür war eingeplant. Liebe ich das immer noch? Ja! Du hast mir nie auch nur eine Sekunde das Gefühl gegeben, dass es dich stört das ich das Vanilla habe, dass ich mich engagiere, dass ich hier und da bin. Ganz im Gegenteil. Du machst teilweise sogar mit. Das ist so toll! Aber wenn ich mich jetzt um 22 oder 23 Uhr nochmal hinsetze, dann merke ich, dass ich lieber bei dir wäre. Nicht nur räumlich, sondern dass ich bei und mit dir zusammen sein will. Wenn der Drang sehr stark ist, dann gebe ich ihm nach. Dann sitze ich bei dir am Klavier oder wir lesen oder wir tanzen oder was auch immer. Und genau das will ich. Ich will alles auf einmal: Ich will eine Arbeit, die mich erfüllt. Ich will mich engagieren. Ich will die Gemeinschaft. Und ich will dich! Damit ich all das bekomme was ich will, muss ich aber einsehen, dass ich mein Arbeitsleben umstrukturieren muss. Es muss gar nicht weniger werden, sondern einfach nur anders." Ich seufze leise. "Weißt du was ich meine?"
"Ich weiß genau was du meinst." Ich habe meine Hände an ihre Hüften gelegt, als sie sich an mich geschmiegt hat, doch nun lege ich meine rechte Hand an ihre Wange und streiche sanft mit meinem Daumen darüber. "Auch meine Tage waren immer sehr fest durchgeplant. Aktuell nicht so, weil ich tatsächlich frei habe. Aber das ändert sich bald wieder. Ich denke, dass dir das auch etwas helfen wird. Zu sehen, dass ich auch etwas zu tun habe." Anfangs hatte ich den Sommerkurs. Doch das war der Anfang unserer Beziehung. Jetzt wollen wir zusammenziehen und wir müssen uns einen Alltag schaffen, den wir beide toll finden. "Es wird sicherlich schon viel leichter, wenn wir zusammenwohnen. Aber ja, wir brauchen wohl beide neue Strukturen für diese Beziehung. Ich will nicht noch einmal solche Tage haben wie vor der Prüfung. Ich will dich nicht mehr ausschließen." Auch wenn ich mir sicher bin, dass sie das nicht noch einmal zulassen würde. "Es verändert sich viel - bei uns beiden. Neues Projekt, neue Uni und dann auch noch eine Beziehung. Aber das bekommen wir hin. Und ich bin mir sehr sicher, dass wir beide genug Zeit für uns finden werden. Dafür ist uns diese Beziehung zu wichtig. Dafür lieben wir es viel zu sehr aufeinander zu hocken." Ich lache leise und lege meine Hand an ihr Kinn, um mit meinem Daumen sanft über ihre Unterlippe zu streichen. "Und die Abende gehören uns. Solange es nicht brennt, gehören die Abende uns. Das sollten wir auf jeden Fall festhalten. Egal wie schwer es uns beiden fällt." Natürlich wird es Ausnahmen geben. Es gibt immer Situationen, in denen man nicht einfach alles weglegen kann. Doch das ist okay. Aber wir sollten wirklich darauf achten, dass wir genug Zeit füreinander haben und uns nicht zu sehr in unseren Aufgaben verlieren. "Ich liebe dich." Lächelnd beuge ich mich zu ihr hinunter und gebe ihr einen kleinen Kuss, nachdem ich meinen Daumen von ihrer Unterlippe genommen habe. "Und wir bekommen das hin. Wir bekommen alles hin."
Ich liebe dich auch! Das weiß er, auch wenn ich meine Lippen gerade dazu benutzt habe seinen kleinen Kuss zu erwidern, anstatt ihm das zu sagen, oder? Ich öffne meine Augen ganz langsam wieder und meine kribbelnden Lippen formen sich wieder zu einem Lächeln. "Natürlich tun wir das. Daran hege ich überhaupt keinen Zweifel." Ich sehe es schließlich auch nicht als etwas negatives an mein Leben umzustrukturieren. Wenn es um meine Arbeit geht, werden sich durch Veränderungen neue Möglichkeiten für mich auftun und darauf freue ich mich schon sehr. Ich muss nur noch entscheiden, wie ich alles umstrukturiere, damit es für mich passt. Ich muss das passende Personal finden. "Ich mache mir keine Sorgen. Ich hoffe, dass ist nicht so rübergekommen. Es wird in den nächsten Monaten sehr viel Arbeit. Auf vieles freue ich mich. Auf manches nicht, weil es für mich Arbeit an meiner eigenen Person bedeutet und die ist immer ganz besonders anstrengend.", lache ich leise. "Aber wenn etwas positives daraus resultiert, und davon gehe ich aus, dann ist es das wert." Ich ziehe meine Arme nach vorne, lasse meine Hände über seine Brust hinauf gleiten und greife dann nach dem Stoff seines Oberteils, um ihn noch einmal zu mir hinunter zu ziehen. "Und jetzt küss mich nochmal." Ich will gar nicht zu viel über die Arbeit nachdenken oder sprechen. Gerade hat es sich ergeben, weil er mich gezielt gefragt hat, was vollkommen in Ordnung war - es hat sich aus der Situation ergeben -, aber ich will mich auf ihn konzentrieren. Das haben wir ausgemacht - wir konzentrieren und in diesem Urlaub auf uns und genießen einander.