"Magst du frisches Obst?", frage ich interessiert nach, während ich mich darum kümmere das Obst, abgesehen von den Bananen, zu waschen. Natürlich steht er auf Äpfel und den Erdbeerjoghurt bei mir hat er auch gemocht, aber ansonsten? Ich möchte auch die vermeintlichen Kleinigkeiten über ihn wissen und in Situationen wie diesen, erfährt man manchmal mehr als in tiefgründigen Gesprächen. Man erfährt alltägliches, normales, Dinge die unscheinbar wirken, aber dann dafür sorgen, dass man dem anderen kleine Freuden machen kann oder dergleichen. Mein Blick wandert kurz über meine Schulter hinweg zu ihm. "Hm?" Nachdem alles gewaschen ist, stehe ich einen Moment etwas ratlos vor seiner Küchenzeile. "Schüsseln?" Er sagt es mir und ich fülle alles bis auf die Bananen um, damit ich sie dann zum Tisch tragen kann, den er inzwischen gedeckt hat. "Hast du eigentlich in New York auch schon alleine gewohnt oder?" Ich bin mir nicht sicher, ob er mir das schon mal erzählt hat.
"Ich mag es tatsächlich sehr gern. Esse ist nur viel zu selten, weil ich selten Zuhause esse." Ich helfe ihr mit den Schüsseln und hole dann noch schnell Besteck: einen großen Löffel für den Joghurt, kleine für unsere Schüsseln. Der Tisch ist voll und ich bleibe davor stehen und sehe sie an. "Ich habe nach wie vor keine Kaffeemaschine und ich kann dir tatsächlich nichts anderes anbieten außer Wein, Bier und Zitronenwasser." Ich muss lachen und hole zwei Gläser und das Zitronenwasser. Ich gehe nicht davon aus, dass sie jetzt Alkohol trinken will. Vor allem, weil sie das letzte Mal - gerechtfertigt - nachgefragt hatte wieso ich noch welchen trinke. Ich setze mich neben sie auf die Couch, schnappe mir eine Erdbeere und lasse sie erst einmal alles zurecht machen für sich. Nachdem ich aufgekaut habe, antworte ich ihr auch. "Ja, meistens." Ich muss etwas lachen. "Ich habe ein wunderschönes Appartment in der Nähe des Central Parks. Ich bin dort direkt nach der Schule eingezogen. Eine Weile zur Miete und als meine Großeltern verstarben, habe ich es mir von dem Erbe gekauft." Sie ist fertig, als tue ich mir nun Joghurt und dann Früchte auf. "Es ist ein großes Loft, in einem alten Fabrikgebäude. Ich habe es vor der Sanierung erworben, was mich höchst wahrscheinlich Millionen erspart hat." Mein Blick geht zu ihr und ich grinse leicht. "Ich zeige es dir gern mal." Ich nehme von den Himbeeren. "Oh und mit meistens meinte ich, dass Liz sich öfters einquartiert hat. Es würde mich nicht wundern, wenn sie mittlerweile komplett dort wohnt." Ich lehne mich zurück und sehe Mia an. "Wenn sie mal wieder einen Job verliert, dann kann sie sich ihr Zimmer nicht mehr leisten, also kommt sie bei mir unter. Wahrscheinlich ist sie nachdem ich weg bin gar nicht mehr ausgezogen." Ich grinse und esse dann etwas von meinem Joghurt, nur um dann zu merken, dass ich echt Hunger habe.
Für mich ist es sehr spannend mehr über ihn zu erfahren. Er hat bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Vielleicht hat er auch noch eine vor sich. Aber er scheint zurzeit mehr oder weniger stabil zu sein. Mein Blick schweift durch seine Wohnung, während ich kaue und wieder fallen mir die neuen Möbelstücke und der reparierte Klavierhocker auf. Es war meine Schuld, auch wenn er das verneint, dass hier einiges zu Bruch gegangen ist. "Du passt auf sie auf und sie auf dich, hm?", frage ich nachdem ich den köstlichen Bissen heruntergeschluckt habe. Ich liebe frisches Obst und esse es wohl - laut seiner eigenen Aussage - auch öfter als er. Die Himbeeren sind sehr geschmacksintensiv und ich stibitze mir eine einzelne aus meiner Schüssel, um sie für sich allein zu genießen. Ich blicke zu ihm und beginne zu lächeln. "Ich pass auf, dass du mehr Ost ist." Ich zwinkere ihm zu und esse dann noch einen Löffel. Und darauf, dass ich dich nicht nochmal in eine siolche Situation bringe. Irgendwie verspüre ich dieses Bedürfnis - auf ihn Acht zu geben. "Was steht bei dir heute alles auf dem Plan?" Ich lache leise. "Ich meine, außer nach Fotos von deinem Loft zu schauen, damit du es mir mal zeigen kannst." Als ich gerade meinte, dass das traumhaft klingt und ich mich freuen würde es irgendwann zu sehen, meinte er, dass er vielleicht noch Fotos auf dem Handy hat. Da ich von natur aus neugierig bin, habe ich natürlich sofort kund getan, dass es mich freuen würde die zu sehen, auch wenn er sich keine Umstände zu machen braucht.
Ich muss etwas grinsen und nicke. "Ja. Das war schon immer so. Auch wenn du ihr das niemals sagen darfst, denn auf Liz muss nicht aufgepasst werden." Ich zwinkere ihr zu und esse meinen Joghurt weiter. Dann muss ich lachen. "Tust du das?" Ich stupse sie liebevoll mit meinem Ellenbogen an und nicke dann. "Mach das." Sie wird darauf achten. Es hat eine Weile gedauert, doch irgendwann konnte und musste ich mir eingestehen, dass ich Hilfe brauche und diese auch annehmen sollte - und wenn es nur darum geht, dass ich mehr Obst esse. Wahrscheinlich achtet sie mittlerweile schon darauf, dass ich überhaupt esse. Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann tut sie das wirklich. Wenn wir uns nicht gesehen haben, dann hat sie immer mal wieder nachgefragt, was ich denn heute zu essen habe und mir dann erzählt, was sie isst. Ich gebe einen Bedürfnis nach und greife mit meiner Hand an ihren Oberarm und drücke diesen sanft zum Dank. Ihr Blick geht fragend zu mir und ich lächle einfach nur. Ich lasse ihren Arm wieder los und esse weiter. "Ich esse noch auf und dann gucke ich." Sicher habe irgendwo noch ein Foto. "Ansonsten steht tatsächlich nichts an. Also nichts außer das Übliche." Ich sehe von der Seite zu ihr. "Wenn man mich nicht aus meiner Wohnung zerrt, dann bleibe ich meistens dort und lernen und übe. Ich bin sterbenslangweilig." Die meisten meiner Aktivitäten ergeben sich tatsächlich durch andere. Ich genieße diese auch sehr, doch ich würde wohl nicht wirklich auf die Idee kommen jemanden zu fragen - außer Mia. Doch das hat ganz andere Gründe. Ich esse meinen Joghurt auf und stelle die Schüssel zur Seite, um aufzustehen und mein Handy zu suchen. Ich finde es in meiner Hosentasche und meine Hose liegt noch vor dem Bett. Während ich zum Sofa zurückkomme, scrolle ich schon durch meine Bilder. "Hier sieht man sie ganz gut." Ich reiche ihr mein Handy, damit sie sich das Foto von meinem Appartment ansehen kann. Und sie hatte gesagt, dass sie sich freuen würde es irgendwann zu sehen. Das hat mein Herz wieder einmal schneller schlagen lassen. Ich werde sie mit nach New York nehmen. Ich weiß noch nicht wann, aber ich werde es tun.
Nun hätte ich mich fast an dem Bissen verschluckt, den ich gerade dabei war herunterzuschlucken. In der einen Hand halte ich noch immer meine Schüssel, aber in der anderen Hand halte ich sein Handy, um mir das Foto anzusehen. Dieses war auch der Auslöser dafür, dass ich mich fast verschluckt hätte - zum Glück dieses Mal ohne großen Hustenanfall. "Das ist dein Loft?", frage ich leise lachend nach. "Da wäre ich niemals ausgezogen." Natürlich kenne ich inzwischen ein bisschen seine Geschichte und weiß warum er von dort fort ist, aber das ist mein erster Gedanke. Ich hoffe, er nimmt ihn mir nicht übel. Bei ihm gehe ich nicht immer alles erst dreimal in meinem Kopf durch bevor ich es sage und Worte schlüpfen schneller über meine Lippen als üblich. "Es ist super schön!" Ich halte ihm sein Handy hin, damit er es wieder zurücknehmen kann. "Ich hätte mich an Liz Stelle auch dort einquartiert." Ich zinkere ihm zu und nehme mir dann einen weiteren Löffel mit Joghurt aus meiner Schüssel. "Hast du es selbst konzipiert? Also den Umbau und die Einrichtung.", frage ich bevor ich den Löffel zu meinem Mund führe und dann wieder esse. Er meinte vorhin, dass er es vor der Sarnierung gekauft hat, deswegen könnte es ja durchaus sein.
Ich muss lachen und kann nur zustimmend nicken. "Ich hätte es am liebsten mit hierher genommen. Aber es wartet ja auch mich, wenn ich mal zu Besuch komme." Es fiel mir wirklich schwer diese Wohnung zu verlassen, als ich aus New York weggezogen bin. Dort habe ich mich sehr wohl gefühlt, tolle Tage und Nächste erlebt und es war mein Zuhause. Ein Gefühl, dass sich hier immernoch nicht wirklich eingestellt hat. Aber es wird besser - das merke ich. So langsam komme ich hier an. Ich nehme mein Wasser und trinke einen Schluck und nasche immer mal wieder ein bisschen Obst zwischendurch. "Nicht wirklich. Der Aufbau war schon so, als ich eingezogen bin. Also mit dem Bett auf der Erhöhung. Das mit der Treppe war meine Idee. So halb." Leicht wiege ich meinen Kopf hin und her. "Ich wollte dort einen Bücherschrank, der Inneneinrichter meinte dann, dass man ja die ganze Treppe nutzen könnte. "Ich bin nicht besonders gut in sowas..." Kurz lasse ich meinen Blick schweifen und muss lachen. "Wie man hier vielleicht auch sieht. Also hatte ich jemanden dafür. Doch es ist perfekt geworden. Ich habe die Zeichnungen gesehen und gesagt: ja, das ist es. Genauso will ich es haben." Ich setze mich etwas seitlicher hin und sehe sie an. "Es wird dir noch mehr gefallen, wenn du dort bist." Irgendwie freue ich mich drauf ihr das alles zu zeigen. Sie zeigt mir ihr Zuhause - jeden Tag ein bisschen mehr. Irgendwann möchte ich ihr auch meines zeigen. "Warst du schon mal in New York?"
Einmal mehr schlucke ich erst einen Bissen hinunter bevor ich ihm antworte. "Schon einige Male. Aber immer nur sehr kurz. Ein oder zwei Tage. Meist, weil irgendwelche Konzerte waren oder so etwas. Ist aber schon eine ganze Weile her." Ich zucke ganz leicht mit meinen Schultern. "Das was ich von New York kenne, ist bestimmt ganz anders als dein New York." Es ist immer etwas anderes eine Stadt mit jemandem zu erkunden, der sie wirklich kennt. "Du zeigst mir dann nicht nur deine Wohnung, ja?" Man merkt, dass ich richtig Lust dazu habe mich auf einen Besuch mit ihm einzulassen - auf seine Wohnung, auf die Stadt, auf ihn in seiner Stadt. "Vielleicht besuchen wir sie nicht nur für einen Tage, sondern für zwei, drei, vier." Mein Blick wandert von seinen Augen flüchtig hin zu meiner Schüssel und dann wieder zurück zu seinen Augen. " Also wenn du Lust hast." Im nächsten Moment halte ich ihm meine Schüssel hin. Es befinden sich vielleicht noch drei oder vier Löffel zu essen darin, aber ich seufze trotz der Menge. "Magst du vielleicht aufessen? Ich war zu gierig." Ich kann es nicht leiden essen wegzuschmeißen und gebe normalerweise besser acht oder aber esse es dann später. Aber wir haben nicht geplant wie dieser Tag verlaufen wird und so kann es sein, dass ich nachher nicht mehr hier bin um es aufzuessen.
Ich muss aufpassen mich von ihrer Aufregung nicht direkt anstecken zu lassen. Es ist toll, dass sie darauf wirklich Lust zu haben scheint. "Ich habe sehr große Lust dazu, Mia. Auch wenn vier Tage etwas knapp wird." Ich zwinkere ihr zu und muss wieder lachen. "Wir machen das. Du schaust wie lange du das Vanilla alleinlassen kannst und dann fahren wir nach New York und ich zeige dir alles. Okay, nicht direkt alles. Aber nach und nach. Wir können ja öfters hin." Ist es komisch, dass ich jetzt schon davon spreche, dass wir öfters zusammen nach New York fliegen? Nein, ich finde nicht. Wenn ich nicht davon ausgehen würde, dass es für uns eine mögliche Zukunft gäbe, dann müsste ich mich auch gar nicht darauf einlassen. Also kann ich von dieser möglichen Zukunft auch sprechen. "Gib her." Ich nehme ihr den letzten Rest Joghurt ab und beginne ihn aufzuessen. "Was hast du heute vor? Musst du arbeiten?" Eigentlich muss sie immer arbeiten, oder? Sie hat Menschen, die sie unterstützen und auch mal das Café für einen Tag übernehmen. Ab und an hatte es auch schon zu. Doch meistens musste sie es arbeiten. Dad wird sie lieben. Der Gedanke kam mit einem Mal in meinen Kopf und ich esse schnell noch etwas, damit sie das irritierte Grinsen auf meinen Lippen nicht sieht.
"Erst einmal ist Donna im Vanilla, aber ich übernehme am Nachmittag." Ich lehne meinen Kopf an das Polster hinter mir und seufze leise. "Ich überlege noch jemanden einzustellen." Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung. "Das Vanilla läuft sehr gut. Ich würde mich gerne nach einem weiteren Projekt umschauen, aber dann brauche ich auf jeden Fall noch jemanden. Brenda arbeitet schließlich eigentlich nicht mehr für mich." Als er nachfragt, bestätige ich ihm: "Ja, hat sie mal. So das erste Jahr ungefähr. Aber inzwischen springt sie immer nur noch ein, wenn ich mal Hilfe brauche oder zum Beispiel verreise." Ich zwinkere ihm schmunzelnd zu. Ich hebe meine Hände, fähre sie zu meinem Kopf und streiche meine Haare zurück beziehungsweise schüttle sie auch so ein bisschen auf. "Mal sehen. Vielleicht versuche ich es nochmal so, wie ich auch Donna gefunden habe." Ich lache leise. "Da habe ich einfach ein Schild ins Fenster gestellt. Das war die simpelste und kostengünstigste Weise jemanden zu finden. Aber ich habe bestimmt nicht nochmal so ein Glück."
"Ich kann gern etwas an der Uni aushängen. Da findest du sicher jemanden, der oder die dich unterstützen kann." Das wäre ja eigentlich gar keine so schlechte Idee. "Vielleicht keine zweite Donna, aber zumindest jemanden, der dir hilft." Ich strecke meinen Arm über die Lehne aus und streiche mit meinen Fingern leicht durch ihr Haar. "Also habe ich noch bis zum Nachmittag was von dir?" Ich schmunzle. "Was für ein weiteres Projekt? Schwebt dir schon etwas vor? Ein zweites Café oder etwas ganz anderes?" Das ist wirklich spannend. Ja, ich weiß, dass sie das Café besitzt, doch jetzt hat sie erwähnt, dass sie sich gern nach etwas weiterem umschauen würde und es interessiert mich wirklich, ob sie da schon irgendwelche Pläne hat. "Ich würde ja gern so freundlich sein und dir anbieten dich im Vanilla zu unterstützen, aber nein." Ich muss lachen. "Ich glaube ich würde alles kaputt hauen und es wäre für dich ein großes Minusgeschäft." Ganz davon abgesehen, dass ein Job mich am Lernen hindern würde und ich glaube das könnte mein Kopf nicht bewältigen im Moment. "Das Vanilla ist wirklich toll. Ich wäre auch dort, wenn du nicht da wärst. Vielleicht nicht so oft, aber oft."
Ich lache leise. "Nein, nein. Selbst wenn du es anbieten würdest, würde ich ablehnen. Mit Angestellten ins Bett gehen? Das geht nun wirklich nicht." Meine Stimme mutet ein bisschen frech an. "Und ich habe vor noch so einige Male mit dir ins Bett zu gehen." Meine Lippen formen sich zu einem Schmunzeln. "Natürlich nur, wenn das für dich in Ordnung ist. Aber um nochmal auf deinen Vorschlag zurückzukommen: Es wäre super hilfreich, wenn du die Stelle bei euch aushängen würdest. Wenn dir das keine Umstände macht, nehme ich das Angebot gerne an." Ich könnte mich heute Nachmittag, da ich eh im Cafè bin, daran setzen einen Aushang fertig zu machen und auszudrucken. "Ich kümmere mich nachher darum und bringe dir den Aushang dann vorbei, ja?" Ist das nun zu offensichtlich? Meine Frage beinhaltet schließlich nicht nur, ob es ihm wirklich keine Umstände macht, sondern auch ob ich nachher noch einmal vorbeikommen soll. Wieder war mein Mund ein bisschen schneller als meine Gedanken - habe ich das nicht vorhin erst festgestellt? Vielleicht ist es ihm aber gar nicht aufgefallen.
Ich hebe einen Augenbraue. "Ich muss noch überlegen, ob das in Ordnung für mich wäre." Wir sitzen beide nackt auf meiner Couch und sie fragt, ob es in Ordnung für mich wäre, wenn wir weiterhin miteinander schlafen. Ich bin mir bewusst, dass die Frage nur bedingt erst gemeint war. Dann nicke ich. "Ja, mach alles fertig und bringe sie mir vorbei." Ganz leicht beiße ich mich auf meiner Unterlippe. Natürlich könnte ich es auch abholen oder mitnehmen, wenn ich mir vor der Uni einen Kaffee raushole. Doch sie will es nachher noch vorbeibringen. Das gefällt mir. Das gefällt mir sehr. "Ich werde hier sein und auf dich warten." Sie wird den Nachmittag zwar weg sein, doch sie kommt wieder her. Keine Ahnung, ob sie noch einmal hier übernachten wird, doch wir wissen beide, dass ich sie wieder bitten werde nicht zu gehen. "Hast du meine andere Frage bewusst nicht beantwortet?" Ich hatte sie nach ihrem anderen Projekt gefragt und sie mit keiner Silbe darauf eingegangen. "Wenn ja, dann ist das in Ordnung und ich werde es nicht mehr ansprechen." Das soll sie wissen. Sie muss mir nichts erzählen, was sie nicht erzählen will.
"Oh, nein. Ich habe deine Frage nicht absichtlich nicht beantwortet. Bitte entschuldige." Das meine ich vollkommen ehrlich. "Manchmal passiert mir das, wenn ich nicht im Arbeitsmodus bin. Ich habe mich so auf den Aushang fokussiert, dass ich deine andere Frage ausgeblendet habe." Ich befinde mich gerade ganz und gar nicht im Arbeitsmodus, auch wenn wir im Endeffekt darüber sprechen. Aber hier nackt auf seiner Couch zu sitzen und noch viel wichtiger, ihn hier nackt neben mir sitzen zu haben, stört meine Fähigkeit mich auf mehrere Sachen gleichzeitig zu konzentrieren ein wenig. "Also ich habe noch keine festen Pläne. Bisher sind es nur verschiedene Ideen und..." Ich lächle ihn an. "Seitdem ich dich kenne..." Ich meine wirklich kenne und nicht diese unbeschreibliche Nacht vor fünf Jahren. "...ist sogar noch eine dazu gekommen, die mir irgendwie nicht mehr aus dem Kopf geht. Magst du sie hören?" Als er nickt, setze ich mich wieder ein bisschen aufrechter hin und wende mich ihm auch mehr zu. Bin ich nun ein bisschen aufgeregt? Auf jeden Fall. Diese Idee habe ich mit noch keinem geteilt, aber nun verspüre ich das unbändige Bedürfnis ihm davon zu erzählen. "Also es soll durchaus wieder in Richtung veganes Cafè gehen, aber ich möchte nicht einfach ein zweites Vanilla eröffnen. Die Idee ist, dass die Location eine Bühne hat auf der Musiker auftreten können. Keine bekannten und gestandenen Musiker, sondern neue Gesichter. Musiker und Musikerinnen, die noch am Anfang stehen und sich ausprobieren wollen. So in Richtung Open-Mic-Nights. Oder wohl eher Nachmittage." Ich lache leise. "Aber nicht nur Musiker, sondern zum Beispiel auf Schriftsteller, die Passagen aus ihren Werken vorlesen. Ein offener Ort." Ich schaue ihn erwartungsvoll an. "Nein, ich habe noch keinen Plan. Weder finanztechnisch, noch was eine Örtlichkeit betrifft. Nichts. Nur diese Idee und den Wunsch mir dafür Zeit zu schaffen."
Meine Finger spielen immer noch mit ihrem Haar, während sie mir von ihrer Idee berichtet, zu der ich sie anscheinend ein Stück weit inspiriert habe. Es klingt unglaublich gut und spannend. Ich nicke immer wieder, während sie erzählt und grinse zufrieden. "Das ist eine großartige Idee. Ich bin zwar etwas befangen als Musiker, aber ich denke, dass das perfekt hierher passt. In die Kingston, nach San Francisco. Das klingt wirklich gut." Ich lächle sie an. "Du solltest dir auf jeden Fall dafür Zeit freischaufeln und deinen Überlegungen weiter nachgehen. So etwas wäre wirklich wirklich toll." Immer wieder streifen meine Finger ihren Hals oder ihr Ohr. "Du wirst es bei dem Festival ja sehen, dass solche Bühnen gerne genutzt werden. Also ich hoffe, dass es hier so ist." Ich muss etwas lachen. "Ich kenne es nur so, dass Bands so etwas super finden. Damit wird man bekannter, man kann Dinge ausprobieren. Und sicherlich ist das auch für Lesungen oder Stand Up oder so toll." Man merkt mir sicherlich an wie begeistert ich von dieser Idee bin. "Wenn du irgendwie Hilfe dabei brauchst, dann sag Bescheid, okay? Egal was." Ich weiß, dass es bisher nur eine Idee ist. Aber sie soll wissen, dass sie zu mir kommen kann, Gedanken durchgehen kann oder meinetwegen auch Locations ansehen. Ich würde sie wirklich gern dabei unterstützen. "Wann musst du los?"
"Aber da ist der Knackpunkt!" Ich seufze und dieses Mal nicht leise, sondern höchst theatralisch. "Ein weiteres Cafè in der Kingston Avenue zu eröffnen, auch wenn es eine andere Zielgruppe ansprechen würde, wäre unklug. Das Vanilla ist schon nicht das einzige, aber es hebt sich von den anderen ab, weil es nur vegane Speisen und Getränke gibt. Weil die Ausstattung und alles was mit dem Cafè zu tun hat vegan und nachhaltig ist. Deshalb ist es bisher nicht mehr als eine Idee." Ich zucke mit meinen Schultern. "Danke für das Angebot. Ich komme darauf zurück!" Ich zwinkere ihm schmunzelnd zu. Ich äußere es nun nicht, aber seinen Enthusiasmus herauszuöhren bedeutet mir viel. Sehr viel. Es bestärkt mich darin mir weiter Gedanken zu machen und den ein oder anderen zu vertiefen. "Hm?" Doch während ich diesen Laut des Nachfragens von mir gebe, wird mir auch schon bewusst was er mich gefragt hat. "Oh, ich wollte noch kurz bei mir vorbei und mich frisch machen. Ich werde so gegen zwei Uhr hier los." Dabei fällt mir jedoch auf, dass ich absolut keinen blassen Schimmer habe, wie viel Uhr wir eigentlich haben. Sogleich beginnt mein Blick suchend nach meinem Handy Ausschau zu halten. Hab ich das etwa immer noch in meiner Tasche? Das würde bedeuten ich habe seit gestern nicht mehr drauf geschaut! Wie konnte ich das nur so vergessen? Was ist, wenn irgendwas mit dem Vanilla ist? Nach Außen hin bleibe ich ruhig, aber in mir sieht es anders aus. Sowas passiert mir sonst eigentlich nicht. "Sag mal, hast du mein Handy gesehen?"